Versprechen der Vergangenheit«, sagte Kramer. »Auf jeden Fall >Das Versprechens«
Begleitet von zwei Rittern trabte Marek durch den Staub der Transportkarren zur Spitze der Kolonne vor. Chris und Kate konnte er noch nicht sehen, aber seine kleine Gruppe bewegte sich sehr zugig. Bald wurde er aufgeholt haben.
Er musterte die Ritter zu beiden Seiten. Raimondo links von ihm, aufrecht, in voller Rustung, mit einem dunnen Lacheln auf den Lippen. Und rechts ein grauhaariger Kampe, ebenfalls in Rustung, ganz offensichtlich ein zaher und fahiger Mann. Keiner von beiden achtete sonderlich auf ihn, so sicher waren sie sich ihrer Kontrolle uber ihn. Vor allem, da seine Hande so gefesselt waren, da? seine Handgelenke gerade einmal funfzehn Zentimeter voneinander entfernt waren. Hustend wegen des Staubes ritt er dahin. Schlie?lich schaffte er es, den Dolch unter seinem Uberwurf hervorzuholen und ihn zwischen Handflache und den holzernen Knauf seines Sattels zu klemmen. Er versuchte, das Messer so zu drehen, da? die sanfte Auf- und Abbewegung des Reitens seine Fesseln mit der Zeit durchtrennen wurde. Aber das war leichter gesagt als getan; das Messer schien immer in der falschen Position zu sein, und seine Fesseln blieben unbeschadigt. Marek warf einen verstohlenen Blick auf seinen Timer am Handgelenk: 07:31:02. Noch mehr als sieben Stunden also, bis die Batterien erschopft waren.
Nun ritten sie die gewundene Stra?e zum Dorf von La Roque hoch. Das Dorf war in den Felshang uber dem Flu? gebaut, die Hauser bestanden fast ausschlie?lich aus Stein und gaben dem Ort ein kompaktes, dusteres Aussehen, vor allem jetzt, da alle Fenster und Turen in Erwartung der Schlacht verrammelt waren.
Jetzt bewegten sie sich an den Kommandoeinheiten von Arnauts Armee vorbei, alles Ritter in voller Rustung, jeder mit eigenem Gefolge. Manner und Pferde arbeiteten sich die steilen, gepflasterten Stra?en hoch, die Pferde schnaubten, die Transportkarren rutschten immer wieder weg. Die Ritter an der Spitze schienen es eilig zu haben, und viele der Karren waren mit zerlegten Belage -rungsmaschinen beladen. Offensichtlich war der erste Angriff noch vor Anbruch der Nacht geplant.
Sie waren noch immer innerhalb der Stadt, als Marek Chris und Kate, die nebeneinander auf alten Kleppern ritten, zum ersten Mal sah. Sie waren etwa hundert Meter entfernt und verschwanden immer wieder hinter Biegungen der Stra?e. Raimondo legte Marek die Hand auf den Arm. »Wir gehen nicht naher ran.«
Im Staub etwas weiter vorne flatterte ein Banner zu dicht vor dem Gesicht eines Pferds. Das Tier baumte sich wiehernd auf, ein Karren kippte um, Kanonenkugeln kullerten heraus und rollten den Hugel hinunter. Das war der Augenblick der Verwirrung, auf den Marek gewartet hatte, und er reagierte sofort. Er spornte sein Pferd an, doch es bewegte sich nicht. Dann sah er, da? der grauhaarige Ritter die Zugel gepackt hatte.
»Mein Freund«, sagte Raimondo, der neben ihm ritt, seelenruhig. »Bringt mich nicht dazu, Euch zu toten. Zumindest jetzt noch nicht.« Er nickte in Richtung von Mareks Handen. »Und steckt diese torichte kleine Klinge weg, bevor Ihr Euch schneidet.«
Marek spurte, wie ihm die Rote in die Wangen stieg. Aber er tat, wie ihm gehei?en, und steckte den Dolch wieder unter seinen Uberwurf. Dann ritten sie schweigend weiter.
Hinter den Steinhausern ertonte der Ruf eines Vogels, der noch zweimal wiederholt wurde. Raimondo ri? sofort den Kopf herum, als er das horte, sein Gefahrte auf der anderen Seite ebenfalls. Offensichtlich war es kein Vogel, sondern ein Signal.
Die Manner horchten, und bald kam von weiter oben ein Antwortruf.
Raimondo legte die Hand aufs Schwert, tat aber sonst nichts.
»Was ist?« fragte Marek.
»Das geht Euch nichts an.«
Und damit war die Unterhaltung beendet.
Die Soldaten waren beschaftigt und achteten nicht auf sie, vor allem, weil sie durch ihre Satteldecken als Arnauts Leute zu erkennen waren. Schlie?lich erreichten sie die Kuppe der Anhohe und kamen auf ein offenes Feld, auf dem sich rechts die Burg erhob. Ein Stuckchen links von ihnen begann der Wald, die breite, sanft abfallende, grasbewachsene Ebene lag im Norden.
Umringt von Arnauts Soldaten, wurde es Marek zunachst gar nicht bewu?t, da? sie im Augenblick nur etwa funfzig Meter vom au?eren Burggraben und dem Wachhaus am Eingang der Burg entfernt waren. Chris und Kate ritten noch immer etwa hundert Meter vor der Spitze der Kolonne.
Der Angriff kam mit verbluffender Schnelligkeit. Funf Ritter kamen mit Gebrull und ihre Schwerter schwingend von links aus dem Wald galoppiert. Sie sturmten direkt auf Marek und die anderen zu. Es war ein Hinterhalt.
Mit einem Aufschrei zogen Raimondo und der grauhaarige Ritter ihre Schwerter. Die Pferde wurden herumgerissen, Schwerter klirrten. Arnaut kam selbst herbeigesturmt und sturzte sich wutend um sich schlagend in das Getummel. Auf Marek achtete niemand. Als er die Kolonne hochschaute, sah er, da? eine zweite Gruppe Kate und Chris angegriffen hatte. Marek erkannte den schwarzen Helmbusch von Sir Guy, und dann hatten die Reiter die beiden umringt. Marek spornte sein Pferd an und galoppierte an der Kolonne vorbei. Vor sich sah er, da? ein Ritter Chris an seinem Uberwurf gepackt hatte und ihn vom Pferd ziehen wollte; ein anderer griff jetzt nach den Zugeln von Kates Pferd, das wieherte und tanzelte. Ein dritter Ritter hatte Chris' Zugel gepackt, er aber trat seinem Pferd in die Flanken, so da? es sich aufbaumte. Der Ritter lie? los, aber Chris war plotzlich blutbespritzt und schrie entsetzt auf. Chris verlor die Kontrolle uber sein Pferd, das wiehernd in Richtung Wald davongaloppierte, wahrend er zur Seite kippte und sich kaum mehr im Sattel halten konnte. Kurz darauf war er zwischen den Baumen verschwunden. Kate versuchte noch immer, dem Ritter ihre Zugel zu entrei?en. Ein Inferno war losgebrochen. Arnauts Manner liefen schreiend umher und griffen zu ihren Waffen, stachen mit ihren Piken nach den angreifenden Rittern. Einer zielte nach dem Ritter, der Kates Pferd hielt, und er lie? die Zugel los. Marek galoppierte, obwohl unbewaffnet, mitten in diesen Zweikampf und trennte Kate von ihrem Angreifer. Sie rief: »Andre!«, aber Marek schrie ihr zu: »Los, los!« und rief dann:
Kate trat ihrem Pferd in die Flanken und trieb es auf den Wald im Norden zu. Als sie sich umdrehte, sah sie, da? Marek uber die Zugbrucke in die Burg einritt und hinter den Mauern verschwand. Seine Verfolger ritten hinterdrein. Dann sauste das schwere Fallgitter des Tors rasselnd herunter, die Zugbrucke wurde hochgezogen. Marek war verschwunden. Chris war verschwunden. Vielleicht bereits tot, einer oder beide. Aber eins war klar. Sie war die einzige, die jetzt noch frei war. Nun lag alles an ihr.
Auf allen Seiten von Soldaten umgeben, brachte Kate die nachste halbe Stunde damit zu, sich einen Weg durch Arnauts Tro? aus Wagen und Pferden zu bahnen. Ihr Ziel war der Wald im Norden. Arnauts Manner errichteten am Waldrand gerade ein riesiges Zeltlager, von dem aus man freie Sicht uber die sanft ansteigende, grasbewachsene Ebene bis zur Burg hatte.
Manner riefen ihr zu, sie solle mithelfen, aber sie konnte nur, auf mannliche Art, wie sie hoffte, abwinken und weiterreiten. Schlie?lich erreichte sie den Waldrand und ritt daran entlang, bis sie den schmalen Pfad entdeckte, der in die Dunkelheit und Einsamkeit fuhrte. Hier hielt sie kurz an, damit ihr Pferd sich erholen und ihr Herz sich beruhigen konnte, bevor sie in den Wald hineinritt.
Hinter ihr auf der Ebene baute eine Gruppe Pioniere in schneller Reihenfolge die Trebuchets auf. Diese Wurfmaschinen sahen plump und unformig aus — riesige Steinschleudern mit einem Gerust aus machtigen Balken, auf dem der Schwenkarm auflag, der mit dicken Hanfseilen gespannt wurde. Wurden diese Seile gelost, schnellte der Schwenkarm, von einem Gegengewicht gezogen, nach oben und schleuderte seine Last uber die Burgmauern.
Eine solche Vorrichtung schien weit uber zweihundert Kilo zu wiegen, doch die Manner errichteten sie au?erst schnell, sie arbeiteten koordiniert und gingen dann sofort zur nachsten Maschine. Als Kate dies sah, verstand sie plotzlich, warum in einigen Fallen eine Kirche oder eine Burg in wenigen Jahren hatte errichtet werden konnen. Die Arbeiter waren so geschickt und selbstandig, da? sie kaum Anweisungen brauchten.
Sie wendete ihr Pferd und ritt in den dichten Wald nordlich der Burg hinein.
Der Weg war nur ein schmaler Pfad durch den Wald, der immer dunkler wurde, je tiefer sie in ihn eindrang. Es war unheimlich, allein hier zu sein, sie horte Eulenschreie und die entfernten Rufe unbekannter Vogel. Sie kam an einem Baum vorbei, auf dessen Asten ein Dutzend Raben sa?en. Als sie sie zahlte, fragt sie sich, ob das ein Omen war und was es wohl bedeuten mochte.
Wahrend sie langsam durch den Wald ritt, hatte sie mit einem Mal das Gefuhl, in der Zeit ruckwarts zu gehen und primitivere Denkweisen anzunehmen. Die Baume schlossen sich uber ihr, der Boden war dunkel wie am