Der Gedanke, Briant begleiten zu durfen, verdoppelte noch seine Freude. Auch Jacques schien sich auf dieses Unternehmen mit seinem Bruder zu freuen.
»Ich bin froh, einige Tage von French-den wegzukommen, glaub mir, Briant.«
Die Jolle wurde also sofort segelklar gemacht. Sie fuhrte ein kleines lateinisches Segel, das Moko mit einer Stange versah und um den Mast wickelte. 2 Gewehre, 3 Revolver, ausreichend Munition, 3 Reisedecken, Nahrungsmittel, Wachshauben fur eventuelles Regenwetter, 2 Ruder, dazu ein Ersatzpaar — mehr war fur diesen kurzen Trip nicht erforderlich.
»Verge?t nicht die Karte, in die ihr bei Gelegenheit neue Namen eintragen konnt.«
Am 4. Februar gegen 8 Uhr verabschiedeten sich Briant, Jacques und Moko und schifften sich am Ufer des Rio Sealand ein, von Sudwesten her wehte eine leichte Brise. Moko hi?te das Segel und setzte sich dann ans Steuer, Briant hielt die Schote des Segels und Jacques sa? neben dem Mast. Nach einer Stunde Fahrt verschwand der Kamm des Auckland-hill am Horizont, das entgegengesetzte Seeufer war noch nicht zu erkennen. Gegen Mittag flaute der Wind ab.
»Wie unangenehm, da? der Wind nicht den ganzen Tag uber anhalt.«
»Nicht so unangenehm wie Gegenwind, Herr Briant«, sagte Moko.
»Du bist der reinste Philosoph!«
»Ich habe nur gelernt, nicht die Nerven zu verlieren und alles zu nehmen, wie es eben kommt.«
»Genau das verstehe ich unter Philosophie!«
»Versuchen wir, das andere Ufer noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, das scheint mir wichtiger zu sein als Gesprache uber Philosophie, dabei kommt wahrscheinlich doch nie was heraus!«
»Ganz recht«, lachelte Briant, »ich nehme jetzt das eine Ruder, du das andere; Jacques soll das Steuer fuhren.«
»Sag mir, wie man steuert«, sagte Jacques zu Moko.
Moko zog das Segel ein, danach a?en sie eine Kleinigkeit. Moko erklarte Jacques einige Handgriffe, dann setzten sich Briant und Moko an die Ruder und arbeiteten. Die kraftig vorangetriebene Jolle glitt in schrager Richtung, laut Kompa? nach Nordosten, schnell dahin. Gegen 15 Uhr meldete der durchs Fernrohr schauende Moko Land voraus. Gegen 16 Uhr zeigten sich die ersten Baumkronen uber einem ziemlich niedrigen Ufer, was nachtraglich erklarlich machte, warum Briant es vom False-sea-point aus nicht hatte wahrnehmen konnen. Also war die zwischen der Sloughi-Bai und dem Family-lake verlaufende Bergkette des Auckland-hill die einzige Erhebung auf der Insel Chairman. Briant und Moko legten sich kraftig in die Ruder, was wegen der Hitze doch reichlich anstrengend war. Die Oberflache des Sees glich einem Spiegel. Man konnte sogar einige Meter tief hinab auf den Grund schauen, wo unzahlige Fische in Schwarmen voruberhuschten. Gegen 18 Uhr endlich stie? die Jolle an Land.
»Ich glaube, hier ist kein guter Landeplatz! Fahren wir lieber noch einen Kilometer weiter nach Norden.«
Plotzlich rief Briant:
»Da ist ja der auf der Karte verzeichnete Rio!« und wies dabei auf einen Einschnitt des Landes.
»Nennen wir ihn einfach East-river, da er nach Osten flie?t.«
»Fahren wir mit der Stromung des East-river bis zu dessen Mundung«, schlug Moko vor.
»Morgen; bleiben wir die Nacht hier. Bei Tag konnen wir auch die beiden Ufer des Rio besser beobachten.«
»Sollen wir aussteigen?« fragte Jacques. »Naturlich, wir lagern am besten unter den Baumen!« Briant, Jacques und Moko sprangen mit einem Satz ans Ufer. Nachdem die Jolle an einem Baumstumpf fest vertaut war, wurde sie entladen. Bald schon brannte ein Lagerfeuer aus durrem Eichenholz. Die Ausflugler a?en zu Abend und rollten sich dann in die mitgenommenen Decken ein. Die Waffen waren geladen, fur den Notfall lagen sie griffbereit. Aber die Nacht verlief ruhig.
»Auf geht's! « rief Briant, der um 6 Uhr fruh als erster erwachte.
Schon nach einigen Minuten sa?en sie alle in der Jolle und uberlie?en sich der Stromung des Rio. Sie war eine halbe Stunde nach Eintritt der Ebbe so stark, da? die Ruder gar nicht gebraucht wurden. Briant und Jacques sa?en vorne, Moko hielt hinten das Steuer.
»Vielleicht reicht die eine Ebbeperiode aus, um bis zum Meer zu kommen, denn die Stromung des East-river ist betrachtlich starker als die des Rio Sealand.«
»Fur den Ruckweg brauchen wir dann aber wahrscheinlich 2 bis 3 Flutwellen.«
Der East-river flo? ziemlich gerade in ostnordostliche Richtung, sein Bett war tiefer eingeschnitten als das des Rio Sealand und auch weniger breit, das erklarte die hohe Stromungsgeschwindigkeit. Unter den Baumen, die Briant wahrend der Fahrt vom Boot aus beobachtete, entdeckte er eine Pinie.
»Wenn Sie sich nicht getauscht haben, Herr Briant, dann sollten wir einen Augenblick anhalten, die Muhe lohnt sich.«
Ein Ruderschlag trieb die Jolle zum linken Ufer. Briant und Jacques sprangen an Land. Wenige Minuten spater brachten sie eine Menge jener wohlschmeckenden Zirbelnusse, deren eiformige Mandel ein vortreffliches Ol liefert.
»Wieder ein kostbarer Fund fur uns Feinschmecker!«
»Wir sollten noch auskundschaften, ob dieser Wald ebenso wildreich ist wie die Walder westlich des Sees.«
Kaum im Wald, sah Briant eine erschreckte Herde Nandus durch das Dickicht fluchten, darauf Vigogne- Schafe und einzelne Guanakos. Auch an Geflugel schien kein Mangel zu herrschen, Doniphan hatte ganz schon schie?en konnen.
Gegen 11 Uhr lichtete sich der Wald etwas, die von vorne wehende Brise schmeckte bereits salzig, die bisher ganz unbekannte Kuste konnte also nicht mehr weit sein. Einige Minuten spater passierte die Jolle die Felsen, die sich an diesem Teil der Kuste erhoben. Moko steuerte zum linken Ufer, schleifte die Jolle zum Strand und vertaute sie.
»Wie verschieden ist doch dieses Bild im Vergleich zu dem der Westkuste«, sagte Briant.
Zwar erstreckte sich auch hier eine weite, der Sloughi-Bai ahnelnde Bucht, doch statt des breiten, sandigen Vorlandes mit dem Klippengurtel an der einen und dem hohen Steilufer an der anderen Seite der Wrack-coast, lagen hier nur Felsen herum, die allerdings, wie sich Briant uberzeugen konnte, ungefahr 20 Aushohlungen besa?en, in denen man sehr gut hatte hausen oder auch nur ubernachten konnen.
»Ware die
»Einen Hafen, in dem selbst bei tiefster Ebbe noch Wasser gestanden hatte«, erganzte Moko.
»Diese Gegend scheint verlassen zu sein.«
»Wie alle anderen Teile der Insel auch.«
»Kein Schiff zu sehen«, sagte Briant, der den Horizont mit seinem Fernrohr absuchte.
»Auch kein Land oder eine Insel«, erwiderte der neben ihm stehende Moko.
»Also ist auch in diesem Punkt die Karte des schiffbruchigen Franzosen genau.«
»Herr Briant, wollen wir diesem Kustenstrich nicht einen Namen geben?« fragte Moko.
»Ja, ich glaube der Name Deception-Bai, Bai der Enttauschung, ist angemessen, auch wenn ich eigentlich nicht sehr viel mehr erwartet habe.«
»Ich denke, wir sollten erst einmal fruhstucken.«
»Aber es mu? schnell gehen. Wann kann denn die Jolle den East-river wieder hochsegeln?«
»Wollen wir diese Flut benutzen, dann mussen wir gleich einsteigen.«
»Dann warten wir die nachste ab. Ich mochte doch noch den Horizont in aller Ruhe und von der Hohe des hochstliegenden Felsens aus beobachten.«
»Die nachste Flut tritt aber erst gegen 22 Uhr ein.«
»Traust du dir zu, auch bei Nacht zu fahren, Moko?«
»Selbstverstandlich! Wir haben gerade Vollmond, au?erdem verlauft der Rio so geradlinig, da? gar nichts passieren kann. Sollte sich die Stromung umkehren, so rudern wir, sollte auch das wegen der Starke der Stromung unmoglich sein, so legen wir eben einfach bis zum nachsten Tag an.«
»Gut, Moko, einverstanden! Wir haben jetzt noch 12 Stunden, um unsere Nachforschungen zu
