»Was ich nicht verstehe«, sagte Evans, »warum hat der schiffbruchige Franzose, der die Umrisse der Insel Hannover doch so genau verzeichnete, die umliegenden Inseln nicht wahrgenommen? Im Gegensatz zu euch, mu? er doch an allen Stellen der Insel gewesen sein?«
»Lassen wir das Ratselraten«, schlug Briant vor, »jetzt haben wir Sie zur Verstarkung in French-den, au?erdem liegt beim Bear-rock eine Schaluppe, mehr konnen wir nicht verlangen. Schaffen wir uns jetzt die Halunken vom Hals!«
»Angenommen, wir haben sie schon erledigt, angenommen auch, die Schaluppe ist fahrbereit, was dann?« fragte Gordon.
»Ich wurde dann weder nach Norden noch nach Osten fahren. Je weiter wir mit dem Boot gelangen, desto besser fur uns. Bei gunstigem Wind konnten wir bis zu einem der Hafen Chiles kommen, aber dort ist die See ziemlich rauh. Die Kanale durch den Archipel sind da weit gunstiger.«
»Aber werden wir in diesen Gebieten auf Menschen treffen, die uns die Heimfahrt nach Auckland erleichtern?«
»Ich zweifle nicht daran. Betrachtet nur einmal diese Karte. Wenn wir die Durchfahrt des Archipels der Konigin Adelaide hinter uns haben, kommen wir durch den Smyth-Kanal, und von dort in die Magellan-Stra?e. Hier liegt auch gleich der Hafen Tamar, der zu Desolations-Land gehort.«
»Aber wenn da keine Schiffe vor Anker liegen?«
»Die Magellan-Stra?e etwas weiter unten, bei der Halbinsel Braunschweig, hinter der Fortescue- Bai, im Hafen Galant, da legen sehr haufig Schiffe an. Sollte auch da keine Moglichkeit zur Heimfahrt sein, so fahren wir eben noch weiter .. .«
»Macht ja nichts .. .« spottete Gordon.
»Ganz recht, hier finden wir viele Ankerplatze: Port Famine, Punta-Arena, die Station Livya auf der Insel Navarin, Oosho-via im Beagle-Kanal unterhalb Feuerlands, usf.«
»Ausgezeichnet, Master Evans! Jetzt brauchen wir nur noch die Schaluppe!«
»Hatte er sie nur dort gelassen, wo sie anfanglich lag, dann waren wir schneller und gefahrloser drangekommen.«
»Dieser Knoten ist nur durch Gewalt und List losbar!«
»Walston und seine Genossen sind auch keine Anfanger, la?t euch das gesagt sein!«
»Zeigt mir die Waffen und die Munition«, sagte Evans, »ich mu? ja schlie?lich wissen, auf was wir uns stutzen konnen.«
»Ich zeige Ihnen auch die genaue Lage von French-den, damit Sie sehen, wie wir uns am besten verteidigen konnen«, schlug Briant vor.
Die Wandoffnungen gestatteten vollige Deckung. Mit ihren 8 Gewehren konnten sie die Angreifer auf Abstand halten und mit den beiden kleinen Kanonen wurde man sie in den Boden hauen, wenn sie sich heranwagen sollten. Kam es zu einem Handgemenge, so gab es immer noch die Revolver. »Gut, da? ihr hier innerhalb der Hohle so viele Steine angehauft habt, damit konnen wir die Turen verbarrikadieren, wenn Not am Mann ist«, lobte Evans.
»6 Jungen und 1 Mann gegen 7 kraftige Burschen, das wird sicherlich kein Spaziergang!«
»Sie sind also auch nicht gerade hoffnungsfroh!«
»Wir werden es schon schaffen, wenngleich ich naturlich wei?, wie gefahrlich die Angreifer sind«, sagte Evans.
»Forbes ist nicht so schlimm wie die anderen«, mischte sich da Kate ein.
»Was macht das schon, der ballert auch mit und totet auch, wenn's sein mu?. Da ist kein Unterschied, liebe Kate! Der Schurke hat mich wie verruckt verfolgt und sogar auf mich geschossen. Forbes verschont keinen von uns!«
Evans wunderte sich nach einigen Tagen, da? bisher noch kein Vorsto? auf French-den erfolgt war, er hatte ja die Plane Walstons mit anhoren konnen.
»Vielleicht andern sie die Taktik! Sie werden es moglicherweise mit List statt mit Gewalt versuchen!«
»Aber wie?«
»Solange wir uns in der Hohle aufhalten, ist Walston gezwungen, die ganze Bude zu sturmen. Das ist nicht einfach. Er wird also zu einer List greifen, die mir eben durch den Kopf geht. Kate und ich sind die einzigen Personen, durch die ihr von einem Angriff auf French-den erfahren haben konnt. Nun halt uns Walston aber fur tot. Kate ist fur sie bei der Strandung ertrunken, ich vorschriftsma?ig im Rio. Ich habe ja mit angehort, wie Forbes und Rock zuruckgegangen sind. Das ist aber nun unser gro?er Vorteil! Walston nimmt an, da? ihr von ihrerAnwesenheit nichts wi?t, deshalb werden sie wahrscheinlich die armen, bescheidenen Schiffbruchigen spielen, um hier hereinzukommen.«
»Der Plan ist nicht schlecht, mu? ich zugeben«, sagte Briant. »Wenn sie unsere Gastfreundschaft beanspruchen, werden wir ihnen einige harte Bleikugeln in den Magen schie?en, fur den Hunger!« sagte Doniphan.
»Nein, vielleicht ist es besser, zuerst mitzuspielen und die Mutzen zu ziehen«, schlug Gordon vor.
»Gro?artig! List gegen List«, sagte Evans bewundernd, »wir mussen ebenso klug vorgehen wie die anderen.«
Der Vormittag des folgenden Tages verlief ruhig. Begleitet von Doniphan und Baxter, wagte sich Evans in die Nahe der Traps-woods, wo alle 3 hinter dicken Baumen am Fu?e des Auckland-hill Deckung suchten. Phann, der sie begleitete, schlug nicht an. Die Luft war also noch rein. Gegen Abend jedoch kurz vor Sonnenuntergang, meldeten die Wache schiebenden Webb und Cro? 2 Manner, die auf French-den zukamen. Kate und Evans zogen sich in den Materialraum der Hohle zuruck, um nicht gesehen zu werden. Von dort aus spahten sie durch die Schie?scharten und erkannten kurz darauf Rock und Forbes.
»Unser Instinkt hat uns nicht betrogen, sie versuchen es also doch mit List!«
»Was sollen wir jetzt machen?« fragte Briant.
»Nehmt sie hier auf.«
»Ich kann das nicht.«
»La?, ich werde es tun«, erbot sich Gordon.
»Nichts von unserer Anwesenheit verraten. Kate und ich werden uns schon zeigen, wenn es Zeit ist.«
Gordon und Baxter gingen langsam zum Ufer des Rio Sealand.
Beide gaben sich hochst verwundert, als sie die Schurken erblickten.
»Wer seid ihr?« rief Gordon ihnen zu.
»Schiffbruchige, die im Suden dieser Insel mit der Schaluppe des Dreimasters
»Englander?«
»Nein, Amerikaner!«
»Und eure Gefahrten?«
»Alle tot! Nur uns gelang es, zum Strand zu kommen. Und wer seid ihr?«
»Die Kolonisten der Insel Chairman!«
»Wir bitten euch um Mitleid und gastfreundliche Aufnahme, wir haben alles verloren.«
»Seid willkommen!« heuchelte Gordon.
Gordon gab Moko ein Zeichen, mit der Jolle uberzusetzen und die beiden Schurken heruberzuholen. Sie sahen wirklich furchterregend aus mit ihren niedrigen Stirnen und den weit vorstehenden Kieferknochen.
»Konnen wir diese Nacht bei euch unterkommen?« fragte Rock. »Selbstverstandlich, tretet nur ein!«
Man merkte den beiden Schurken an, da? sie uber die an der Wand lehnenden Waffen und die Munitionskisten sehr erstaunt waren, aber sie stellten keine Fragen. Die jungen Kolonisten spielten also ihre Rolle weiter, da Rock und Forbes darum gebeten hatten, sich auf den Matratzen niederlegen zu durfen.
»Habt ihr vielleicht noch so einen Raum wie diesen?« fragte Rock.
»Ja, der dient uns als Kuche! Dort konnt ihr euch ausruhen!«
Sie gingen hinein und legten sich auf den Boden. Aber sie blieben nicht allein, Gordon hatte Moko zu ihnen geschickt, er sollte sie unauffallig beobachten. Er merkte bald, da? die beiden nur ein Auge zudruckten, mit dem anderen aber zur Tur spahten. Briant und die anderen waren in der Halle geblieben. Jetzt gesellten sich auch wieder Kate und Evans zu ihnen. Alles war so gekommen, wie es der Steuermann vorhergesehen hatte.
»Walston wartet jetzt nur auf den gunstigsten Augenblick, um hier einzudringen«, flusterte Evans.
