einem der Schlauche gelost. Das Leben des Patienten war nur dadurch gerettet worden, weil Mannon darauf bestanden hatte, den Hudlarer seit dieser ersten Operation nicht wieder aus der Narkose zuruckzuholen. Die leichteste korperliche Anstrengung hatte eins dieser Gefa?e aus seinem Schlauch rei?en und eine enorme innere Blutung hervorrufen konnen, was bei dem starken Blutdruck der hudlarischen Spezies innerhalb weniger Minuten zum Tod des Patienten gefuhrt hatte.

Aufgeregt fragte Conway auf O’Maras Kanal: „Irgendwelche Echos? Oder irgendwas anderes?“

„Nichts“, antwortete O’Mara.

„Das ist doch vollig absurd!“ schimpfte Conway leise, und laut denkend fuhr er fort: „Wenn es hier eine Intelligenz gibt, sei sie nun korperlos oder nicht, mu?te sie zumindest entsprechende Eigenschaften wie Neugier oder Angst besitzen oder die Fahigkeit haben, Werkzeuge zu benutzen, und dergleichen. Also, dieses Hospital ist ein riesiges und hochst interessantes Gebaude, in dem sich das Wesen, das wir zu finden versuchen, unseres Wissens nach frei bewegen kann. Warum ist es dann aber an einem Ort geblieben? Warum ist es nicht schon auf der Descartes herumgeschlichen? Was veranla?t es, in dieser Gegend zu bleiben? Hat es Angst? Oder ist es einfach nur dumm oder sogar korperlos?

Es ist zwar kaum anzunehmen, auf dem Fleischklo? eine hochentwickelte Technologie vorzufinden“, fuhr Conway rasch fort, „doch andererseits gibt es durchaus die Moglichkeit, da? seine Bewohner eine weit fortgeschrittene Philosophie entwickelt haben. Falls tatsachlich etwas Korperliches an Bord der Descartes gegangen ist, dann gibt es, wenn es sich um ein intelligentes Wesen handelt, nach unten hin eine Grenze fur dessen Korpergro?e oder — masse.“

„Wenn Sie jemandem Fragen stellen wollen, Doktor, haben Sie meine Unterstutzung“, unterbrach O’Mara Conways Gedankengange. „Aber es bleibt nicht mehr viel Zeit.“

Conway uberlegte einen Moment und antwortete dann: „Danke, Sir. Ich mochte, da? Sie Murchison fur mich holen. Sie ist im.“

„In einem solchen Augenblick wollen Sie sich wohl nicht tatsachlich mit Ihrer.“, unterbrach ihn O’Mara mit drohender Stimme.

„Sie ist im Augenblick bei Harrison“, entgegnete Conway in ruhigem Ton. „Ich mochte eine physische Beziehung zwischen dem Lieutenant und diesem OP herstellen, auch wenn Harrison noch nie naher als funfzig Ebenen an diesem Ort war. Wurden Sie Murchison bitten, ihm folgende Frage zu stellen.“

Es war eine lange, verwickelte und vielschichtige Frage, die ihm die Antwort geben sollte, wie eine kleine intelligente Lebensform in dieses Gebiet eindringen konnte, ohne entdeckt zu werden. Gleichzeitig schien es auch eine absurde Frage zu sein, denn jedes intelligente Wesen, das gleicherma?en die Gehirne von Terrestriern und ETs beeinflussen konnte, hatte gar nicht unentdeckt bleiben konnen, solange man einen Empathen wie Prilicla in der Nahe hatte. Womit Conway wieder an seinem Ausgangspunkt angelangt war — namlich bei einem immateriellen Etwas, das die Umgebung des OP nicht verlassen konnte oder wollte.

„Harrison sagt, er hatte auf dem Ruckflug eine Menge Wahnvorstellungen gehabt“, ertonte plotzlich O’Maras Stimme. „Er sagt, der Schiffsarzt habe gemeint, da? so etwas bei den ganzen Drogen, die er im Korper hatte, vollig normal sei. Au?erdem hat er mir berichtet, er sei vollkommen weggetreten gewesen, als er hier eingeliefert wurde, und er habe keine Ahnung, wie und wo er hereingekommen ist. Und jetzt schlage ich vor, da? wir uns an die Aufnahmestation wenden. Ich schalte Sie jetzt zu, Conway, nur fur den Fall, da? ich die falschen Fragen stellen sollte.“

Wenige Sekunden spater sagte eine langsame, ausdruckslose Translatorstimme, die zu jedem moglichen Alien gehoren konnte: „Lieutenant Harrison ist nicht in der ublichen Weise abgefertigt worden. Da er ein Korpsmitglied war, dessen Krankheitsgeschichte man in allen Einzelheiten kannte, wurde er durch die Versorgungsschleuse funfzehn hereingelassen und unter die Obhut von Major Edwards gestellt.“

Edwards war zwar nicht erreichbar, aber einer seiner Mitarbeiter versprach O’Mara, ihn in ein paar Minuten ausfindig gemacht zu haben.

Plotzlich hatte Conway am liebsten aufgegeben. Schleuse funfzehn war viel zu weit entfernt — eine schwierige, komplizierte Strecke, auf der man sich drei grundlegend verschiedenen Veranderungen der Umweltbedingungen anzupassen hatte. Der hypothetische Eindringling, der sich im Hospital nicht auskennen konnte, hatte den Weg zu diesem OP nur finden konnen, indem er uber jemanden die geistige Kontrolle ubernommen und sich hatte tragen lassen. Doch ware das der Fall gewesen, dann hatte Prilicla seine Anwesenheit langst entdeckt. Prilicla konnte alles entdecken, was dachte — vom kleinsten Insekt bis zur schwachsten Ausstrahlung eines in tiefer Bewu?tlosigkeit befindlichen Wesens. Keine Kreatur konnte ihren Verstand vollig abschalten und gleichzeitig noch am Leben sein.

Und das bedeutete, da? der Eindringling vielleicht gar nicht mehr lebte!

In ein paar Metern Entfernung hatte Mannon einer Schwester signalisiert, sich neben den Druckumschalter zu stellen. Eine plotzliche Ruckkehr zum hudlarischen Normaldruck wurde zwar die Heftigkeit einer auftretenden Blutung sofort vermindern, es Mannon jedoch gleichzeitig unmoglich machen, ohne schwere Handschuhe zu operieren. Und nicht nur das, die Drucksteigerung wurde auch die Wucherung in die offene Operationswunde einsinken lassen, wodurch jeder weitere komplizierte Eingriff praktisch unmoglich ware, da das in unmittelbarer Nahe liegende Herz zu starke Bewegungen verursachte. Unabhangig von der immer noch bestehenden Gefahr eines falschen Einschnitts, waren die Blutgefa?e zur Zeit prall gefullt, gut voneinander isoliert und relativ ruhig. Doch plotzlich passierte es. Leuchtendgelbes Blut spritzte so heftig heraus, da? es laut vernehmbar gegen Mannons Visier klatschte. Durch den enormen Blutdruck des Patienten peitschte die durchtrennte Ader wie ein losgelassener Miniaturgartenschlauch hin und her. Mannon bekam sie zwar zu fassen, doch glitt sie ihm wieder weg. Als er sie endlich mit den Fingern erwischt hatte und zudruckte, wurde der Strahl zunachst zu einem feinen, tanzenden Spruhregen und versiegte schlie?lich ganz. Die Schwester am Druckumschalter entspannte sich sichtlich, wahrend eine andere Mannons Visier abwischte.

Als das Operationsfeld abgesaugt wurde, trat Mannon ein Stuck zuruck. In seinem schwitzenden und kreidewei?en Gesicht, das wie zu einer Maske erstarrt war, funkelten seine Augen eigenartig durch das Visier hindurch. Alles war jetzt eine Frage der Zeit. Zwar waren Hudlarer widerstandsfahig, aber auch fur sie gab es Grenzen, denn eine unendlich lange Dekompression konnten selbst sie nicht lange durchstehen. Korperflussigkeit wurde allmahlich zur Hautoffnung flie?en, lebenswichtige Organe in der Nahe belastet werden und der Blutdruck sogar noch mehr steigen. Sollte die Operation erfolgreich verlaufen, durfte sie nicht langer als drei?ig Minuten dauern, und mehr als die Halfte dieser Zeit war bereits nur fur das Offnen des Krankheitsherds verstrichen. Selbst wenn man die Wucherung entfernte, wurden dabei unwillkurlich tiefer liegende Blutgefa?e in Mitleidenschaft gezogen, die mit gro?er Sorgfalt wieder zusammengenaht oder durch Schlauche verbunden werden mu?ten, bevor die Wunde geschlossen werden konnte.

Alle wu?ten, da? Schnelligkeit jetzt zwar oberstes Gebot war, aber Conway kam es plotzlich so vor, als wurde er einen Film sehen, der immer schneller lief: Mannons Hande bewegten sich schneller, als Conway sie sich jemals zuvor hatte bewegen sehen. Und sie wurden immer schneller.

„Das gefallt mir nicht“, meldete sich O’Mara besorgt zu Wort. „Es sieht zwar ganz so aus, als ob er sein Selbstvertrauen wiedergefunden hat, aber noch wahrscheinlicher ist, da? er aufgehort hat, sich Sorgen zu machen — das hei?t, um sich selbst. Um den Patienten macht er sich offensichtlich noch welche, obwohl er wei?, da? der Hudlarer kaum noch Uberlebenschancen hat. Das Tragische daran ist, da? der Patient nie gro?e Chancen hatte, wie mir Thornnastor erzahlt hat. Wenn da nicht diese Storung durch Ihren hypothetischen Freund aufgetreten ware, hatte sich Mannon nicht einmal allzu gro?e Sorgen um das Ableben seines Patienten gemacht und den ganzen Vorfall als einen seiner au?erst seltenen Mi?erfolge ad acta gelegt. Durch seine Fehler wahrend der ersten Operation, war sein Selbstbewu?tsein arg ramponiert worden, aber jetzt ist er.“

„Jemand anders hat ihn zu seinen Fehlern verleitet“, wandte Conway mit Bestimmtheit ein.

„Ach ja? Sie haben ja versucht, ihn davon zu uberzeugen, aber mit welchem Erfolg?“ fauchte O’Mara zuruck. Dann fuhr er in ruhigerem Ton fort: „Prilicla ist stark erregt, und sein Zittern wird mit jeder Minute schlimmer. Aber Mannon ist wenigstens ein ziemlich gefestigter Typ, jedenfalls war er das fruher, und ich glaube nicht, da? er uns vor Abschlu? der Operation zusammenbricht. Obwohl man bei diesen ernsthaften, selbstlosen Charakteren, deren Beruf ihr ganzes Leben ist, nur schwer sagen kann, was als nachstes passiert.“

„Hier Edwards“, meldete sich plotzlich eine neue Stimme. „Was ist los?“

„Nur zu, Conway“, sagte der Chefpsychologe. „Sie stellen jetzt die Fragen. Ich hab im Moment andere Dinge im Kopf.“

Die schwammige Wucherung war herausgeschnitten und entfernt worden. Aber um das zu schaffen, hatte

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