direkt, er habe ihr Vertrauen gebrochen und alles gegenuber O’Mara ausgeplaudert, doch gleichzeitig wollte auch niemand mehr mit ihm reden.
Conway fuhlte sich mude, entmutigt und wie ein Narr, aber in erster Linie unendlich mude. Da aber schon bald Zeit zum Fruhstucken war, lohnte es sich gar nicht mehr, noch ins Bett zu gehen.
Nach seinem ublichen Rundgang nahm Conway ein fruhes Mittagessen mit Mannon und Prilicla ein. Anschlie?end begleitete er Mannon zu O’Maras Buro, wahrend Prilicla zum hudlarischen OP aufbrach, um die emotionale Strahlung des Personals wahrend der Operationsvorbereitungen zu uberwachen. Der Chefpsychologe sah ein wenig mude und ziemlich murrisch aus — wobei das erste relativ ungewohnlich, das zweite hingegen normalerweise ein gutes Anzeichen war.
„Assistieren Sie Chefarzt Mannon bei dieser Operation, Doktor?“ fragte O’Mara.
„Nein, Sir, ich schaue nur zu“, antwortete Conway. „Aber im OP selbst, falls irgend etwas Ungewohnliches passieren sollte. Ich meine, wenn ich assistieren wurde, mu?te ich das Hudlarerband speichern, und es konnte mich zu sehr ablenken, denn ich mochte im Kopf so klar und aufgeweckt wie moglich sein.“
„Klar und aufgeweckt sagen Sie?“ unterbrach O’Mara ihn mit schneidender Stimme. „Sie sehen so aus, als wurden Sie jeden Augenblick im Stehen einschlafen.“ An Mannon gewandt fuhr er in freundlicherem Tonfall fort: „Sie werden erleichtert sein zu horen, auch ich beginne zu vermuten, da? irgend etwas Ungewohnliches vor sich geht, und diesmal schaue ich von der Zuschauergalerie aus zu. Und wenn Sie sich jetzt bitte auf die Couch setzen wurden, Mannon, dann werde ich Ihnen das Hudlarerband personlich einspielen.“
Mannon hockte sich auf eine niedrige Couch. Seine Knie befanden sich fast auf gleicher Hohe mit dem Kinn, und die Arme hielt er uber der Brust halb verschrankt, wodurch seine Pose beinahe der sitzenden Haltung eines Fotus glich. Und als er jetzt sprach, klang seine Stimme ungewohnlich flehend, fast verzweifelt. „Horen Sie, ich hab schon fruher mit Empathen und Telepathen zusammengearbeitet. Empathen empfangen zwar Emotionen, projizieren aber keine, und Telepathen konnen nur mit Angehorigen ihrer eigenen Spezies kommunizieren. Einige Telepathen haben es gelegentlich mit mir versucht, aber alles, was diese Wesen bei mir erreicht haben, war ein leichtes Jucken im Gehirn. Doch an dem fraglichen Tag im OP hatte ich meine Gedanken vollkommen beisammen, da bin ich mir absolut sicher! Trotzdem versuchen Sie immer noch, mir einzureden, da? irgend etwas Korperloses, Unsichtbares und Unentdeckbares mein Urteilsvermogen beeinflu?t hat. Es ware viel einfacher, wenn Sie endlich zugeben wurden, da? dieses Etwas, nach dem Sie suchen, gar nicht existiert, aber Sie sind ja alle viel zu. ach, verdammt!“
„Entschuldigen Sie“, unterbrach ihn O’Mara. Dann druckte er ihn behutsam auf die Couch und setzte ihm einen massiven Helm auf. Es dauerte einige Minuten, bis er samtliche Elektroden angebracht und das Gerat eingeschaltet hatte.
Als Mannon die Erinnerungen und Erfahrungen eines der gro?ten hudlarischen Arzte, der jemals gelebt hatte, ins Gehirn stromten, bekam er einen verschwommenen Gesichtsausdruck und seine Augen wurden glasig.
Kurz bevor er das Bewu?tsein vollstandig verlor, murmelte er: „Mein Problem ist, da? Sie alle immer nur das Beste von mir halten, egal, was ich sage oder tue.“
Zwei Stunden spater befanden sich alle im OP. Mannon trug einen schweren Operationsanzug, Conway hingegen einen leichteren Typ, der lediglich durch einen integrierten Gravitationsgurtel Schutz bot. Die Schwerkraftgitter unter dem Boden waren auf funf Ge eingestellt, den normalen Wert auf Hudlar, doch der Luftdruck lag nur um einen Bruchteil hoher als der Normalwert fur Terrestrier — Hudlarer storte niedriger Druck nicht sonderlich, sie konnten sogar fast vollig ohne Schutz im luftleeren Raum des Alls arbeiten. Sollte aber wahrend der Operation etwas auf verheerende Weise schiefgehen und der Patient plotzlich den vollen Druck seines Heimatplaneten benotigen, dann wurde Conway den OP schnellstens verlassen mussen. Zu Prilicla und O’Mara auf der Zuschauergalerie stand Conway im direkten Funkkontakt, und uber einen zweiten, getrennten Kanal konnte er mit Mannon und dem OP-Personal reden.
Plotzlich knisterte in seinem Kopfhorer die Stimme von O’Mara. „Prilicla empfangt emotionale Echos, Doktor. Au?erdem weist eine dieser Ausstrahlungen auf einen bereits begangenen kleineren Fehler hin — geringfugige Besorgnis und Verwirrung.“
„Yehudi ist hier“, sagte Conway leise.
„Was ist los?“
„Der kleine Mann, den ich nicht sah, als er neulich auf der Treppe war“, antwortete Conway grinsend. Dann fuhr er, etwas falsch zitierend, fort: „Er la?t sich heut’ erneut nicht seh’n, doch wunscht’ ich mir, er wurde geh’n.“
O’Mara grunzte verachtlich und sagte dann: „Abgesehen von dem, was ich Mannon heute in meinem Buro erzahlt hab, gibt es immer noch keinen echten Beweis dafur, da? irgend etwas Au?ergewohnliches passiert. Mit meinen Bemerkungen wollte ich lediglich Mannon helfen, sein angekratztes Selbstbewu?tsein wiederzuerlangen. Anscheinend hat das aber nichts gebracht. Deshalb ware es fur Sie und Mannon besser, wenn Ihr kleines Mannchen endlich hereinkommen und sich vorstellen wurde.“
In diesem Augenblick wurde der Patient hereingebracht und zum Tisch gefahren. Mannons Hande, die aus den schweren Armeln des Anzugs herausragten, steckten nur in dunnen, transparenten Plastikhandschuhen. Sollte jedoch der volle hudlarische Druck notwendig werden, konnte sich Mannon innerhalb weniger Sekunden schwere Handschuhe uberstreifen. Aber einen Hudlarer uberhaupt unter diesen Bedingungen zu offnen, bedeutete, eine sofortige Dekompression zu veranlassen, weshalb die nachfolgenden Verfahren schnell durchzufuhren waren.
Der Hudlarer gehorte zur physiologischen Klassifikation FROB und war ein gedrungenes und unglaublich kraftiges Wesen, das ein wenig an ein Gurteltier mit einer Haut wie eine biegsame Panzerplatte erinnerte. Vom Korperbau und den inneren Organen her waren diese Wesen derart widerstandsfahig, da? der hudlarischen Medizin das Spezialgebiet der Chirurgie fast vollkommen fremd war. Falls ein Patient nicht durch die Verabreichung von Medikamenten geheilt werden konnte, dann war haufig keine Hilfe mehr moglich, weil ein chirurgischer Eingriff auf dem Planeten Hudlar kaum durchzufuhren, wenn nicht glattweg unmoglich war. Doch im Orbit Hospital, in dem innerhalb weniger Minuten die verschiedensten Druck- und Schwerkraftverhaltnisse in jeder benotigten Kombination erzeugt werden konnten, hatten Mannon und ein paar andere einen Blick uber den Rand des bisher Unmoglichen hinausgeworfen.
Conway beobachtete Mannon, als dieser einen dreieckigen Einschnitt in den unglaublich harten Panzer machte und den freigelegten Hautlappen nach hinten klappte. Sofort spruhte ein leuchtendgelber, auf der Spitze stehender Nebelkegel uber dem Operationsfeld hoch — ein feiner Spruhregen aus Blut, das unter Druck aus den durchtrennten Kapillargefa?en scho?. Eine Schwester hielt sofort eine Plastikscheibe zwischen die Wunde und Mannons Visier, wahrend eine zweite einen Spiegel plazierte, der ihm eine indirekte Sicht auf das Operationsfeld ermoglichte. In viereinhalb Minuten hatte er die Blutung unter Kontrolle; er hatte es in zwei schaffen mussen.
Mannon schien Conways Gedanken zu lesen, denn er sagte: „Bei der ersten Operation ging alles schneller als jetzt. Ich hab damals immer zwei oder drei Schritte im voraus gedacht. Sie wissen ja, wie das ist, alles ging wie automatisch. Aber im Verlauf der Operation mu?te ich feststellen, da? ich Einschnitte vorgenommen hatte, die ich erst einige Sekunden spater hatte machen durfen. Ware mir das nur einmal passiert, ware es schon schlimm genug gewesen, aber gleich funfmal hintereinander.! Ich mu?te mit der Operation aufhoren, bevor ich den Patienten auf der Stelle getotet hatte.
Und jetzt versuche ich nur, etwas vorsichtiger als beim letztenmal zu sein“, fugte er mit einer Stimme voller Selbstverachtung hinzu, „aber das Ergebnis wird wohl das gleiche sein.“
Conway blieb stumm.
„So eine lacherliche kleine Wucherung“, fuhr Mannon fort. „So dicht unter der Hautoberflache und wie geschaffen fur den ersten Versuch eines Assistenzarztes, sich in hudlarischer Chirurgie zu uben. Einfach die Wucherung wegschneiden, die drei durchtrennten Blutgefa?e an der Stelle mit Plastikschlauchen verbinden, und der Blutdruck unseres Patienten wird zusammen mit unseren Spezialklammern einen perfekten Verschlu? zustande bringen, bis sich die Adern in ein paar Monaten regeneriert haben. Aber das hier.! Haben Sie jemals eine derartige Pfuscherei gesehen?“
Mehr als die Halfte der Wucherung, eine grauliche, schwammige Masse, die wiederum zu mehr als der Halfte aus einer pflanzlichen Substanz zu bestehen schien, war nach der ersten Operation zuruckgeblieben. Funf Hauptblutgefa?e waren damals in dem betroffenen Bereich durchtrennt worden — davon zwei notwendigerweise und die restlichen drei durch „Mi?geschicke“ — und mit Schlauchen uberzogen worden. Doch diese kunstlichen Aderstucke waren zu kurz oder nicht sicher genug befestigt worden, denn eins der Gefa?e hatte sich teilweise aus