konnte es sich dabei um einen Prototyp handeln. Jedenfalls ist das Ding in Schwierigkeiten geraten, und Colonel Skempton kann Ihnen dazu mehr Einzelheiten verraten. Die Descartes bringt es hierher, damit wir uns mit der Besatzung genauer befassen. Es wird in knapp drei Stunden eintreffen, und ich schlage vor, Sie fliegen mit einer Ambulanzfahre und schwerem Bergungsgerat zu diesem Raumfahrzeug hinaus, um erst einmal die Besatzung zu befreien. Des weiteren werde ich anregen, Doktor Mannon und Prilicla von ihren normalen Pflichten zu entbinden, damit Sie Ihnen behilflich sein konnen, zumal Sie drei ja so langsam zu unseren Spezialisten in Fleischklo?- Angelegenheiten geworden sind.“
„Ich verstehe“, erwiderte Conway ungeduldig.
„Fein“, sagte der Major. „Und ich bin froh, Doktor, da? Sie einsehen, da? es etwas Wichtigeres als ein schnodes Mittagessen gibt. Ein weniger aufgeklarter und kompetenter Psychologe als ich wurde sich vielleicht uber diesen plotzlich auftretenden Hunger wundern, der sich immer wieder bei Leuten einstellt, sobald von einer wichtigen und heiklen Aufgabe die Rede ist. Ich bin mir naturlich daruber im klaren, da? es sich hierbei nicht um das au?ere Symptom fur ein besonders fein entwickeltes Gespur fur drohende Gefahr handelt, sondern lediglich um reine Gefra?igkeit!
Nun gut. Sie zahlen ja nicht zu dieser Kategorie Mensch und werden sicherlich noch Vorbereitungen zu treffen haben, Doktor“, schlo? er freundlich. „Ende.“
Skemptons Buro lag nicht weit entfernt, deshalb benotigte Conway nur funfzehn Minuten fur den Weg — worin bereits die Zeit enthalten war, einen Schutzanzug fur die zweihundert Meter lange Strecke anzulegen, die durch die Station der illensanischen Chloratmer fuhrte.
„Guten Morgen“, begru?te ihn Skempton, und kaum hatte Conway den Mund geoffnet, fuhr er fort: „Kippen Sie das Zeug da vom Stuhl, und nehmen Sie Platz. O’Mara hat sich mit mir bereits in Verbindung gesetzt. Ich hab mich entschlossen, die Descartes zum Fleischklo? zuruckzuschicken, sobald man das verungluckte Raumfahrzeug hierhergebracht hat. Einheimischen Beobachtern mag es namlich durchaus so vorgekommen sein, als ob das Fahrzeug gekapert, um nicht zu sagen entfuhrt worden ist. Die Descartes sollte jedenfalls vor Ort sein, um eventuelle Reaktionen zu beobachten und moglichst Kontakt herzustellen und die Bewohner zu beruhigen. Ich ware Ihnen verbunden, wenn Sie die Besatzung so schnell wie moglich bergen, eventuell medizinisch versorgen und moglichst umgehend zum Fleischklo? zuruckbringen. Sie konnen sich ja vorstellen, wie sehr sich die Arbeit unserer Kontaktspezialisten dadurch erleichtern wurde.
Hier ist eine Kopie des Berichts uber den Vorfall, den die Descartes durchgefunkt hat“, fuhr der Colonel fort, ohne auch nur die geringste Pause zum Luftholen einzulegen. „Und Sie werden hier diese Analyse von dem Wasser benotigen, das von einer Sonde in der Nahe der Abflugstelle entnommen wurde. Die eigentlichen Proben werden zur Verfugung stehen, sobald die Descartes eintrifft. Sollten Sie weitere Hintergrundinformationen uber den Fleischklo? oder uber das damit zusammenhangende Kontaktverfahren benotigen, dann suchen Sie Lieutenant Harrison auf. Er ist mittlerweile entlassen und wird sich freuen, Ihnen helfen zu konnen. Und bitte versuchen Sie beim Hinausgehen, nicht so laut mit der Tur zu knallen, Doktor.“
Als sei nichts gewesen, machte sich der Colonel wieder daran, tief in den scheinbar undurchdringlichen Schichten seiner Unterlagen herumzuwuhlen, die sich im Laufe der Zeit auf seinem Schreibtisch abgelagert hatten. Erst jetzt schlo? Conway wieder den Mund und ging hinaus. Im Vorzimmer bat er um Erlaubnis, den Kommunikator zu benutzen, und machte sich dann an die Arbeit.
Ein unbelegtes Becken auf der Chalder-Station schien der geeignetste Ort fur die Unterbringung des oder der neuen Patienten. Die riesigen Bewohner von Chalderescol II waren ebenfalls Wasseratmer, obwohl das lauwarme, grunliche Wasser, in dem sie lebten, verglichen mit den suppenartigen Umweltbedingungen in den Meeren des Fleischklo?es fast hundertprozentig rein war. Die bereits vorhandene Wasseranalyse sollte es den Ernahrungswissenschaftlern ermoglichen, die darin enthaltenen Nahrstoffe zu ermitteln und synthetisch zu erzeugen, allerdings ohne deren lebende Organismen. Das mu?te warten, bis die Proben eintrafen und man die Moglichkeit hatte, diese Organismen genau zu untersuchen und kunstlich zu reproduzieren. Ebenso konnten die Spezialisten fur Umweltbedingungen zwar schon jetzt die erforderlichen Gravitations- und Wasserdruckbedingungen schaffen, mu?ten aber auf die Ankunft des Schiffs warten, um der Unterkunft den letzten Schliff zu verleihen.
Als nachstes organisierte Conway eine Ambulanzfahre, die mit schwerem Bergungsgerat und medizinischen Hilfsmitteln ausgerustet war und noch vor der Ankunft der Descartes samt der dazugehorigen Besatzung zur Verfugung gestellt werden mu?te. Die Fahre mu?te zudem so ausgestattet sein, einen oder mehrere Patienten unbekannter Klassifikation aufzunehmen, die wahrscheinlich verletzt, einer Dekompression ausgesetzt und bis dahin dem Tod nahe waren. Au?erdem forderte Conway ein speziell ausgebildetes Rettungsteam an, das Erfahrung bei der Bergung und dem schnellen Nottransport von Schiffbruchigen hatte.
Als er gerade den letzten Anruf bei Thornnastor, dem leitenden Diagnostiker der Pathologie, erledigen wollte, zogerte er plotzlich.
Er war sich nicht vollkommen sicher, ob er ihm eine Reihe ganz bestimmter Fragen — einschlie?lich einiger hypothetischer Fragen — stellen oder ihm gegenuber lediglich seine Bedenken au?ern wollte. Es war ungeheuer wichtig fur das Orbit Hospital, diesen oder diese Patienten zu behandeln und zu heilen. Unabhangig davon, da? dies sowieso die Aufgabe des Hospitals war, ware eine erfolgreiche Behandlung der ideale Weg, mit den Einheimischen auf dem Fleischklo? in Kontakt zu treten, um so eventuell in den Besitz einiger dieser fabelhaften gedankengesteuerten Instrumente zu gelangen.
Doch wie waren die Besitzer dieser Wunderwerkzeuge wirklich? Waren sie klein und vollkommen unspezialisiert, womoglich ohne feste korperliche Gestalt, wie die Werkzeuge, die sie benutzten? Oder waren sie, wenn man an die erforderlichen geistigen Fahigkeiten dachte, um solche Arbeitsgerate uberhaupt erst einmal zu entwickeln, nur wenig mehr als korperlich hilflose Gehirne und gar Abhangige ihrer gedankengesteuerten Werkzeuge, die sie ernahrten, schutzten und samtliche ihrer korperlichen Bedurfnisse befriedigten? Conway wollte unbedingt wissen, was er bei der Ankunft des Alienschiffs zu erwarten hatte. Doch Diagnostiker waren, wie jedermann wu?te, unberechenbar und duldeten verworrene und konfuse Gedankengange sogar noch weniger als der Chefpsychologe.
Wie sich Conway selbst sagte, schien es somit durchaus ratsam zu sein, mit seinen Fragen zu warten, bis er den Patienten tatsachlich gesehen hatte, was zudem in etwas mehr als einer Stunde bereits der Fall sein wurde. Die dazwischenliegende Zeit wollte er dazu nutzen, den Bericht der Descartes zu studieren.
Und um Mittag zu essen.
Die Descartes tauchte in den Normalraum ein, wobei sich das Alienschiff hinter ihr wie ein schwerfalliger Propeller drehte, und drang dann genauso schnell wieder fur den Ruckflug zum Planeten Fleischklo? in den Hyperraum ein. Die Ambulanzfahre naherte sich, schnappte sich die Schlepptrosse, die von der Descartes zuruckgelassen worden war, und befestigte nun ihrerseits das freie Ende an ihrem eigenen drehbaren Befestigungspunkt.
Dr. Mannon, Dr. Prilicla, Lieutenant Harrison und Conway, die allesamt in Raumanzugen steckten, beobachteten das Kopplungsmanover von der geoffneten Luftschleuse aus.
„Es leckt noch immer“, sagte Mannon. „Das ist ein gutes Zeichen — es herrscht noch immer Druck im Innern.“
„Wenn es kein Leck im Treibstofftank ist“, gab Harrison zu bedenken.
„Empfangen Sie irgendwelche Gefuhlsregungen, Doktor Prilicla?“ fragte Conway.
Priliclas zerbrechlicher Eierschalenkorper und die sechs dazugehorigen streichholzdunnen Beine zitterten heftig, wodurch eindeutig feststand, da? er irgend etwas fuhlte.
„Das Schiff enthalt nur ein Lebewesen“, sagte er langsam. „Es strahlt in erster Linie Angst aus, aber auch Schmerz- und Erstickungsgefuhle. Ich wurde sagen, diese Gefuhle hat es schon seit vielen Tagen — die Ausstrahlungen sind nur schwach und wegen des allmahlichen Schwindens des Bewu?tseins nicht ganz eindeutig. Doch die Qualitat der Denkweise dieses Wesens la?t keinen Zweifel zu, da? es intelligent und nicht nur ein Versuchstier ist.“
„Schon zu wissen, da? wir uns die ganze Muhe nicht nur wegen irgendeines Wunderinstruments oder eines kleinen Raumhunds machen“, bemerkte Mannon trocken. „Wenn ich allerdings an meinen Hund denke, dann.“
„Wir haben nicht viel Zeit“, mahnte Conway. Er dachte daran, da? der Patient mittlerweile ziemlich am Ende sein mu?te. Die Angst des Aliens war naturlich verstandlich. Der von Prilicla diagnostizierte Schmerz ruhrte wahrscheinlich von einer Verletzung her und das Erstickungsgefuhl und das nachlassende Bewu?tsein von au?erst gro?em Hunger beziehungsweise faulem Atemwasser. Conway versuchte, sich in die Lage des fremden