wurde Sie bestimmt interessieren, wie die betreffenden Personen einige dieser Zwischenfalle selbst sehen.“

„Moglicherweise, Doktor“, entgegnete O’Mara kuhl. „Auf der anderen Seite liegt es mir fern, einem Ihrer Hirngespinste meine fachliche Unterstutzung zuteil werden zu lassen, indem ich solch triviale Horrorgeschichten auch noch uberprufe. Was die Beinaheunfalle mit Skalpellen und all die anderen Mi?geschicke betrifft, so bin ich der Meinung, einige Leute haben eben Gluck, und andere stellen sich manchmal ein bi?chen dumm an, wahrend die dritten ihre Mitwesen gerne hin und wieder auf den Arm nehmen. Oder was meinen Sie, Doktor?“

Conway umklammerte die Armlehnen seines Stuhls fester und antwortete beharrlich: „Das heruntergefallene Skalpell gehorte zum hudlarischen Typ sechs, ein sehr schweres, klingenlastiges Instrument. Und selbst wenn es mit dem Griff zuerst aufgetroffen ware, hatte es sich normalerweise noch ein paar Zentimeter unterhalb des Aufprallpunkts in Naydrads Seite bohren und eine tiefe und schwere Wunde verursachen mussen — wenn dieses Messer uberhaupt eine reale physikalische Existenz besa?! Das beginne ich namlich allmahlich zu bezweifeln, und deshalb bin ich der Meinung, wir sollten den Umfang dieser Untersuchung unbedingt ausweiten. Bekomme ich die Erlaubnis, mich mit Colonel Skempton zu treffen und wenn notig Kontakt mit dem Beobachtungsstab des Monitorkorps aufzunehmen, um die Herkunft der Neuankommlinge zu uberprufen?“

Der erwartete Wutausbruch blieb aus. Statt dessen klang O’Maras Stimme fast wohlwollend, als er antwortete: „Ich kann mich nicht entscheiden, ob Sie wirklich aufrichtig davon uberzeugt sind, irgend etwas auf der Spur zu sein, oder ob Sie einfach nur glauben, zu weit gegangen zu sein, um jetzt noch nachzugeben, ohne lacherlich zu wirken. Was mich betrifft, konnten Sie sich im Moment uberhaupt nicht mehr lacherlicher machen. Sie sollten sich nicht scheuen, Ihren Irrtum einzugestehen, Doktor, und endlich damit anfangen, einiges von dem Schaden wiedergutzumachen, der durch Ihre Verantwortungslosigkeit an der Disziplin im Hospital angerichtet wurde.“

O’Mara wartete exakt zehn Sekunden auf Conways Antwort, und als diese ausblieb, sagte er mi?mutig:

„Na schon, Doktor. Treffen Sie sich mit dem Colonel. Und sagen Sie Prilicla, ich andere seinen Dienstplan. Schlie?lich konnte es hilfreich fur Sie sein, wenn Ihnen Ihr Echodetektor dabei zur Verfugung steht. Da Sie unbedingt darauf bestehen, sich lacherlich zu machen, konnen Sie es ebensogut richtig tun. Und danach. nun, wir werden Mannon sehr vermissen, und von Ihnen mu?te ich bei aller Aufrichtigkeit sogar dasselbe behaupten. Sie beide sitzen wahrscheinlich im gleichen Boot, und zwar Richtung Heimat.“

Kurz darauf wurde Conway au?erst freundlich vom Chefpsychologen entlassen.

Mannon selbst hatte ihm unangebrachte Loyalitat vorgeworfen, und O’Mara hatte ihm seinerseits gerade verdeutlicht, sein gegenwartiger Standpunkt ruhre allein von dem Wunsch her, keinen Fehler einzugestehen. O’Mara hatte ihm einen Ausweg gezeigt, den er ausgeschlagen hatte, und erst jetzt kam Conway in den Sinn, demnachst eventuell in ein kleines Hospital mit vielfaltigen Umweltbedingungen versetzt zu werden oder gar in einem Provinzkrankenhaus auf irgendeinem Planeten arbeiten zu mussen, wo bereits die Ankunft eines extraterrestrischen Patienten fur ein sensationelles Ereignis gehalten wurde. Allein der Gedanke daran verursachte bei ihm bereits ein flaues Gefuhl in der Magengegend. Vielleicht stutzte er seine Theorie ja tatsachlich auf zu wenig Beweise und weigerte sich nur, das einzugestehen. Vielleicht waren die seltsamen Fehler und Mi?geschicke Teile eines ausgesprochen komplizierten Puzzles und standen in uberhaupt keiner Beziehung zu Mannons Problemen. Als er mit gro?en Schritten die Korridore entlangschritt, wobei er alle paar Meter anderen Wesen ausweichen mu?te, beziehungsweise ihm ausgewichen wurde, wuchs der Drang in ihm, sofort zu O’Mara zuruckzulaufen, zu allem ja und Amen zu sagen, sich demutig bei ihm zu entschuldigen und ihm zu versprechen, wieder ein braver Junge zu sein. Doch als er gerade soweit war, sich geschlagen zu geben, stand er bereits vor Colonel Skemptons Tur.

Fur den Nachschub und die Wartung des Orbit Hospitals war in erster Linie das Monitorkorps verantwortlich, das auch administrative und polizeiliche Aufgaben wahrnahm und dem Gesetz der Foderation Geltung verschaffte. Als ranghochster Korpsoffizier befa?te sich Colonel Skempton neben etlichen administrativen Aufgaben mit dem Flugverkehr vom und zum Hospital. Es wurde allgemein behauptet, da? die Oberflache seines Schreibtischs seit dem ersten Tag seiner Ankunft im Orbit Hospital noch nie sichtbar gewesen sei.

Als Conway eintrat, blickte Skempton kurz auf, sagte „Guten Morgen“, schaute wieder auf seinen Schreibtisch und murmelte schlie?lich: „Zehn Minuten noch.“

Naturlich dauerte es viel langer als zehn Minuten, bis Conway dem Colonel sagen konnte, da? er sich insbesondere fur den Flugverkehr von eigenartigen Herkunftsplaneten interessierte, aber auch fur Schiffe, die an solche Orte gerufen worden waren. Er bat Skempton um Daten, die uber den Stand der Technologie, der medizinischen Wissenschaft und die physiologische Klassifikation ihrer Bewohner Auskunft gaben. Besonders interessierten ihn die Aliens, deren psychologische Wissenschaften oder Psifahigkeiten weit entwickelt oder deren Quote an Geisteskrankheiten ungewohnlich hoch waren. Skempton begann daraufhin, in den Papieren auf seinem Schreibtisch herumzuwuhlen.

Doch sowohl das Versorgungsschiff als auch die Ambulanzschiffe und die fur den Hilfsdienst eingespannten Raumfahrzeuge, die in den letzten paar Wochen eingetroffen waren, stammten allesamt von den wohlbekannten und medizinisch harmlosen Planeten der galaktischen Foderation. Alle au?er einem, und dabei handelte es sich um das Kontakt- und VermessungsschiffDescartes. Es war — in knappen Worten — auf einem hochst ungewohnlichen Planeten gelandet. Die Descartes hatte bei der Landung den Boden nur fur wenige Minuten beruhrt, wenn man das uberhaupt so nennen konnte. Kein Besatzungsmitglied hatte das Schiff verlassen, die Luftschleusen waren versiegelt geblieben und die gesammelten Atmosphare-, Wasser- und Oberflachensubstanzproben waren analysiert und als interessant, aber ungefahrlich erachtet worden. Die pathologische Abteilung hatte spater eine grundlichere Analyse vorgenommen und war zur gleichen Annahme gekommen, nachdem die Descartes das Orbit Hospital angeflogen hatte, um die Proben und einen Patienten abzuliefern.

„Einen Patienten!“ schrie Conway auf, als der Colonel mit seinem Bericht bei diesem Punkt angelangt war. Skempton brauchte keine empathischen Fahigkeiten, um zu wissen, was Conway dachte.

„Ja, Doktor, aber ich will bei Ihnen erst gar keine falschen Hoffnungen wecken“, entgegnete der Colonel in ruhigem Ton. „Er hatte nichts Aufregenderes als ein gebrochenes Bein. Und abgesehen davon, da? ET-Schadlinge unmoglich auf die Wesen einer anderen Spezies ubertragen werden konnen — eine unumsto?liche Tatsache, die die Anwendung extraterrestrischer Medizin so ma?los erleichtert —, halten die Schiffsarzte standig Ausschau nach der beruhmten Ausnahme, die die Regel bestatigt. Kurz, er hatte lediglich ein gebrochenes Bein.“

„Ich wurde ihn trotzdem gerne sehen“, erwiderte Conway.

„Ebene zweihundertdreiundachtzig, Station vier. Sein Name ist Lieutenant Harrison“, sagte Skempton. „Und schlagen Sie beim Hinausgehen die Tur nicht so laut zu.“

Doch das Treffen mit Lieutenant Harrison mu?te bis zum spaten Abend warten, denn die Umstellungen in Priliclas Dienstplan benotigten einige Zeit, und Conway selbst hatte auch noch andere Aufgaben zu erledigen, als nach hypothetischen korperlosen Intelligenzen zu suchen. Die dadurch entstandene Verzogerung hatte aber auch eine positive Seite, denn auf diese Weise erhielt er wahrend seines Rundgangs und der Essenszeiten eine Menge weiterer Informationen, obwohl er nicht einmal recht wu?te, was er mit all den Angaben anfangen sollte.

Wie er vermutete, war die Anzahl der Schnitzer, Fehler und Mi?geschicke nur deshalb so uberraschend hoch, weil er sich vorher noch nie fur solche Dinge interessiert hatte. Trotzdem hielt er die albernen und dummen Mi?geschicke, die er insbesondere bei den hochqualifizierten und verantwortungsbewu?ten Mitarbeitern der Operationsteams entdeckt hatte, fur absolut untypisch, und sie pa?ten auch in kein normales Schema. Ein Zeit- und Lageplan hatte eigentlich Aufschlu? uber den Entstehungsherd dieser hypothetischen Geistesseuche geben sollen, von dem aus sie sich schlie?lich uber das ganze Hospital hatte ausbreiten mussen. Statt dessen konzentrierte sich die vermeintliche Krankheit aber auf ein begrenztes Gebiet, das lediglich den hudlarischen OP und dessen unmittelbare Umgebung umfa?te. Was auch immer dieses Etwas war, es verhielt sich eher wie ein einzelnes Wesen und nicht wie eine Krankheit — falls uberhaupt irgend etwas da war.

„…und all das ist doch lacherlich!“ schimpfte Conway. „Selbst ich hab nicht ernsthaft an die Existenz einer korperlosen Intelligenz geglaubt und wollte mit meiner Vermutung lediglich eine mogliche Hypothese aufstellen. So dumm bin ich nun auch wieder nicht!“

Er hatte Prilicla gerade uber die neuesten Entwicklungen informiert, wahrend sie auf dem Weg zum Treffen mit dem Lieutenant waren. Der Empath hielt mit Conway an der Decke Schritt, schwieg einige Minuten lang und sagte dann zwangslaufig: „Dieser Meinung bin ich auch.“

Conway hatte zur Abwechslung gern einmal ein paar konstruktive Einwande vernommen und sagte deshalb lieber nichts mehr, bis sie die Station vier auf der Ebene zweihundertdreiundachtzig erreicht hatten. Es handelte sich dabei um eine kleine terrestrische Privatstation, die einer gro?eren ET-Abteilung ausgegliedert worden war,

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