Mit erregter Stimme erwidert er: »Tu mir das nicht an, Judith. Du mu?t fair bleiben. Gehen wir jetzt.«
Statt einer Antwort drehte sie sich um und schlo? sich wieder der Gruppe an. Die dritte Runde sollte beginnen. Cashdan warf Quellen einen aufmunternden Blick zu, doch der schuttelte den Kopf und verlie? schnell den Saal. Drau?en warf er noch einen Blick durch die Glaswande und sah Judith mit zuruckgeworfenem Kopf und verzuckt geoffneten Lippen. Auch die Galubers waren in Ekstase. Das Bild der fetten Jennifer Galuber brannte sich unausloschlich in Quellens Gehirn. Er floh.
Er war kurz nach Mitternacht daheim, aber sein Apartment bot ihm keinerlei Trost. Er mu?te fort. Schnell trat er in das Stati-Feld und lie? sich nach Afrika bringen.
Dort war der Morgen heraufgezogen. Ein leichter Spruhregen fiel, aber die Sonne schimmerte golden durch den grauen Schleier. Die Krokodile schwammen wie immer trage in den Fluten. Ein Vogel schimpfte. Die Zweige waren schwer von der Nasse und beugten sich zu der fetten schwarzen Erde herunter. Quellen wollte sich von dem Frieden einfangen lassen. Er streifte die Schuhe ab und ging ans Flu?ufer hinunter. Der Schlamm schob sich durch seine Zehen. Ein kleines Insekt stach ihn in die Wade. Ein Frosch sprang ins Wasser, und auf der dunklen Flache entstanden Ringe, die sich immer weiter ausbreiteten. Ein Krokodil offnete faul die vorstehenden Augen. Die schwere, su?e Luft drang in Quellens Lungen.
Aber er fand keinen Trost.
Dieser Ort gehorte ihm, aber er hatte ihn sich nicht verdient. Er konnte hier keinen echten Frieden finden. Und in Appalachia fand er ebenfalls keine Ruhe. Die Welt war ihm zu gro?. Er war nur ein Splitter davon. Er dachte an Judith. Sie ha?t mich, dachte er. Oder sie hat Mitleid mit mir, aber die Wirkung ist die gleiche. Sie wird mich nie wiedersehen wollen.
Er wollte nicht in dieser herrlichen Umgebung bleiben, solange seine Laune so gedruckt war.
Quellen trat wieder in das Stati-Feld und wurde uber den Ozean zuruck in sein Apartment getragen. In Appalachia herrschte tiefe Nacht. Quellen schlief sehr schlecht.
11
Am nachsten Morgen warteten Quellens Untersekretare bereits in seinem Buro. Sie hatten einen dritten Mann bei sich, einen gro?en, unbeholfenen, schabig gekleideten Fremden, dessen geknicktes Nasenbein an einen Geierschnabel erinnerte. Brogg hatte, wie Quellen bemerkte, die Sauerstoffzufuhr voll aufgedreht.
»Wer ist der Mann?« fragte Quellen. »Sie haben eine Verhaftung durchgefuhrt?« Sollte das etwa Lanoy sein? Es kam ihm unwahrscheinlich vor. Dieser armselige Prolet, der sich offenbar nicht einmal eine Plastikoperation fur seine Nase leisten konnte, steckte keinesfalls hinter dem Zeitreisengeschaft.
»Sagen Sie dem Kriminalsekretar, wie Sie hei?en«, meinte Brogg und stie? den Mann grob mit dem Ellbogen an.
»Brand«, erklarte der Fremde mit hoher, dunner Stimme. »Klasse Funfzehn. Ich wollte wirklich nichts Unrechtes tun, Sir — es war nur so, da? er mir eine eigene Wohnung versprochen hat und Arbeit und frische Luft …«
Brogg unterbrach ihn. »Wir fanden den Mann in einem Lokal. Er hatte ein paar zu viel getrunken und erzahlte jedem, da? er nun bald Arbeit bekommen wurde.«
»Das sagte mir der Mann doch auch«, murmelte Brand. »Ich brauchte ihm nur zweihundert Credits hinzublattern, und er wollte mich an einen Ort schicken, wo jeder Arbeit hatte. Und ich sollte auch Geld zuruckschicken konnen, um meine Familie nachkommen zu lassen.«
»Das kann nicht stimmen«, sagte Quellen. »Geld zuruckschicken? In die andere Zeitrichtung?«
»Das sagte der Mann. Es hat so verlockend geklungen, Sir.«
»Verruckt«, sagte Brogg. »Wenn es einen Kontakt nach beiden Seiten gibt, werden unsere ganzen Berechnungen uber den Haufen geworfen. Aber es ist einfach unmoglich.«
»Wie hie? der Mann?« erkundigte sich Quellen.
»Lanoy, Sir.«
Lanoy! Uberall dieser Lanoy. Offenbar streckte er seine Fuhler in alle Richtungen aus.
Brand murmelte: »Jemand hat mir das da gegeben und gesagt, ich solle mich mit ihm in Verbindung setzen.«
Er streckte Quellen eine verknitterte Notiz entgegen.
»Diese Dinger sind uberall«, sagte Quellen. Er griff in seine Tasche und holte den Zettel heraus, den man ihm auf der Flugrampe zugesteckt hatte. Er trug ihn jetzt schon seit ein paar Tagen wie einen Talismann mit sich herum. Nun legte er die beiden Zettel nebeneinander. Sie waren identisch.
»Lanoy hat eine Menge meiner Freunde fortgeschickt«, sagte Brand. »Er sagte mir, da? sie alle Arbeit hatten und glucklich seien, Sir …«
»Wohin schickt er sie denn?« fragte Quellen vorsichtig.
»Ich wei? nicht, Sir. Lanoy wollte es mir sagen, wenn ich ihm die zweihundert Credits brachte. Ich kratzte meine ganzen Ersparnisse zusammen. Ich war gerade auf dem Weg zu ihm und ging nur noch auf einen Sprung in das Lokal, und dann — und dann …«
»Dann fanden wir ihn«, erganzte Brogg. »Er erzahlte allen Umstehenden, da? er jetzt zu Lanoy ginge, um sich Arbeit geben zu lassen.«
»Hm. Haben Sie schon etwas von den Zeitreisenden gehort, Brand?«
»Nein, Sir.«
»Na ja, ist schon gut. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie bringen uns zu Lanoy.«
»Das kann ich nicht. Es ware unfair. Alle meine Freunde …«
»Und wenn wir Sie
»Aber er wollte mir doch Arbeit verschaffen. Ich kann es nicht tun. Bitte, Sir.«
Brogg sah Quellen scharf an. »Lassen Sie mich es versuchen«, sagte er. »Lanoy wollte Ihnen also Arbeit geben, sagen Sie? Fur zweihundert Credits?«
»Jawohl, Sir.«
»Und wenn ich Ihnen nun verspreche, da? Sie von uns umsonst Arbeit bekommen? Uberhaupt keine Gebuhr. Nur mussen Sie uns zu Lanoy bringen. Wir schicken Sie dann dahin, wo Lanoy Sie hingeschickt hatte. Und Ihre Familie kann kostenlos mitkommen.«
Quellen lachelte. Wenn es um die niedrigen Proletenklassen ging, war Brogg der bessere Psychologe. Soviel mu?te man ihm zugestehen.
»Klingt fair«, meinte Brand. »Aber ich habe kein gutes Gefuhl dabei. Lanoy war sehr nett zu mir. Doch wenn ich umsonst …«
»Ganz richtig, Brand.«
»Also gut, ich mache mit. Es ist wohl das einzig Mogliche.«
Quellen drehte die Sauerstoffzufuhr etwas zu. Brogg gab Leeward einen Wink, und der Untersekretar brachte Brand hinaus. »Unternehmen wir etwas, bevor er es sich anders uberlegt«, sagte Quellen. »Er scheint noch zu schwanken.«
»Wollen Sie denn mitkommen, Sir?« fragte Brogg. In seinem unterwurfigen Tonfall war nur eine winzige Spur von Sarkasmus. »Es ist wahrscheinlich ein ziemlich schmutziger Stadtteil. Die Verbrecherviertel …«
Quellen runzelte die Stirn. »Sie haben recht«, sagte er. »Ich brauche nicht mitzukommen. Nehmt ihr beide ihn fest. Ich habe im Hause genug zu tun.«
Sobald sie gegangen waren, lie? sich Quellen bei Koll melden.
»Wir haben eine hei?e Spur«, sagte er. »Brogg und Leeward haben einen Mann verhaftet, der mit Lanoy Kontakt aufnehmen wollte. Er bringt sie zu dem Mann.«