»Gute Arbeit«, sagte Koll kuhl. »Das wird sicher eine interessante Untersuchung.«

»Ich erstatte Ihnen Bericht, sobald …«

»Lassen Sie das Thema eine Zeitlang ruhen. Spanner und ich diskutieren gerade uber Verschiebungen innerhalb der Abteilung. Wir mochten in der nachsten Stunde nicht gestort werden.« Er legte auf.

Was sollte das nun wieder hei?en? fragte sich Quellen. Die Kalte in Kolls Stimme — nun, es war nichts Ungewohnliches, aber es war doch bedeutsam. Koll hatte ihn die ganze Woche wegen der Zeitreisengeschichte auf Trab gehalten. Und nun, da sie endlich einen Fortschritt gemacht hatten, nun, da sie einen Mann erwischt hatten, der sie zu dem geheimnisvollen Lanoy bringen konnte — da zeigte sich Koll ablehnend und vollig desinteressiert. Koll verbirgt etwas, dachte Quellen.

Sein Gewissen plagte ihn. Sofort kam das Mi?trauen wieder: Koll wei? uber Afrika Bescheid. Die Reise, die ich letzte Nacht machte, wurde registriert. Es war das letzte Beweisstuck, das er gegen mich brauchte. Jetzt werden sie die Verhaftung besprechen.

Zweifellos hatte man Brogg einen gro?eren Preis geboten, um sein Schweigen zu brechen. Und nun wu?te Koll alles. Degradierung war das mindeste, was ihn erwartete.

Quellens Verbrechen war einmalig. Soviel er wu?te, hatte es keiner au?er ihm fertiggebracht, einen Weg aus dem uberfullten Appalachia zu finden, aus diesem steinernen Ungetum, das sich uber die ostliche Halfte Nordamerikas erstreckte. Von all den Millionen Einwohnern Appalachias hatte nur Joseph Quellen, Kriminalsekretar, die Klugheit besessen, ein Stuck unregistriertes Land im Herzen Afrikas zu finden und sich dort ein zweites Heim zu bauen. Er konnte stolz darauf sein. Er besa? das ubliche Klasse-Sieben-Apartment in Appalachia und eine Klasse-Zwei-Villa, von der die meisten Sterblichen nur traumten. Eine Villa an einem dunklen Strom im Kongo. Es war ein herrliches Leben fur einen Mann, der gegen die hollischen Bedingungen von Appalachia rebellierte.

Aber es kostete viel Geld, wenn man Mitwisser bestechen mu?te. Quellen bewegte sich auf sehr dunnem Eis.

Eine Degradierung hatte zur Folge, da? er sein Einzelapartment nicht mehr behalten durfte, da? er sein Heim wieder mit einem Marok teilen mu?te.

Es war nicht so schlimm gewesen, als Quellen noch Klasse Zwolf und darunter war. Einem jungen Menschen machte die Gegenwart anderer nicht so viel aus. Er hatte in Junggesellen-Schlafsalen gehaust, ohne sich etwas dabei zu denken. Aber sobald er Klasse Acht erreicht hatte und mit einem einzigen Zimmergefahrten eine Wohnung benutzen mu?te, konnte er es kaum ertragen.

Auf seine Art war Marok bestimmt ein netter Kerl gewesen, uberlegte Quellen. Aber er war ihm mit seiner Lassigkeit und Schlamperei auf die Nerven gegangen. Seine dauernde Anwesenheit und seine dauernden Telefongesprache hatten Quellen an den Rand der Verzweiflung gebracht. Quellen hatte sich nach dem Tag gesehnt, an dem er Klasse Sieben erreichen wurde und fur sich leben konnte. Er wollte frei sein — frei, um sich vor der Masse zu verstecken.

Wu?te Koll die Wahrheit? Quellen wurde es bald erfahren.

Unruhig ging er durch den langen Korridor zu den Monitorraumen. Er konnte ebensogut nachsehen, was man inzwischen uber Norm erfahren hatte. Das braune Metalltor glitt zur Seite, als Quellen seine Handflache auf die Identifizierungsscheibe pre?te. Er ging hinein. Uberall summten Instrumente. Techniker begru?ten ihn. In der Luft war der Geruch eines antiseptischen Mittels. Man kam sich wie in einem Krankenhaus vor.

»Zum Pomrath-Monitor«, sagte Quellen.

»Hier entlang, Herr Kriminalsekretar.«

»Wer hort ihn ab?«

»Er lauft auf Automatik, Sir. Da sind wir schon.« Der Mann ruckte ihm einen Pneumostuhl zurecht. Quellen lie? sich vor dem Tonband nieder. »Wollen Sie sich direkt einschalten?« fragte der Techniker. »Oder mochten Sie abhoren, was wir vergangene Nacht aufgenommen haben?«

»Etwas von jedem.«

»Hier ist das Direktband und hier …«

»Ich wei?. Ich habe den Monitor schon benutzt.«

Der Techniker wurde rot und ging schnell weg. Quellen schaltete sich zuerst in das Direktband ein, aber er machte seinen Entschlu? sofort ruckgangig. Sein Schwager ging einer sehr menschlichen Tatigkeit nach. Quellen bi? sich auf die Lippen. Mit schnellen, eckigen Bewegungen schaltete er das Band ein, auf das Pomraths Tun aufgenommen wurde, seit Brogg ihm den Horcher verpa?t hatte.

Quellen konnte naturlich nicht alles abhoren. Er mu?te eine gewisse Auswahl treffen. Wenn er das Band so uberflog, fand sich bemerkenswert wenig Konversation. Pomrath war gestern abend in einer Traumbar gewesen. Anschlie?end war er heimgegangen und hatte mit Helaine gestritten. Quellen horte zu.

POMRATH: Das ist mir vollig egal. Ich brauche meine Erholung.

HELAINE: Aber wir haben mit dem Abendessen auf dich gewartet. Und du kommst mit Drogen vollgepumpt an. Du hast nicht einmal Appetit.

POMRATH: Na und? Ich bin jetzt hier. Bring dein Abendessen. Ich werde es schon herunterwurgen.

Es kam noch mehr von der Sorte. Kleinliches Gezank. Quellen ubersprang eine Viertelstunde und merkte, da? sie immer noch stritten. Zwischen ihren Stimmen horte man das Schluchzen seines kleinen Neffen und die verargerten Kommentare Marinas. Es tat Quellen weh, da? die Familienstreitereien seiner Verwandten so gewohnlich waren. Er lie? das Band schneller ablaufen. Nun wurden die Gerausche anders. Ein hartes, schnelles Atmen. Helaine seufzte.

POMRATH: Zufrieden, Liebling?

HELAINE: Ach, Norm!

Quellen sah peinlich beruhrt zu Boden. Seine Gefuhle waren gemischt, als er auf die nachtlichen Gesprache seiner Schwester und seines Schwagers horchte. Einmal schamte er sich, zum anderen aber konnte er sich nicht dazu uberwinden, das Band abzuschalten. Und so sa? er unschlussig da, wahrend das Flustern immer intimer wurde.

Ich sollte diesen Teil loschen, dachte Quellen. Wie entsetzlich neugierig wir manchmal sein konnen!

Mit einer entschlossenen Geste lie? er das Band schneller laufen. Nichts als die Gerausche von Schlafenden. Dann der Morgen. Die Kinder tappten umher. Pomrath trat unter die Molekulbrause. Helaine gahnte und fragte, welches Fruhstuck sie programmieren sollte.

POMRATH: Ich gehe heute fruh aus.

HELAINE: Glaubst du, da? dieser Arbeitsvermittler etwas fur dich hat?

POMRATH: Welcher Arbeitsvermittler?

HELAINE: Du wei?t schon, der Zettel, den du bei dir hattest. Der Mann wollte dir doch Arbeit verschaffen.

POMRATH: Ach so, der.

Quellen wartete gespannt. Die Gerate zeigten eine ungewohnliche Erregung bei Pomrath an. Sein Puls stieg an, ebenso seine Korpertemperatur. Dennoch schlo? die Unterhaltung, ohne da? ein Wort uber Lanoy gefallen ware. Quellen ubersprang wieder ein Stuck. Er naherte sich der Direktubertragung.

POMRATH: Sie konnen mich doch zu Lanoy bringen, nicht wahr?

Der Monitor war so programmiert, da? eine Alarmanlage ausgelost wurde, sobald das Wort »Lanoy« fiel. Ein winziges Zogern, bis der Komputer das Wort analysiert hatte, und dann ertonte das Zeichen. Ein rotes Licht blinkte auf dem Monitor-Schaltbrett. Eine Warnglocke rasselte. Dong! Dong!

Die Techniker kamen herbeigelaufen.

Dong.

»Schon gut«, sagte Quellen. »Ich uberwache das Gerat. Schalten Sie diesen lastigen Alarm ab.«

Dong! Dong!

Quellen beugte sich vor. Auf seinen Handflachen stand Schwei?, als er zuhorte, wie sein Schwager die Familie doch betrog.

* * *

Pomrath war an diesem Morgen eine betrachtliche Strecke gefahren, ohne naturlich zu ahnen, da? seine Bewegungen ins Hauptquartier des Kriminalsekretariats ubertragen wurden und da? man seine Worte und sogar

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