seinen Herzschlag registrierte.

In den vergangenen Tagen, noch bevor der Horcher angebracht war, hatte er eine Menge Fragen gestellt. Die Zettel, die Lanoys Dienste anboten, waren ziemlich weit verbreitet. Aber eine Auskunft uber Lanoys tatsachlichen Aufenthaltsort war nicht so leicht zu bekommen. Doch Pomrath besa? Ausdauer.

Er war jetzt entschlossen zu gehen.

Er konnte nicht mehr. Fur Helaine und die Kinder war es naturlich scheu?lich. Sie wurden ihm sehr fehlen. Aber er hatte die Nase voll, und er spurte selbst, da? er am Rande eines Zusammenbruchs stand. Worte begannen ihre Bedeutung zu verlieren. Er konnte eine halbe Stunde ein Nachrichtenband anstarren, ohne die Bedeutung der Symbole auf dem gelben Kunststoff zu erfassen. Fur ihn waren sie zu wimmelnden Mikroben geworden. KLOOFMAN. ARBEITSLOSIGKEIT. STEUERERHOHUNG. DANTON. MANKLOOF. LOSKEITARBETIG. TONDAN. STEUER. KL. OOF. LOS. Tanzende kleine Tierchen. STEU. HOH. Er mu?te weg von hier. Endgultig weg. ANTO. ARBEI. FLOOK. FLOOK! FLOOK!

KLOOF!

Eine einfachere Welt, das war es, was er brauchte. Er mu?te an einen Ort, den die Menschheit noch nicht verseucht hatte. Jawohl. Lanoy war die Antwort. Pomraths Kopf schmerzte. Er hatte das Gefuhl, da? seine Stirnadern anschwollen. »Konnen Sie mir sagen, wo ich Lanoy finde?« Sein Kopf wurde platzen. Das Gehirn wurde plotzlich auf der Stra?e liegen. »Ich habe keine Arbeit. Ich mu? Lanoy sprechen.« FLOOK! KLOOF! »Lanoy?«

Ein untersetzter Mann mit teigigem Gesicht, dessen untere Zahne herausgefault waren, sagte: »Ich bringe Sie zu Lanoy. Macht vier Units.«

Pomrath gab sie ihm. »Wohin mu? ich gehen? Was mu? ich tun?«

»Nehmen Sie das Schnellboot. Linie Sechzehn.«

»Und wo steige ich aus?«

»Steigen Sie erst einmal ein. Alles Weitere ergibt sich.«

Pomrath eilte auf die Schnellbootrampe zu. Er ging gehorsam an Bord. Es schien ein angenehmer Zufall, da? ihm jemand so freundlich Auskunft geben konnte, wie er diesen Lanoy erreichte. Doch einen Augenblick spater mu?te er sich eingestehen, da? es wahrscheinlich kein Zufall gewesen war. Der Mann mit dem teigigen Gesicht war wohl ein Agent von Lanoy, der ihm heimlich gefolgt war. Naturlich. Seine Augen schmerzten. In der Luft lag etwas Rauhes, Korniges. TONDAN! LOSKEIT! Pomrath druckte sich in eine Ecke des Schnellboots. Ein Madchen in einer Monchskapuze und mit geschorenem Kopf kam auf ihn zu. »Zu Lanoy?« fragte sie leise.

»Weshalb nicht?«

»Steigen Sie auf die Northpass-Linie um.«

»Wenn Sie meinen.«

»Es ist der einzige Weg.« Sie lachelte ihm zu. Ihre Haut schien die Farbe zu wechseln — von einem sanften Grun zu einem Ultragelb. KLOOF. STEUER. Pomrath zitterte. Er fragte sich, was Helaine sagen wurde, wenn sie es erfuhr. Wurde sie weinen? Wurde sie bald wieder heiraten? Wurden die Kinder seinen Namen beibehalten? Oder starb der Name Pomrath aus? Ja. Denn er wurde in der Vergangenheit einen anderen Namen annehmen mussen. TONDAN! Sollte er sich Kloofman nennen? Eine raffinierte Ironie. Mein Urenkel ein Mitglied der Hohen Regierung. Die Moglichkeit bestand.

Pomrath verlie? das Schnellboot. Das Madchen in der Monchskapuze blieb an Bord. Woher wu?ten sie, wer er war und was er vorhatte? Plotzlich hatte er Angst. Die Welt war voll von Ungereimtheiten. Betet fur meine Seelenruhe, dachte er. Ich bin so mude. OOF! TON!

Er wartete an der Rampe. Rings um ihn stachen die Turme der ha?lichen Gebaude in die Luft, die man im vorigen Jahrhundert erbaut hatte. Sie rissen Locher in den Himmel. Er befand sich jetzt am Rande der Slum-Zone. Er hatte keine Ahnung, in welchen stinkenden Stadtteil man ihn schicken wurde. Das nachste Schnellboot kam an. Pomrath bestieg es, ohne zu fragen. Ich bin in euren Handen, dachte er. LANOY! YONAL! Es ist mir egal. Ganz egal. Nur fort von hier!

Die Reise ging nach Norden. War er immer noch in Appalachia? Der Himmel war dunkel. Vielleicht auf Regen programmiert. Ein schneller Gu?, um die Stra?en zu reinigen. Und was geschah, wenn Danton plotzlich einen Regen aus Schwefelsaure befahl? Zischendes, rauchendes Pflaster, schreiende Burger, die ihre Haut zu schutzen versuchten. Das neueste Mittel zur Bevolkerungskontrolle. Tod aus dem Himmel. Geschieht euch ganz recht, wenn ihr ins Freie geht. Das Schnellboot hielt an. Pomrath stieg aus und wartete auf der Rampe. Regen fiel. Die Tropfen klatschten auf den Burgersteig.

»Ich bin Pomrath«, sagte er zu einer freundlichen alten Dame.

»Lanoy erwartet Sie. Kommen Sie.«

Zehn Minuten spater befand er sich in einer landlichen Umgebung. Am Rand eines Sees stand eine Hutte. Geheimnisvolle Gestalten gingen ein und aus. Pomrath wurde vorwartsgeschoben. Eine sanfte Stimme sagte: »Lanoy erwartet Sie hinten.«

Er war ein kleiner Mann mit einer gro?en Nase. Er trug Kleider, die zweihundert Jahre alt zu sein schienen.

»Pomrath?«

»Hm.«

»Was sind Sie? Klasse Zwolf?«

»Vierzehn«, bekannte Pomrath. »Konnen Sie mich von hier wegbringen? Bitte.«

»Aber selbstverstandlich«, sagte Lanoy.

Pomrath warf einen Blick auf den See. Es war ein abscheulicher Ort. Es wimmelte von Mikroben und ahnlichem Getier. Gro?e Inseln mit fleischigen Algen trieben auf der oligen Wasseroberflache.

»Ist das nicht hubsch?« fragte Lanoy. »Sechs Jahrhunderte fortdauernde Verseuchung, ohne da? die Regierung etwas dagegen tut. Hin und wieder wird eine Rede gehalten. Das ist alles. Die Erneuerungszone wird in fruhestens zwanzig Jahren bis hierher ausgeweitet. Mochten Sie ein Bad nehmen?«

Pomrath schauderte. »Ich kann nicht schwimmen. Bitte, sorgen Sie dafur, da? ich schnell von hier wegkomme.«

»Die Algen hei?en Cladaphora. Manchmal kommen Biologen her, um sie zu bewundern. Sie erreichen Langen bis zu drei?ig Metern. Dann haben wir noch Schlammwurmer hier und Venusmuscheln. Wie in Urzeiten. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sie hier leben. Sie waren schockiert, wenn Sie den Sauerstoffgehalt des Wassers kennen wurden.«

»Mich schockiert nichts mehr«, sagte Pomrath. »Bitte!«

»Die Darmbakterien sind besonders stark vertreten«, fuhr Lanoy fort. »Ich glaube, es sind 10 000 000 pro hundert Milliliter. Das ist zehntausendmal zuviel fur die menschliche Sicherheit. Hubsch, nicht wahr? Kommen Sie herein, Pomrath. Es ist nicht so leicht, die Zeitreise zu machen.«

»Heutzutage ist nichts leicht.«

»Aber wagen Sie selbst ab.« Lanoy fuhrte ihn ins Innere der Hutte. Pomrath sah zu seiner Verbluffung, da? hier nichts von Verfall zu entdecken war. Alles blitzte vor Sauberkeit. Eine Wand trennte das Hauschen in zwei gro?e Raume. Lanoy lie? sich in eine Hangematte fallen und schaukelte darin wie eine Spinne in ihrem Netz. Pomrath blieb stehen. »Ich kann Sie ins Jahr 1990 zuruckbringen, wenn Sie wollen«, sagte Lanoy. »Oder nach 2076 oder in fast jedes andere Jahr. Lassen Sie sich von den Aufzeichnungen nicht tauschen. Wir haben mehr Moglichkeiten, als die Offentlichkeit ahnt. Der Proze? wird laufend verbessert.«

»Schicken Sie mich irgendwohin.«

»Korrekter gesagt — in irgendeine Zeit. Aber bedenken Sie: Ich schicke Sie ins Jahr 1990. Konnen Sie sich das vorstellen? Sie werden nicht einmal die Sprache richtig verstehen. Sie werden einen komischen Dialekt sprechen, der den anderen unverstandlich ist. Ihre Grammatik wird entsetzlich sein. Kennen Sie den genauen Unterschied zwischen den Fallen? Wissen Sie, wann man welche Zeiten verwendet?«

Pomrath spurte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Er verstand nicht, weshalb Lanoy soviel Worte machte. Er hatte genug Worte gehort.

Lanoy lachte. »Lassen Sie sich von mir keine Angst einjagen. Sie brauchen diese Dinge nicht zu wissen. Schon damals fing man an, die Sprache schlampig zu gebrauchen. So schlimm wie heute war es naturlich noch nicht, aber es liegen ja auch Jahrhunderte der Weiterentwicklung dazwischen. Es wird ein paar Wochen dauern, bis Sie sich verstandlich machen konnen. Und in ein paar Wochen konnen Sie viele Schwierigkeiten bekommen. Sind Sie darauf vorbereitet, da? man Sie in ein Irrenhaus stecken konnte? Schockbehandlung, Zwangsjacke, die ganze Barbarei unserer Vorfahren?«

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