»Es ist mir egal, wenn Sie mich nur von hier fortschaffen.«

»Die Polizei wird Sie verhoren. Geben Sie nicht Ihren richtigen Namen an, Pomrath. Sie sind nicht in den Listen der Zeitreisenden aufgefuhrt, und das hei?t, da? Sie niemals Ihren Namen genannt haben. Versuchen Sie es ja nicht. Erfinden Sie einen Namen. Wenn Sie im Jahre 1979 oder spater landen, konnen Sie zugeben, da? Sie ein Zeitreisender sind. Wenn Sie fruher landen, sind Sie vollig auf sich allein gestellt. Ehrlich gesagt, ich wurde es nicht versuchen. Ich glaube nicht, da? Sie das Format fur so eine Reise haben. Sie sind intelligent, Pomrath, aber die Sorgen haben Sie aufgerieben. Gehen Sie kein Risiko ein. Machen Sie die normale Zeitreise und geben Sie sich in der Vergangenheit zu erkennen. Dann schaffen Sie es.«

»Was kostet die Sache?«

»Zweihundert Credits. Eine lacherliche Summe. Reicht kaum fur die Energiekosten.«

»Ist die Reise sicher?«

»So sicher wie eine Schnellbootfahrt«, lachte Lanoy. »Aber denken Sie noch einmal nach. Keine Hohe Regierung, die uber Sie wacht. Dutzende von Nationalstaaten. Lokale Streitereien. Steuerorgane, die einander bekampfen. Damit mussen Sie fertigwerden. Aber ich glaube, Sie schaffen es.«

»Schlimmer als hier kann es nicht sein.«

»Sind Sie verheiratet, Pomrath?«

»Ja. Ich habe zwei Kinder und liebe sie sehr.«

»Wollen Sie Ihre Familie mitnehmen?«

»Ist das moglich?«

»Ja. Mit einem gewissen Risikofaktor. Wir mussen Sie einzeln schicken. Massenbegrenzung. Sie konnten im Abstand von einem Dutzend Jahren ankommen. Zuerst die Kinder, dann vielleicht Sie und zuletzt Ihre Frau.«

Pomrath zitterte. »Angenommen, ich gehe als erster. Konnen Sie festhalten, in welche Zeit ich geschickt wurde, damit meine Familie nachkommen kann, wenn meine Frau es wunscht?«

»Naturlich. Wir werden uns darum kummern. Ich setze mich mit Mrs. Pomrath in Verbindung. Ich werde ihr freistellen, ebenfalls die Reise zu machen. Die meisten Frauen tun es nicht, aber sie soll zumindest die Moglichkeit haben. Nun, Pomrath? Sind Sie immer noch dabei?«

»Das wissen Sie ganz genau.«

Quellen, der die Unterhaltung abhorte, sa? wie in Trance da. Er fuhlte sich eiskalt. Er konnte Lanoy nicht sehen, er wu?te nicht, wo das Gesprach stattfand, aber er erkannte, da? sein Schwager im Begriff war, den Scharen von Zeitreisenden zu folgen. Und er konnte nichts dagegen unternehmen. Wenn nicht Brogg und Leeward das Hauptquartier Lanoys im Handumdrehen fanden und ihn verhafteten …

»Sir, Untersekretar Brogg mochte Sie sprechen«, sagte eine Stimme.

Quellen erhob sich vom Monitor. Ein normales Telefon wurde ihm in die Hand gedruckt. Quellen nahm den Horer auf.

»Wo sind Sie?« fragte er. »Haben Sie Lanoys Spur schon?«

»Wir arbeiten immer noch daran. Es stellte sich heraus, da? Brand den genauen Ort nicht wu?te. Er kannte nur jemanden, der ihn uber eine weitere Mittelsperson zu Lanoy bringen wollte.«

»Ich verstehe.«

»Aber die geographische Lage steht nun fest. Wir kreisen das Gebiet ein und suchen es per Televektor ab. Es ist jetzt nur noch eine Sache der Zeit, bis wir Lanoy personlich haben.«

»Wieviel Zeit?« fragte Quellen eisig.

»Etwa sechs Stunden«, erwiderte Brogg. »Plus oder minus neunzig Minuten. Aber heute nageln wir ihn sicher fest.«

Sechs Stunden, dachte Quellen. Plus oder minus. Und dann hatten sie Lanoy verhaftet.

Aber Norm Pomrath hatte inzwischen den Sprung in die Vergangenheit gewagt.

12

Brogg sagte freundlich: »Ich mu? Sie naturlich verhaften. Das werden Sie einsehen. Die Vorschriften sind nun mal nicht anders.«

»Naturlich«, sagte Lanoy. »Das versteht sich von selbst. Ich wunderte mich schon, weshalb es so lange dauerte, bis mich Ihre Leute aufgespurt hatten.«

»Unsicherheit bei den hohen Stellen. Es gab eine Menge Hin und Her.« Brogg lachelte den kleinen Mann an. »Es ist Ihnen gelungen, die Hohe Regierung ziemlich aufzuregen. Die Leute brennen darauf, Sie zu verhaften, aber gleichzeitig haben sie Angst, ihre Machtstellung durch irgendeine Verschiebung der Vergangenheit aufs Spiel zu setzen. So taten sie vorerst gar nichts. Die klassische Situation: Sie mu?ten zum Aufhoren gezwungen werden, aber niemand wagte den ersten Schritt.«

»Ich bin mir uber die peinliche Situation der Regierung im klaren«, sagte Lanoy. »Sogar ganz an der Spitze haben die Leute ein schrecklich kompliziertes Leben, nicht wahr? Nun ja, jetzt sind Sie aber doch hier. Kommen Sie nach drau?en. Dann konnen wir den Sonnenuntergang beobachten.«

Brogg folgte Lanoy aus der Hutte. Es war sehr spat, und Brogg machte bereits Uberstunden, aber er widersprach nicht. Den ganzen Tag hatte er zusammen mit Leeward diesen Lanoy eingekreist. Sie hatten Televektorkonstanten berechnet und verschoben, bis der Radius immer enger wurde. Wie Brogg Quellen am Vormittag versprochen hatte, handelte es sich nur um Stunden. Und seit Broggs Anruf waren genau vier Stunden und einige Minuten vergangen. Brogg hatte Leeward vor einer Stunde absichtlich auf eine falsche Spur gesetzt. Und nun befanden sich Lanoy und Brogg allein an der einsamen Hutte. Brogg hatte dem Zeitreise-Unternehmer viel zu sagen.

Eine dicke goldene Sonne hing am dunklen Himmel. Sie warf einen purpurnen Glanz uber das verschmutzte Wasser. Das Glitzern wirkte unheimlich, und die schleimigen Geschopfe, die sich an der Wasseroberflache wanden, erschienen im sterbenden Licht des Tages plotzlich ganz anders. Lanoy atmete tief ein und sah nach Westen.

»Es ist herrlich«, sagte er schlie?lich. »Ich konnte dieses Gebiet nie verlassen, Untersekretar Brogg. Ich sehe selbst in der Ha?lichkeit das Schone. Werfen Sie doch einen Blick auf den See. Haben Sie schon einmal so etwas erlebt? Ich stehe jeden Abend ehrfurchtig hier drau?en.«

»Bemerkenswert.«

»Ja. In diesem Schlamm steckt Poesie. Sie mussen wissen, da? er fast keinen Sauerstoff mehr enthalt. Das organische Leben ist abgewandert, nur die primitiven Formen haben sich erhalten. Ich stelle mir vor, da? die Schlammwurmer bei Sonnenuntergang zu tanzen beginnen. Sie schaukeln durch das Ried. Sehen Sie nur das Farbenspiel an dem gro?en Algenfleck da druben. Unsere Algen werden so lang wie Meerestang. Mogen Sie eigentlich Poesie?«

»Ich liebe die Geschichte.«

»Welche Epoche?«

»Die romische. Das fruhe Imperium. Tiberius bis Trajan. Trajans Zeit war das wahre goldene Zeitalter.«

»Die Republik interessiert Sie nicht?« fragte Lanoy. »Die tapferen Erneuerer? Cato? Lucius Junius Brutus? Die Gracchen?«

Brogg war erstaunt. »Sie wissen uber solche Dinge Bescheid?«

»Ich mu?te meine Netze weit ausspannen«, sagte Lanoy. »Wie Sie wissen, ist der Handel mit der Vergangenheit mein tagliches Brot. Ich habe eine gewisse Vertrautheit mit der Geschichte gewonnen. Trajan, hm? Sie wurden wohl gern Rom besuchen? Das Rom der Trajan-Epoche?«

»Naturlich«, sagte Brogg heiser.

»Oder Hadrian? Immer noch ein goldenes Zeitalter. Wenn Trajan sich nicht machen lie?e, wurden Sie sich mit Hadrian zufriedengeben? Sagen wir, eine Toleranz von einer Generation. Trajan konnten wir verfehlen, aber in diesem Fall wurden wir bestimmt irgendwo in der Hadrian-Ara landen. Am besten stecken wir das Ziel so, da? wir uns das Ende der Trajan-Epoche vornehmen. Dann ist die Toleranz nach der anderen Richtung nicht so gro?. Denn das wurde Ihnen nicht gefallen, was? Sie wurden bei Titus, Domitian oder einem von dieser Bande herauskommen. Wahrscheinlich nicht nach Ihrem Geschmack.«

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