Broggs Stimme war rauh und bruchig geworden.

»Wovon sprechen Sie eigentlich?«

»Sie wissen es recht gut.«

Die Sonne war untergegangen. Der zauberhafte Glanz verschwand vom Wasserspiegel. »Sollen wir hineingehen?« fragte Lanoy. »Ich zeige Ihnen einen Teil der Maschinen.«

Brogg lie? sich nach drinnen fuhren. Er uberragte Lanoy bei weitem. Lanoy war nicht gro?er als Koll, und er hatte etwas von Kolls nervoser, innerer Energie. Aber wahrend Koll vor Ha? und Mi?gunst uberzusprudeln schien, war Lanoy ruhig und zuversichtlich.

Lanoy offnete eine Tur in der Wand, die das Gebaude abteilte. Brogg warf einen Blick hindurch. Er sah senkrechte Stangen aus einem glanzenden Metall, einen Drahtmaschenkafig, Zahlwerke, Schalter, eine Anordnung von Rheostaten. Ganze Reihen von farbigen Schalttafeln zeigten komplizierte Datenanordnungen. Man hatte den Eindruck, als sei alles willkurlich so zusammengestellt worden.

»Das ist die Zeitmaschine?« fragte Brogg.

»Ein Teil davon. Es gibt Erganzungsstucke davon in Zeit und Raum. Ich will Sie nicht mit Einzelheiten belastigen. Aber das Prinzip ist einfach. Eine plotzliche Belastung der Kontinuum-Schicht. Wir sto?en Material aus der Jetzt-Zeit hinein und entfernen eine ebenso gro?e Masse aus der Vergangenheit. Sie verstehen, Erhaltung von Masse und Energie. Wenn unsere Kalkulationen um ein paar Gramm danebengehen, entstehen Storungen. Manchmal ist das naturlich unvermeidlich. Wir zapfen ubrigens die Thetakraft an. Sobald jemand ein Stati-Feld benutzt, wird ein Zeitpotential aufgebaut, das wir uns zunutze machen. Dennoch ist der Vorgang ziemlich kostspielig.«

»Was verlangen Sie fur eine Reise?«

»Im allgemeinen zweihundert Credits. Das hei?t, wir nehmen nicht immer Geld an.«

»Sie schicken Leute auch kostenlos durch?« fragte Brogg.

»Das nicht. Ich wollte nur sagen, da? wir von gewissen Leuten kein Geld annehmen. Wir bestehen auf anderen Zahlungsmitteln — Dienstleistungen, Informationen, Dinge dieser Art. Wenn sie nicht gewillt sind, uns zu helfen, befordern wir sie nicht. Diesen Leuten hilft keine noch so gro?e Summe.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Sie werden es noch verstehen«, sagte Lanoy. Er schlo? die Tur und kehrte in den vorderen Teil der Hutte zuruck. Nachdem er sich bequem in seiner Hangematte ausgestreckt hatte, fragte er Brogg: »Wie wird die Verhaftung in meinem Fall erfolgen?«

»Sie werden in unser Gebaude kommen mussen und sich mit Kriminalsekretar Quellen unterhalten. Er behandelt den Fall. Inzwischen sichern wir diesen Ort hier durch einen breiten Strahlengurtel ab. Er wird wahrend der Verhandlung nicht betreten. Jedes Beweismittel wird direkt an die Hohe Regierung weitergeleitet. Es kommt naturlich sehr darauf an, wie Sie mit Quellen fertigwerden.«

»Aber ich mu? ins Kriminalsekretariat?«

»Ja.«

»Was fur ein Mann ist Quellen? Leicht zu behandeln?«

»Ich denke schon. Wenn man die richtige Behandlungsmethode kennt …«

»Was kostet es, sie zu erfahren?«

Brogg beugte sich vor. »Ist Ihre Maschine wirklich auf funf Jahrhunderte beschrankt?«

»Aber nein. Wir erzielen immer bessere Fortschritte. Die kontrollierte Reichweite betrug schon vor Jahren funf Jahrhunderte, die unkontrollierte geht viel weiter.«

Brogg nickte. »Die Schweine und Hunde, die bis ins zwolfte Jahrhundert zuruckgeschickt wurden, nicht wahr?«

»Das wissen Sie?«

»Ich war sehr grundlich. Wie gro? ist Ihre kontrollierte Reichweite jetzt?«

Lanoy zuckte mit den Schultern. »Das ist verschieden. Wir konnen fast uberall hin — bis zu tausend vor Christus. Aber die Toleranz wird gro?er, je weiter man zuruckgeht. Im Augenblick haben wir die Spanne bis auf etwa drei?ig Jahre beschrankt, aber das ist doch noch sehr viel. Die Jahre 1776 oder 1492 zum Beispiel konnten wir glatt treffen. Das ist nicht schwer.« Er lachelte. »Wie mu? man Quellen behandeln?«

Brogg sah ihn starr an. »Was kostet eine Reise zuruck in Hadrians Zeitalter?«

»Die Beantwortung meiner letzten Frage.«

»Bargeld nehmen Sie nicht?«

»Nicht von Ihnen.«

Brogg nickte. »Daruber la?t sich reden«, sagte er. »Ich glaube, wir konnten handelseinig werden.«

* * *

Bei Sonnenuntergang war Helaine Pomrath davon uberzeugt, da? ihr Mann den Sprung gemacht hatte.

Es war eine beinahe telepathische Gewi?heit. Er war zum Abendessen nicht heimgekommen, aber in den letzten Wochen hatte er sich haufig verspatet. Diesmal war es irgendwie anders. Helaine spurte seine Abwesenheit. Sie hatte so lange mit ihm zusammengelebt, da? sie sich an seine Gegenwart gewohnt hatte, selbst wenn er nicht im Raum war. Und jetzt spurte sie eine plotzliche Leere, eine Lucke.

Der Raum erschien kleiner und dunkler. Die Augen der Kinder waren gro?. Helaine sagte ihnen beruhigende Dinge. Sie versuchte, nicht an Beth Wisnack und ihre bosartige Prophezeiung zu denken. Helaine fragte nach der Uhrzeit, und die Uhr erwiderte, da? es halb sieben sei. Sie gab den Kindern ihr Abendessen, aber sie selbst brachte keinen Bissen hinunter.

Um Viertel nach sieben rief sie ihren Bruder in seiner Privatwohnung an.

»Es tut mir wirklich leid, da? ich dich storen mu?, Joe, aber es ist wegen Norm. Er ist nicht zum Abendessen heimgekommen, und ich mache mir Sorgen.«

Am anderen Ende der Leitung entstand ein langes Schweigen. Helaine beobachtete Quellens Gesicht, aber der Ausdruck verwirrte sie. Er hatte die Lippen fest zusammengepre?t.

»Joe? Warum sagst du nichts? Hor zu, ich wei?, da? ich eine dumme Gans bin, die sich wahrscheinlich wieder einmal unnutz sorgt. Aber ich kann es nicht andern. Ich habe das bestimmte Gefuhl, da? etwas Schreckliches passiert ist.«

»Es tut mir so leid, Helaine. Ich habe getan, was ich konnte.«

»Wovon sprichst du eigentlich?«

»Wir haben eine Verhaftung vorgenommen. Wir haben den Kerl eingekreist, der das Zeitreise-Unternehmen fuhrt. Aber wir hatten keine Zeit mehr, Norm zuruckzuhalten. Er ist uns durch die Maschen geschlupft.«

Sie spurte, wie die Kalte von ihren Beinen langsam hochkroch und ihren ganzen Korper in einen Eisklumpen verwandelte. »Joe, ich verstehe dich nicht. Wei?t du etwas uber Norm?«

»Wir uberwachten ihn per Monitor. Brogg hat ihm auf meinen Befehl hin gestern einen Horcher verpa?t. Heute morgen machte er sich auf die Suche nach Lanoy. Das war der Mann, der die Zeitreisen leitete.«

»Der, den ihr verhaftet habt?«

»Ja. Er ist bei uns. Ich werde ihn morgen vormittag verhoren. Norm ging zu ihm. Es war weit drau?en, und die Fahrt dauerte den ganzen Vormittag. Wir kreisten Lanoy per Televektor ein, aber du mu?t verstehen, da? wir einfach keine Moglichkeit hatten, Norm noch rechtzeitig zu erwischen. Ich habe eine Bandaufnahme der ganzen Verfolgung.«

»Er ist — fort.«

»Fort«, bestatigte Quellen. »Er lie? sich ins Jahr 2050 zuruckschicken. Lanoy war nicht sicher, da? er genau das gewunschte Jahr treffen wurde, aber er schien doch ziemlich zuversichtlich. Helaine, ich mu? dir sagen, da? Norm bis zur letzten Sekunde nur an dich dachte. Du kannst selbst die Bander abhoren. Er sagte, da? er dich und die Kinder liebt. Er versuchte eine Regelung zu treffen, damit ihr ihm in die Vergangenheit folgen konntet. Lanoy versprach es ihm. Es ist alles aufgezeichnet.«

»Fort. Er hat einfach den Sprung gemacht.«

»Er war in einer entsetzlichen Verfassung, Helaine. Was er heute morgen alles sagte — er war praktisch verruckt.«

»Ich wei?. Es ging schon seit Tagen so. Ich versuchte, ihn zu einem Therapeuten zu schicken, aber …«

»Kann ich irgend etwas fur dich tun, Helaine? Mochtest du, da? ich zu dir herauskomme und bei dir

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