kochten. Die Prozedur nahm lange Zeit in Anspruch, denn es pa?ten immer nur vier Scheiben auf einmal in den Blechschopfer. Aber schlie?lich war aller Fisch gekocht und auch mit gro?er Befriedigung verzehrt. Den gro?ten Teil verschlang Bootsmann, aber auch die anderen bekamen reichlich genug.
»Konnt ihr begreifen«, fragte Freddy, »da? man vier Scheiben Dorsch essen kann ohne das kleinste Krumchen Salz und dann auch noch finden kann, es ware fast das Beste, was man je gegessen hat!«
»Wieso nicht?« sagte Johann. »Wenn man Fischbruhe trinken kann und
Es war aber, als kehre wieder Leben in sie zuruck, nachdem sie die kraftige, dampfend hei?e Fischsuppe getrunken hatten. Oh, die warmte bis in die Zehen hinunter! Alles war mit einemmal leichter zu ertragen. Sie fingen wieder an zu hoffen, auf irgend etwas, da? der Nebel weichen oder da? ein Dampfer kommen und sie auflesen wurde oder da? sie daheim erwachten und alles nur getraumt hatten.
Aber die, Stunden verrannen, und der Nebel lag nach wie vor uber dem Wasser. Es kam kein Dampfer, und es war kein Traum, denn im Traum konnte man nicht so frieren. Die Fischbruhe hielt nur ein kurzes Weilchen vor, und der Spirituskocher war endgultig ausgegangen. Jetzt kam die Kalte wieder angekrochen und mit ihr die Mudigkeit und Mutlosigkeit. Es hatte keinen Sinn, noch weiter zu hoffen. Sie wurden die ganze Nacht hindurch hier wie Gefangene im Nebel sitzen mussen, vielleicht bis in alle Ewigkeit.
Da zuckte Freddy plotzlich zusammen und fuhr hoch.
»Hort mal!« sagte sie. »Hort mal!«
Und sie horten: Irgendwo weit weg im Nebel tuckerte ein Motor. Sie horchten, als hinge das Leben davon ab, und dann schrien sie. Es konnte Bjorns Boot sein, und es konnte das Boot von jemand anders sein, aber wessen es auch war, sie
Und tatsachlich, es kam naher. Immer naher. Jetzt war es nahe – nahe. Und sie schrien sich heiser. Zuerst in wildem Jubel, aber dann vor Verzweiflung und Wut. Keuchend vor Verbitterung sa?en sie da und horten, wie das Motorengetucker wieder leiser wurde und langsam erstarb. Und schlie?lich nichts mehr. Nichts mehr als Nebel. Da gaben sie auf und krochen schweigend zusammen auf der Ducht neben Bootsmann, damit er ihnen ein wenig von seiner Warme abgab.
Nisse Grankvists Kaufmannsladen auf Saltkrokan war wohl einer der friedlichsten Orte der Welt. Nicht da? es dort etwa still und ausgestorben war, im Gegenteil. Hier versammelten sich die Leute von Saltkrokan und von den Inseln rundum. Hierher kamen sie, um einzukaufen und um sich zu unterhalten und Neuigkeiten zu erfahren und um Post zu holen und zu telefonieren. Hier war das Herz von Saltkrokan. Die Leute hatten Nisse und Marta gern, weil sie vergnugt waren und anstandig und hilfsbereit, und in ihrem engen kleinen Laden war es gemutlich, wo es so gut nach Kaffee und Backobst und Hering und Seife und allerlei anderen Dingen roch. Es war hier Tag fur Tag von fruh bis spat ein Summen und Schwatzen, und mitunter gab es gewaltige Wortgefechte uber die Angelegenheiten der Insel. Aber immer ging es friedfertig zu, es war ein Ort des Friedens, dieser Kaufmannsladen.
An diesem Abend allerdings nicht. Heute herrschte hier Jammer und Angst und Verzweiflung. Denn Melcher Melcherson hatte das Gro?e Beben und machte mehr Larm, als die gesamte Bevolkerung der Insel jemals zustande gebracht hatte.
»Jetzt mu? etwas getan werden«, schrie er. »Ich will, da? alle Zollboote und Lotsenstationen und Leuchtturmwarter und Helikopter und Flugzeugambulanzen im ganzen Norden
Er starrte Nisse an, als ob dieser die Pflicht hatte, fur all das zu sorgen. Malin nahm ihren Vater flehentlich am Arm.
»Lieber Papa, beruhige dich ein bi?chen!«
»Wie soll ich mich beruhigen, wenn ich im Begriff bin, vaterlos zu werden!« brullte Melcher. »Ich meine – ach was, ihr wi?t, was ich meine! Im ubrigen ist es wohl schon zu spat. Ich glaube, da? keins von ihnen noch am Leben ist.«
Die anderen standen dabei, stumm und bedruckt, und horten zu, Nisse und Marta und Malin und Bjorn Sjoblom. Selbst Nisse und Marta waren jetzt angstlich. Sie waren keine unnaturlichen Eltern. Unnaturlich war dieser dichte Nebel im Monat Juni, so etwas war seit Menschengedenken nicht vorgekommen.
»Ich war ein Rindvieh! Weshalb hab ich die Kinder nicht gleich mitgenommen, als ich ihnen ihren Kahn wiederbrachte«, sagte Bjorn. Deswegen hatte er ein schlechtes Gewissen, und das hielt ihn hier im Laden von Saltkrokan bei den Eltern zuruck, obgleich er langst schon nach Hause hatte aufbrechen mussen, nach Norrsund.
Ubrigens waren nicht nur sein Gewissen und die armen Eltern der Grund, weshalb er blieb. Von dieser Malin, die jetzt so ernst und der frohlichen, die er neulich abend kennengelernt hatte, gar nicht mehr ahnlich war, konnte er nur schwer den Blick wenden. Stumm und hilflos stand sie da und horte dem Ausbruch ihres Vaters zu. Mit einer muden Bewegung strich sie sich das blonde Haar aus der Stirn, und er sah ihre Augen, dunkel und gequalt. Sie tat ihm leid. Weshalb konnte ihr Vater sich nicht ein wenig mehr beherrschen, da
Nisse hatte den Zollkreuzer in Furusund alarmiert, nicht weil er an eine unmittelbare Lebensgefahr glaubte, doch es war schon schlimm genug, wenn die Kinder die Nacht drau?en im Nebel zubringen mu?ten.
»Ein einzelner Zollkreuzer, was kann der schon ausrichten?« schrie Melcher, der verlangte, da? der Seerettungsdienst des ganzen Nordens an diesem nebligen Juniabend ins Scharengebiet um Saltkrokan beordert werden sollte. Nachdem er aber lange Zeit getobt und gewettert hatte, war es, als ginge ihm die Luft aus. Er lie? sich auf einen Sack mit Kartoffeln niedersinken und blieb dort sitzen, so bleich und verstort, da? Marta Mitleid mit ihm hatte.
»Mochtest du eine Beruhigungstablette haben, Melcher?« fragte sie freundlich.
»Ja, bitte«, sagte Melcher. »Eine ganze Schachtel!«
Es fiel ihm im allgemeinen schwer, Tabletten einzunehmen, und er hatte auch kein Vertrauen zu ihnen, aber im Augenblick war er bereit, Fuchsgift zu schlucken, falls ihm das eine Weile Ruhe und Gelassenheit verschaffen konnte.
Marta holte eine kleine wei?e Tablette und ein Glas Wasser fur ihn. Und er legte, wie immer, die Tablette auf die Zunge, trank einen Schluck Wasser und schluckte heftig. Und richtig, das Wasser rann hinunter, und die Tablette blieb liegen. Er war nicht weiter erstaunt, denn so machten seine Tabletten es immer. Er versuchte es noch einmal, aber die verdammte Tablette lag nach wie vor auf der Zunge, bitter und widerlich. »Nimm einen Riesenschluck«, sagte Malin. Da tat Melcher es. Er nahm einen Riesenschluck, und er schaffte es, da? ihm das Ganze in den falschen Hals geriet. Auch die Tablette, denn diesmal war sie mitgegangen.
»Rrrkkss«, machte Melcher. Er prustete wie ein Seehund, und da rutschte die Tablette hoch und blieb irgendwo stecken. Und da blieb sie den ganzen Abend. Aber man merkte nicht, da? sie ihn sonderlich beruhigte.
Malin hatte sich den ganzen Tag sehr zusammengenommen, jetzt aber fuhlte sie plotzlich, da? sie anfangen wurde zu weinen. Nicht gerade wegen der Beruhigungstablette hinter Melchers Nase, sondern weil alles so zum Verzweifeln war. Sie durfte ihren Vater nichts merken lassen, und deswegen lief sie nach drau?en. Die Tranen kamen, sobald sie zur Tur hinaus war, und jetzt durften sie kommen. Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und weinte leise.
Dort fand Bjorn sie.
»Kann ich irgend etwas tun?« fragte er teilnahmsvoll.
»Ja – rede bitte nicht so freundlich mit mir«, murmelte Malin, ohne aufzublicken, »sonst weine ich, da? es hier eine Uberschwemmung gibt.«
»Dann werde ich nichts mehr sagen«, antwortete Bjorn. »Nur, da? du ziemlich hubsch bist, wenn du weinst.«
Er machte sich auf den Heimweg nach Norrsund. Dort war die Schule, in die die Kinder von allen Inseln ringsum kamen, damit er ihnen ein wenig Wissen eintrichtern konnte, und dort im oberen Stock des Schulhauses hatte er seine einsame Junggesellenbude. Von Saltkrokan aus brauchte er nicht mehr als zehn Minuten bis dorthin. Malin sah ihn zum Bootssteg hinunter verschwinden.
»Morgen wird es besser«, rief er, »glaub mir!«
Gleich darauf horte sie das Tuckern von seinem Boot drau?en auf dem Sund.
Und es war dasselbe Tuckern, das die Kinder im Kahn ein paar Minuten spater horten und das auf so