»Gar nicht sind wir zu klein«, sagte Tjorven. »Wir konnen uns auch eine geheime Hutte bauen.«
Und so hatten sie sich eine in Janssons Kuhwaldchen gebaut, sogar Stina hatte mitmachen durfen.
Aber nach zwei Tagen, als sie gerade so schon dasa?en und geheim waren, war Niklas gekommen und hatte den Kopf zu ihnen hineingesteckt. Eine feine Hutte sei das, hatte er gesagt, und auch geheim. »Man sieht sie allerdings jedesmal, wenn man Milch holen geht.«
Er hatte ein bi?chen gelacht, und wenn er es auch gar nicht so gemeint hatte, so wurde ihre Hutte doch auf einmal so armselig und klein, nichts als ein paar Bretter und eine alte Decke. Es machte kein bi?chen Spa? mehr, dort zu sitzen.
Heute aber war der Freude kein Ende; denn kann man sich ein gro?eres Gluck vorstellen – als sie endlich den Hof erreichten, Tjorven und Pelle, da wollte Onkel Jansson gerade zwei von seinen Kuhen nach Storholmen hinuberbefordern! Er hatte dort auch eine Viehkoppel.
Pelle geriet ganz aus dem Hauschen, als er die Kuhe sah, und warf die Milchflasche, ohne nachzudenken, an der Stallecke von sich. »Lieber guter Onkel Jansson, wir
Er hatte noch nie eine Kuhfahre gesehen, noch nie in seinem Leben hatte er Kuhe mit einem Schiff fahren sehen. Nur auf Saltkrokan konnte man etwas so Merkwurdiges erleben. Tjorven bildete sich ein, da? sie mehr oder weniger uber die ganze Insel zu bestimmen hatte, und so war es daher auch ihr Verdienst, da? es hier einen Fuchsbau gab und Kuhfahren. Jetzt verhandelte sie mit Onkel Jansson, denn es ware ja schon, wenn sie Pelle noch ein kleines Vergnugen verschaffen konnte, und wenn sie ihn nur mit ein paar Kuhen zusammenbrachte. Onkel Jansson hatte seine Bedenken, weil Bootsmann soviel Platz wegnahm wie eine halbe Kuh. Aber Tjorven versicherte, er konne sich zusammendrucken und ganz, ganz platt werden, und nun fuhrte sie Pelle im Triumph auf die Fahre.
Es war eng, Pelle hatte eine von den Kuhen ganz dicht vorm Gesicht, aber das war nur schon. Er streichelte ihr feuchtes Maul, und sie leckte seine Finger mit ihrer rauhen Zunge. Da lachte Pelle und machte ein zufriedenes Gesicht.
»Ich wunschte, ich hatte eine Kuh«, sagte er. »Diese mochte ich haben. Sie hat so treue Augen.«
Tjorven zuckte mit den Schultern. »Das haben doch alle Kuhe.«
Pelle bekam keine Kuh, weder an diesem noch an einem anderen Tag. Es passierte ihm aber trotzdem etwas Marchenhaftes, und das begann genau auf Storholmen. Bei einem Kaninchenstall hinter einer Fischerhutte. Bei diesem Kaninchenstall stand Knutte Osterman, ein dreizehnjahriger rothaariger Junge, ein guter Freund von Tjorven und glucklicher Besitzer von drei wei?en Kaninchen, deren Anblick Pelle derart blendete, da? er kaum reden konnte.
»In einer Stunde geht die Fahre nach Saltkrokan zuruck«, hatte Onkel Jansson gesagt, bevor er Tjorven und Pelle auf der Insel laufen lie?. »Seid ihr dann nicht am Steg, mu?t ihr ruberschwimmen.«
»Du kannst ganz beruhigt sein«, sagte Tjorven. Und dann nahm sie Pelle mit zu Knutte Osterman, dem glucklichen Kaninchenbesitzer.
Dem glucklichsten der Welt nach Pelles Meinung.
»Kauf dir doch selber eins«, sagte Knutte, nachdem Pelle lange dagestanden und seine Kaninchen angehimmelt hatte. »Rulle auf Lillasken hat junge Kaninchen, die er verkauft.«
Was Knutte da sagte, horte sich so an, als ware es die einfachste Sache von der Welt, etwas, was man taglich tat, wenn einem gerade danach war. Pelles Atem ging schwer. Konnte man sich wirklich so ohne weiteres ein Kaninchen kaufen, war es moglich, da? er das auch tun konnte? Aber was wurde Papa sagen, und was wurde Malin sagen, und wo sollte er das Kaninchen unterbringen? Die Gedanken schwirrten in seinem Kopf herum, aber da fiel ihm plotzlich etwas ein, und der Glanz in seinen Augen erlosch ebenso rasch, wie er entzundet worden war.
»Ich hab ja kein Geld.«
»Hast du doch«, sagte Tjorven. »Du hast eine Krone, und wenn
»Ja aber … aber …« stammelte Pelle.
»Nehmt unseren Kahn«, sagte Knutte, »ihr seid in funf Minuten rubergerudert.«
Das war so was, das man nicht tun durfte. Weder Pelle noch Tjorven durften allein Boot fahren.
»Aber nur funf Minuten«, sagte Tjorven. »Das ist ja fast nichts.«
Sie regelte alles. Pelle war wie gelahmt und leistete keinen Widerstand. Sie zerrte ihn zu Knuttes Kahn hinunter, und bevor Pelle noch so recht begriffen hatte, was da vor sich gehen sollte, hatte sie ihn uber den schmalen Sund nach Lillasken gerudert und ihn Rulle als Gro?anwarter auf Kaninchen vorgestellt.
Und dort
»Das da«, sagte Pelle. Dann sagte er nichts weiter, betrachtete nur das Kaninchen und uberlegte, wie es wohl ware, wenn man es auf dem Arm hatte.
»Es ist das ha?lichste von der ganzen Bande«, sagte Tjorven. Pelle guckte das Braungefleckte zartlich an.
»Wirklich? Aber es hat so was Treues in den Augen, finde ich.«
Rulle auf Lillasken war ein alter Junggeselle, der allein auf seiner Insel lebte und sich von Fischfang und Kaninchenzucht ernahrte. Einmal in der Woche fuhr er nach Saltkrokan hinuber und kaufte in Grankvists Geschaft seinen Schnupftabak und seinen Kaffee und was er sonst noch brauchte. Darum hatte er Tjorven nicht entgehen konnen, ebensowenig wie irgendein anderer Mensch in den Scharen um Saltkrokan.
Und nun stand sie vor ihm und hielt Pelles Krone in der Faust.
»Du kriegst eine Krone fur das da«, sagte sie und zeigte auf das Braungefleckte. »Ja oder nein?«
»N-ja«, sagte Rulle zogernd solch einem schamlosen Gebot gegenuber. Da druckte Tjorven ihm das Geldstuck in die Hand.
»Vielen Dank. Hab ich's doch gewu?t.«
Sie offnete schnell den Kaninchenstall, zerrte das Kaninchen heraus und legte es Pelle in den Arm.
»Da hast du's.« Und Rulle wieherte ganz vergnugt. »Du verstehst es, Geschafte zu machen, Tjorven, das mu? ich sagen! Aber warte nur, bis ich das nachste Mal Schnupftabak kaufe.«
Pelle hielt das Kaninchen im Arm. Er machte die Augen zu und spurte, wie weich es war, oh, ganz weich und sanft. Und plotzlich kam ihm sein unerhortes Gluck zum Bewu?tsein. Es tat beinahe weh. Dies war das Seligste, was einem passieren konnte, und es war ihm passiert.
»Doch, doch, das gibt einen schonen Braten ab, wenn es mal gro? ist«, sagte Rulle zufrieden.
Pelle wurde wei? um die Nase.
»Das soll
»Wofur willst du es denn sonst haben?« fragte Rulle.
Pelle druckte das Kaninchen an sich.
»Als
Und Rulle hatte kein hartes Herz. Er gab zu, da? man ein Kaninchen auch auf diese Weise besitzen konnte, obwohl er selber nie auf den Gedanken gekommen war. Es war ruhrend, einen Jungen zu sehen, den ein kummerliches kleines Kaninchen so unfa?bar glucklich machte. Rulle wurde richtig munter. Er holte eine Holzkiste fur Pelle, in der er das Kaninchen tragen konnte, und begleitete ihn schmunzelnd bis an den Steg hinunter. Tjorven sa? schon an den Riemen.
»Es ist heute warm und schon«, sagte Rulle und wischte sich den Schwei? von der Stirn. »Du kannst von Gluck sagen, Tjorven, da? du nicht so weit rudern mu?t.«
Tjorven guckte mit Kennermiene zu den Wolken empor, die sich hinter Lillasken am Himmel aufgeturmt hatten, und sagte duster: »Wir kriegen Gewitter!«
Ja, es war allerdings gut, da? sie nicht so weit zu rudern brauchte. Sie war tapfer wie ein Heerfuhrer, aber einen schwachen Punkt hatte sie. Sie hatte Angst vor Gewitter, wenn es ihr auch schwerfiel, das zuzugeben. Und kaum hatte sie angefangen zu rudern, da horten sie schon das erste schwache Grollen.