Das hei?t, Pelle horte es wohl kaum. Er sa? auf der Achterducht und hielt die Kiste auf den Knien und guckte durch die Latten zu seinem Kaninchen hinein. Seinem eigenen Kaninchen. Es mu?ten kraftige Donnerschlage sein, um Pelle zu wecken.

Es kam ein ordentlicher Knall, der Pelle dazu brachte, aufzuschauen. Er sah Tjorven mit einer Miene dasitzen, als wollte sie anfangen zu weinen, und er fragte verwundert: »Hast du Angst vor Gewitter?«

Tjorven wand sich.

»Nee, gar nicht – nur manchmal – nur wenn's da ist.«

»Ach was, das ist doch nicht weiter gefahrlich«, sagte Pelle und fuhlte mit Stolz, da? er ausnahmsweise einmal mutiger war als Tjorven. Allerdings sa? er nicht gern eine ganze Nacht in der Kuche und horchte auf den Donner, aber er furchtete sich nicht davor, obgleich es sonst ziemlich viel gab, vor dem er sich furchtete.

»Teddy meint auch, das Donnern ist nicht gefahrlich«, sagte Tjorven. »Aber wenn das Donnern losgeht, dann hore ich, wie es sagt: ›Klar bin ich gefahrlich!‹, und dann glaube ich dem Donnern mehr als Teddy.«

Sie hatte kaum ausgesprochen, da krachte es von neuem, und das klang wirklich gefahrlich. Tjorven schrie auf und schlug die Hande vors Gesicht.

»Oh, die Riemen«, rief Pelle. »Guck mal, die Riemen!«

Und das tat Tjorven. Sie schaute nach den Riemen, die schwammen beide ganz still auf dem Wasser und waren schon mehrere Meter vom Kahn entfernt.

Tjorven hatte schon oft Riemen verloren, das machte ihr keine Angst. Aber jetzt war Gewitter. Da wollte sie nicht in einem Kahn auf dem Wasser sitzen und nicht an Land kommen konnen. Daher schrie sie nach Rulle, und Pelle half ihr. Sie konnten ihn noch immer sehen. Er war auf dem Weg den Abhang hinauf zu seinen Kaninchenstallen, drehte sich aber nicht um, als sie nach ihm riefen.

»Du horst wohl schlecht?« schrie Tjorven, und so verhielt es sich zweifellos. Bald konnten sie ihn nicht mehr sehen.

Der Kahn trieb sanft mit Stromung und Wellen. Pelle uberlegte erschrocken, ob man das hier wohl Schiffbruch nannte und ob er wirklich sterben musse, jetzt, wo er ein Kaninchen bekommen hatte.

»Nicht, wenn du im Kahn bleibst, bis wir auf Knorken angetrieben sind«, sagte Tjorven.

Um Storholmen und Lillasken liegen die Holme so dicht wie die Rosinen in einem Rosinenkuchen. Einer davon ist Knorken, und jedermann konnte erkennen, da? hier nichts aus einem Schiffbruch wurde, denn der Kahn hatte zweifellos beschlossen, gerade dorthin zu treiben. Auch in eine passende kleine Bucht. Tjorven steuerte ihn dorthin, indem sie mit der Schopfkelle platschte.

Sie kamen gerade so weit, den Kahn aufs Ufer zu ziehen, da sahen sie den Regen von Storholmen heruberkommen. Er stand wie eine Wand uber dem bleigrauen Wasser, und er kam schnell naher. In wenigen Sekunden wurde er uber ihnen sein wie die Sintflut.

»Lauf«, sagte Tjorven und lief selbst voraus, auf die schutzenden Baume hinter den Uferfelsen zu. Pelle sturzte hinterher, so schnell er mit seiner Kaninchenkiste im Arm konnte, wahrend Bootsmann ihn in die Kniekehlen puffte, um nachzuhelfen.

Da stie? Tjorven ein Geheul aus. Ein Freudengeheul.

»Die Hutte!« rief sie. »Wir haben die Hutte gefunden!«

Und wahrhaftig, das hatten sie. Hier lag sie, diese gesegnete Hutte, von der sie den ganzen Sommer hatten erzahlen horen. Eine schonere Hutte konnte man wohl auf keiner Insel im ganzen Scharengebiet finden. Sie lag unter uppigen Fichten versteckt, sie war fast wie ein richtiges Haus gebaut, mit Moos abgedichtet, und das Dach bestand aus Brettern und Moos. In der Tat, so mu?te eine Hutte aussehen! Und sie hatten sie in keinem besseren Augenblick finden konnen. Denn jetzt brach eine Sintflut uber Knorken herein. Sie sa?en in der Hutte und schauten zwischen den Fichten zu, wie irrsinnig der Regen das Wasser und die Uferfelsen peitschte.

»Und hier sitzen wir und bleiben trocken«, sagte Tjorven zufrieden. »Ich werde mich aber bei Teddy und Freddy bedanken, wenn ich nach Hause komme.«

»Wir kommen nie nach Hause«, sagte Pelle, und so seltsam es war, er fuhlte keine Angst, als er das sagte. Denn in dieser Hutte zu sitzen bei prasselndem Regen, das war sogar schoner, als im Bootshaus zu sitzen. Au?erdem hatte er ein Kaninchen, das half gegen alles. Er offnete die Kiste und streichelte sein Kaninchen.

»Du hast doch nicht etwa Angst«, sagte er. »Das brauchst du nicht, ich bin ja bei dir.«

Tjorven sa? da und strahlte vor Zufriedenheit. Das wurde einen Spa? geben, wenn sie nach Hause kam und mit Teddy und Freddy uber geheime Hutten redete, darauf freute sie sich wirklich. Und sie hatte uberhaupt keine Angst, da? sie etwa bis an ihr Lebensende auf Knorken bleiben mu?ten. Sie hatte jetzt uberhaupt keine Angst mehr, denn das Gewitter hatte aufgehort, und bald horte es auch auf zu regnen. In dieser Hutte konnte man spielen, dachte Tjorven bei sich. Da? man in Seenot geraten und auf eine wuste Insel verschlagen worden war wie Robinson, von dem hatte Freddy erzahlt. Und der hatte sicher so eine Hutte gehabt. Pelle konnte Freitag sein. Wer Robinson war, daruber brauchte man nicht lange nachzudenken. Aber sie wollte ein Robinson sein mit einem gewohnlichen, gemutlichen kleinen Haushalt, ein Robinson, der zum Nachtisch Walderdbeeren a?. Sie sah sie drau?en dicht an dicht im Gras wachsen. Ware nun Freitag vernunftig, dann konnte er Teddys alte Angelrute nehmen, die vor der Hutte stand, und zum Wasser hinuntergehen und ein paar Barsche angeln. »Wenn man namlich in Seenot ist, mu? man immerzu essen«, sagte Tjorven.

Aber Pelle sagte, er wolle lieber verhungern, als heute oder wann immer Wurmer zu qualen.

»Dann gibt's eben nur Walderdbeeren«, sagte Tjorven und stapfte in das nasse Gras hinein.

Pelle nahm sein Kaninchen mit und ging zum Wasser hinunter. Nicht um Barsche zu angeln, sondern weil er versuchen wollte, aus der Seenot herauszukommen. Er hatte eine alte Zeitung in der Hutte gefunden. Wenn man sich am Ufer aufstellte und damit winkte, dann sah es vielleicht jemand auf Storholmen, Onkel Jansson oder Knutte oder sonst jemand.

Pelle winkte, bis ihm die Arme weh taten, aber es nutzte nichts. Er war noch ebensosehr in Seenot wie vorher, und druben auf Storholmen war niemand zu sehen.

Jetzt war sicherlich mehr als eine Stunde vergangen, und Onkel Jansson hatte wohl seine Kuhfahre genommen und war wieder nach Saltkrokan heimgefahren. Sicher war er argerlich, und die zu Hause waren auch bose, wenn sie erfuhren, da? Tjorven und Pelle ohne Erlaubnis aufs Wasser hinausgerudert und abhanden gekommen waren.

Es war schlimm, daran zu denken. Aber Pelle hatte ein Kaninchen, das half beinahe uber alles hinweg.

Das Wasser krauselte sich, blau und glitzernd, jetzt schien wieder die Sonne. Pelle sa? auf einem Stein am Ufer mit dem Kaninchen im Arm. Da fiel ihm ein, da? er es taufen mu?te.

»Du kannst nicht einfach nur ›mein Kaninchen‹ hei?en, du mu?t einen richtigen Namen haben, das ist dir wohl klar.«

Er dachte lange nach, dann tauchte er die Hand ins Wasser und taufte das Kaninchen.

»Du sollst Jocke hei?en, Jocke Melcherson, da? du's wei?t.«

Es war noch feiner, wenn man ein Kaninchen besa?, das einen Namen hatte. Jetzt war es kein beliebiges puscheliges Kaninchen, sondern ein ganz besonderes, das Jocke hie?. Pelle probierte aus, wie es klang. »Jocke! Mein Jockelchen!«

Aber da rief Robinson nach Freitag, und der kam gehorsam. Robinson hatte Hasenklee in einem Einmachglas auf die Zuckerkiste gestellt, die als Tisch in der Hutte diente, und rote Walderdbeeren auf grunen Blattern gedeckt, denn dieser Robinson war von hauslicher Art und einer, der alle Walderdbeeren gerecht mit seinem Sklaven teilte.

Als sie gegessen hatten, sagte Tjorven: »Das war mal gut! Aber ich glaube, jetzt fahren wir nach Hause.«

Pelle wurde fast argerlich. Weshalb sagte Tjorven solche Dummheiten, wo sie doch wu?te, da? sie hier nicht wegkommen konnten? »Naturlich konnen wir hier wegkommen«, sagte Tjorven. »Ich kann den Motor anlassen. Komm, Bootsmann!«

Es gab nirgendwo auf der Welt einen Hund wie Bootsmann, das wu?te Pelle. Er war ja den ganzen Sommer mit ihm zusammengewesen, hatte jeden Tag mit ihm gespielt, ihn verehrt und bewundert wegen all der merkwurdigen Dinge, die er konnte. Bootsmann konnte Versteck spielen und auf dem Schaukelbrett schaukeln, er konnte Sachen finden und Sachen holen. Einmal holte er sogar Stina aus dem Wasser, als sie hineingefallen war.

Aber noch merkwurdiger als alles andere war das, was er jetzt tat, fand Pelle. Oh, wenn doch Papa und Malin hier waren und es sehen konnten! Wenn sie doch sehen konnten, wie Bootsmann schwimmend den Kahn

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