Weihnachtsmann, oder gibt es ihn nicht?«, da wu?te er, da? ihrem Heiligabend aller Glanz genommen wurde, wenn er genauso geradeheraus antwortete: »Nein, es gibt keinen!« Darum zeigte er ihr den alten Holznapf, den seine Gro?mutter besessen hatte und den sie jeden Heiligabend mit Grutze gefullt und fur den Weihnachtsmann an die Hausecke gestellt hatte.

»Was meinst du, wenn wir das auch versuchten?« fragte Nisse. »Sollen wir deine Grutze hier in den Napf tun und sie dem Weihnachtsmann hinstellen?«

Tjorvens Miene hellte sich auf, als hatte man ein Weihnachtslicht in ihr angezundet. Naturlich gab es Wichtel, wenn Papas Gro?mutter daran geglaubt hatte! Und wie schon war es, da? es sie gab und da? sie am Weihnachtsabend drau?en um die Hausecke geschlichen kamen! Es war auch gut, da? sie gern Grutze a?en, dann brauchte man sie nicht selber zu essen. Alles war jetzt gut, und das wollte sie Pelle erzahlen.

Sie traf ihn erst, als es schon dunkel war. Da standen sie allesamt auf dem vereisten Bootssteg des Schreinerhauses und sahen zu, wie der Schlitten des Weihnachtsmannes drau?en auf dem Eis im Schneetreiben angesaust kam. Der Weihnachtsmann hatte einen Kienspan, mit dem er sich leuchtete, und war so richtig, wie er nur sein konnte. Er hatte Janssons Pferd und Schlitten, das sah Tjorven, aber der Weihnachtsmann mu?te sich ein Pferd leihen, wenn er so viele Weihnachtsgeschenke bringen mu?te.

Selbst Pelle war verstummt. Seine Augen wurden immer gro?er, und er drangte sich dicht an seinen Vater. Der Weihnachtsmann warf zwei Sacke mit Weihnachtsgeschenken auf den Steg, einen fur Melchersons und einen fur Grankvists. Es ging genauso schnell, wie wenn die Manner von einem Scharendampfer Waren an Land warfen, und dann verschwand der Schlitten in der Dunkelheit.

Und Pelle stand da und dachte daruber nach, wie das eigentlich mit dem Weihnachtsmann zusammenhing. Da sah er Johann lachen und Niklas ein bi?chen zublinzeln, und er wurde fast bose. Dachten sie wirklich, er ware ein kleines Kind, dem man sonstwas auf die Nase binden konnte? Aber es mochte mit dem Weihnachtsmann nun sein, wie es wollte, es machte auf alle Falle Spa?, es war ganz wunderbar, im Dunkeln hier zu stehen und Schlittengelaut zu horen und den Fackelschein drau?en auf dem Fjord verschwinden zu sehen. Und dazu noch einen ganzen Sack voller Weihnachtsgeschenke zu bekommen.

Es war uberhaupt wunderbar, in diesen Wintertagen auf Saltkrokan Pelle zu sein. Malin sah, wie er vor Gluck strahlte. Als sie eines Abends allein in der Kuche waren, fragte sie ihn, was ihm denn soviel Freude mache. Pelle kauerte sich auf dem Kuchensofa zusammen und uberlegte ein Weilchen. Dann erzahlte er Malin, was soviel Freude mache.

»Zum Beispiel …« sagte er.

Morgens hinausgehen, wenn frischer Schnee gefallen war, und den Weg zum Brunnen und zum Holzstall mit freischaufeln zu helfen. Die verschiedenen Spuren der Vogel im Schnee zu sehen. Weihnachtsgarben fur alle Sperlinge und Dompfaffen und Kohlmeisen in die Apfelbaume zu hangen. Einen Tannenbaum zu haben, den man selbst im Wald zusammen mit den anderen geholt hat. In der Dammerung zum Schreinerhaus zuruckkommen, wenn man Ski gelaufen war, und sich im Flur den Schnee von den Schuhen zu stampfen und hineinzukommen und zu sehen, wie das Feuer im Kuchenherd brannte und wie fein die Kuche war mit allen Kerzen. Morgens, wenn es noch dunkel war, aufzuwachen, weil Papa den Kachelofen heizte. Im Bett liegenzubleiben und zuzusehen, wie es hinter der Ofentur flackerte. Abends uber den Hausboden zu gehen und sich ein bi?chen im Dunkeln zu furchten, aber nur ein bi?chen! Mit dem Schlitten auf dem Eis zu fahren ganz bis an die Dampferrinne heran und sich dann auch ein bi?chen zu furchten! In der Kuche zu sitzen und sich mit Malin zu unterhalten so wie jetzt gerade und Zimtwecken zu essen und Milch zu trinken und sich uberhaupt nicht zu furchten. Ja, und dann im Kalberstand in Janssons Stall zu sitzen und mit Jocke zu reden, das war fast das allerschonste.

»Aber hast du schon gehort, da? der Fuchs heute nacht bei Jansson wieder ein Huhn gestohlen hat?« fragte Malin.

Vor diesem Fuchs hatte Pelle Angst. Zwei Abende hintereinander hatte er bei Jansson Huhner gestohlen, und einer, der Huhner stahl, der konnte auch Kaninchen stehlen. Das war ein entsetzlicher Gedanke. Uberall schlich der Fuchs herum. Er hatte naturlich auch Tjorvens Weihnachtsgrutze aufgegessen, obwohl sie glaubte, es sei der Weihnachtsmann gewesen. Pelle fragte, was Malin wohl glaube.

»Vielleicht der Fuchs und vielleicht der Weihnachtsmann«, sagte Malin. Pelle lag an diesem Abend lange wach und hatte Angst um sein Kaninchen. Jocke hatte allerdings in einem Kalberstand seinen Platz, aber Fuchse waren so schlau – wer konnte wissen, was sie alles anstellten, wenn sie hungrig waren und zu Huhnern und Kaninchen hineinwollten? Fuchse sollte man totschie?en, dachte Pelle. So blutrunstig war er sonst nie, aber jetzt lag er da im Bett und sah es vor sich, wie der Fuchs seinen Bau hinten im Kuhwaldchen verlie? und durch den Schnee auf Janssons Stall zuschlich. Pelle geriet in Schwei? hier in seinem Bett, und er schlief die ganze Nacht unruhig.

Am nachsten Morgen begegnete er zufallig Bjorn, der mit einem frischgeschossenen Hasen aus dem Wald kam. Pelle machte die Augen zu, um nicht hinsehen zu mussen, der arme kleine Hase!

Weshalb scho? Bjorn nicht lieber diesen dummen Fuchs? Onkel Jansson wurde sich bestimmt freuen, wenn er es tate. Das meinte Bjorn auch, als er von dem Fuchs erfuhr.

»Diesen Fuchsrupel, den sollten wir doch schnappen konnen. Gru? Jansson schon und sag ihm, ich wurde es heute nacht versuchen.«

»Um welche Zeit sollen wir kommen?« fragte Pelle eifrig.

»Wir?« sagte Bjorn. »Du kommst uberhaupt nicht. Du wirst in deinem Bett liegen und schlafen.«

»Ich denke nicht daran«, sagte Pelle.

Er sagte es nicht zu Bjorn, sondern eine Weile spater zu Jocke, denn das feine an Jocke war, da? er mit keinerlei Einwanden kam.

»Hab keine Angst, wenn du es heute nacht knallen horst«, sagte Pelle. »Ich bin bei dir, darauf kannst du dich verlassen.«

Und das war er auch. Aber wie nah war es daran gewesen, da? er sein Versprechen an Jocke hatte brechen mussen! Er mu?te daliegen und mit den Augen zwinkern, um sich wachzuhalten, bis Johann und Niklas eingeschlafen waren. Und er mu?te schleichen, um durch die Kuche nach drau?en zu gelangen, wahrend Papa und Malin im Wohnzimmer vor dem Kaminfeuer sa?en und die Tur zur Kuche offenstand. Es war ein Wunder, da? sie ihn nicht horten.

Und dann – in die Nacht hinauszukommen und im Mondschein auf verschneiten Wegen ganz allein dahinzurennen. Zu einem finsteren Stall zu kommen, der gar nicht so gemutlich war wie sonst. Hineinzuschlupfen und Angst zu haben, da? Bjorn es merken konnte, ja, ziemlich gro?e Angst zu haben und sich bis zu Jocke hinzutasten. »Ach Jockelchen, da siehst du, ich bin doch gekommen!«

Ein Stall bei Nacht ist ein seltsamer Ort. Es ist still, die Kuhe schlafen, aber man hort Gerausche. Hin und wieder klirrt eine Kette, wenn eine Kuh sich ein wenig bewegt. Hin und wieder gackert eine Henne erschrocken auf, als ob sie vom Fuchs traumte. Hin und wieder hort man Bjorn an seinem Gewehr herumfingern und druben an seiner Luke leise pfeifen. Der Mond scheint durchs Fenster, auf dem Fu?boden bildet sich ein Weg aus Mondlicht, und dort kommt die Stallkatze angeschlichen. Aber gleich ist sie wieder vom Dunkel verschluckt, man sieht nur ihre gelben Augen funkeln. Ihr armen Stallmause alle, die ihr heute nacht unterwegs seid! Und armer Jocke, wenn Pelle nicht hier ware und ihn vor dem Fuchs beschutzte. Er druckt Jocke fest an sich und fuhlt mit Genu?, wie weich und warm er ist. Pelle fragt sich, wie lange es wohl noch dauert. Vielleicht verla?t der Fuchs jetzt, gerade jetzt, seinen Bau und schleicht durch den Schnee auf Janssons Stall zu?

Jedenfalls kommt Melcher jetzt, gerade jetzt, herauf, um seine Jungen fest zuzudecken. Er findet in Pelles Bett keinen Pelle, sondern einen Zettel mit einer Botschaft, in gro?en Blockbuchstaben geschrieben:

ICH BIN WEK UND SCHIESE FUCKSE FUR JANSON.

Melcher nimmt den Zettel mit zu Malin hinunter.

»Was meinst du dazu? Darf Pelle mitten in der Nacht ›wek‹ sein und ›fur Janson Fuckse schiesen‹?«

»Nein, wahrhaftig nicht«, versichert Malin mit Nachdruck.

Man wird mude, wenn man in einem Kalberstand sitzt mit einem warmen Kaninchen im Arm. Pelle ist nahe daran einzuschlafen, aber plotzlich zuckt er zusammen. Er hort, wie Bjorn sein Gewehr entsichert, er sieht ihn im Mondlicht druben am Stallfenster, sieht, wie er das Gewehr hebt und anlegt. Jetzt … jetzt kommt der Fuchs dort drau?en uber die Lichtung, und nun soll er sterben, sein Leben ist zu Ende, er wird nie wieder zu seinem Bau im Kuhwaldchen zuruckkehren – und Pelle ist es, der das veranla?t hat.

Mit einem Schrei la?t Pelle das Kaninchen los und sturzt auf Bjorn zu. »Nein, nein, nicht schie?en!«

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