Hunger hat!«

Aber Jocke war jedenfalls ein friedliches Tier, das nur Lowenzahnblatter und Wasser brauchte, um sich wohl zu fuhlen. Er schrie nicht, wenn man ihn allein lie?. Er kroch nicht uberall herum und zerrte Tischtucher herunter oder holte Kochtopfe heraus oder zerri? Papas Zeitungen. Das alles tat Moses, derselbe Moses, der tagsuber in seinem Teich sein sollte und nachts im Bootsschuppen. Moses wollte weder im Teich sein noch im Bootsschuppen. Er folgte Tjorven uberall auf den Fersen, wo sie ging. War sie denn nicht seine Mama? War sie es nicht, die ihm die kostliche Flasche gab mit warmer Milch und Ol darin? Dann durfte er wohl auch bei ihr sein. Er schrie und protestierte, wenn Tjorven ihn abends im Bootsschuppen einsperrte, und als er einmal noch lauter tobte als sonst, nahm sie ihn einfach mit in ihr Zimmer – Mama war bei Frau Jansson zum Handarbeitskranzchen, sie konnte es also nicht verbieten.

Bootsmanns Schlafplatz war auf einem Stuck Bettvorleger neben Tjorvens Bett. Hier hatte er, seit er ein Welpe gewesen war, jede Nacht gelegen. Als jetzt aber Moses kam und auf dem Fu?boden herumzukrabbeln begann, sagte Tjorven:

»Bootsmann, du mu?t heute bei Teddy und Freddy schlafen.«

Es dauerte ein Weilchen, bis Bootsmann begriff, was sie meinte. Erst als sie ihn beim Halsband nahm und aus dem Zimmer fuhrte, verstand er es. »Es ist ja nur fur diese eine Nacht, verstehst du«, sagte Tjorven.

Aber als Moses gemerkt hatte, wie gemutlich es war, in Tjorvens Zimmer zu schlafen, wollte er sich nicht mehr mit einem alten Bootsschuppen begnugen.

Am nachsten Abend, als Tjorven ihn einsperren wollte, schrie er so laut, da? er uber ganz Saltkrokan zu horen war.

»Die Leute mussen ja denken, wir qualen ihn zu Tode«, sagte Teddy. »Es wird das beste sein, wenn er drinnen bei Tjorven schlaft.«

Marta zogerte ein bi?chen, aber sie gab nach. Es war schwierig, einem kleinen Seehund zu widerstehen, der so anhanglich war und einen mit seinen klugen, schonen Augen ansah, als verstunde er alles.

An diesem Abend ging Bootsmann unaufgefordert zu Freddy und Teddy hinein und legte sich hier zum Schlafen hin. Und das tat er auch weiterhin. Er horte auf, Tjorven auf den Fersen zu folgen, wohin sie auch ging. Vielleicht furchtete er, Moses zu treten. Von nun an lag er fast den ganzen Tag neben der Treppe zum Kaufmannsladen. Mit dem Kopf zwischen den Pfoten lag er hier, als ob er schliefe, und schaute nur jedesmal hoch, wenn jemand in den Laden wollte.

»Mein lieber Nodelhund, du bist aber richtig nodelig geworden«, sagte Tjorven und streichelte ihn. Dann aber mu?te sie laufen und fur Jocke Lowenzahnblatter rupfen und fur Moses Milch warm machen. Es machte viel Muhe, Tierpfleger zu sein, wenn Stina ihr auch manchmal half.

»Du hast immerhin nur Kalle Hupfanland«, sagte Tjorven. »Aber ich hab zwei Tiere zu versorgen – und dann Bootsmann naturlich.«

Stina fand es keineswegs schon, da? sie nur Kalle Hupfanland hatte. Den konnte man nicht mit der Flasche futtern, wie Tjorven es mit Moses tat, die gluckliche Tjorven! Stina half ihr, fur Jocke Lowenzahnblatter abzurupfen, und hoffte immer wieder inbrunstig auf die Belohnung, nach der sie sich so sehnte: Moses die Flasche geben zu durfen. Aber Tjorven war nicht zu erweichen. Moses wollte sie selber futtern. Sonst fuhlte er sich nicht wohl, behauptete sie. Stina durfte dabeisitzen und zugucken, wenn es ihr auch in den Fingern juckte, Tjorven die Flasche zu entrei?en, einerlei, ob Moses sich dann wohl fuhlte oder nicht.

Aber auch fur Stina kamen bessere Zeiten. Ihr Gro?vater hielt sich Schafe, nur zwei, die er gegen ein kleines Entgelt auf Vestermans Weide laufen lassen durfte. Die bekamen um diese Jahreszeit ihre Lammer, und Stina begleitete ihren Gro?vater jeden Tag zur Weide, um nachzusehen, ob die jungen Lammer zur Welt gekommen waren.

»Mulle, Mulle, Mulle«, schrie Soderman, »kommt her, la?t euch zahlen, ob ich etwas reicher geworden bin.«

Eines seiner Mutterschafe tat wirklich, was es konnte, um seinen Reichtum zu mehren. Eines Tages bekam es nicht weniger als drei Lammer in dem kleinen Unterstand, den Soderman als Schutz fur seine Schafe zusammengezimmert hatte.

»Fur so viele hat sie nicht Milch genug«, sagte Soderman. »Eines davon kommt dabei zu kurz.«

Soderman sollte recht behalten. Mehrere Tage lang ging er mit Stina hin, und er sah, wie das kleinste von den Lammern abmagerte, weil es nicht Kraft genug hatte, sich mit den beiden anderen um die Milch zu balgen. Und schlie?lich sagte Soderman: »Wir mussen es mit der Flasche versuchen.«

Stina zuckte zusammen. Manchmal geschah wirklich das ganz Unerwartete und Wunderbare. Sie zog ihren Gro?vater in einer Eile mit zum Kaufmann, die Soderman ubertrieben fand. Das Lamm war schlie?lich noch nicht dem Tode nahe. Aber auf Stinas Anweisung kaufte er eine Nuckelflasche genau wie die, die Tjorven fur Moses hatte, und Stina lachelte erwartungsvoll.

Jetzt sollte Tjorven es aber so grundlich kriegen, da? ihr die Sprache wegblieb!

Tjorven futterte gerade Moses, als Stina mit einer vollen Nuckelflasche in der Hand angelaufen kam.

»Was fallt dir ein!« sagte Tjorven.

Moses hatte noch eine zweite Flasche, die er bekam, wenn er besonders hungrig war, und Tjorven meinte, es sei diese, die Stina sich unterstanden hatte zu holen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, wie es sich gehorte.

»Moses ist satt«, sagte Tjorven. »Der kriegt nichts mehr.«

»Was geht mich das an?« sagte Stina. »Ich hab den Kopf mit anderen Sachen voll.«

Tjorven hob erstaunt die Augenbrauen. »Mit was denn zum Beispiel?«

»Ich mu? Totti futtern«, sagte Stina wichtigtuerisch.

Tjorven schwieg und dachte nach.

»Wer ist denn Totti?« fragte sie schlie?lich.

Und sobald sie es erfahren hatte, da rannte sie mit Stina auf Vestermans Weide und half ihr eifrig, das Lamm zu futtern. Stina durfte immerhin noch die Flasche festhalten.

Totti war bald ebenso zahm wie Moses, und Stina brachte ihm mehrmals am Tag Milch. Manchmal lie? sie ihn aus der Weide hinaus und nahm ihn mit auf einen kleinen Spaziergang. Er rannte genauso anhanglich hinter ihr her wie Moses hinter Tjorven.

»Das ist wirklich ein Anblick«, sagte Nisse Grankvist, als er auf seine Treppe hinaustrat und sah, wie Tjorven und Stina mit Moses und Totti anspaziert kamen. Dann buckte er sich und streichelte Bootsmann. »Und wie geht's dir? Liegst du da und bist traurig, weil du nicht mitspielen darfst?«

Aber Stina und Tjorven setzten sich auf die Treppe und futterten ihre Tiere und verglichen sie miteinander, welches am niedlichsten sei.

»Ein Seehund ist nun mal ein Seehund«, sagte Tjorven, und das konnte Stina nicht abstreiten.

»Aber ein Lammchen ist trotzdem niedlicher«, sagte Stina, und dann sagte sie: »Ich glaube, Totti und Moses, das sind beides zwei verwunschene Prinzen.«

»Tsss«, machte Tjorven. »Blo? Frosche sind verwunschen, das hab ich doch schon mal gesagt.«

»Ja, das denkst du«, sagte Stina.

Sie sa? schweigend da und uberlegte. Vielleicht war es einem gewohnlichen Schaf auf Vestermans Weide nicht moglich, einen verwunschenen Prinzen zustande zu bringen, aber Moses war in einem Fischernetz gefunden worden, das war genau wie im Marchen.

»Ich glaube trotzdem«, sagte Stina, »da? Moses der kleine Junge vom Meerkonig ist, den eine bose Fee verzaubert hat.«

»Nee, er ist mein kleiner Junge«, sagte Tjorven und umarmte Moses. Bootsmann hob den Kopf und sah sie an. Und wenn es wirklich stimmte, da? er denken konnte wie ein Mensch, dann dachte er vielleicht genau wie Pelle: Zum Kuckuck mit allen verwunschenen Prinzen!

Will Malin wirklich keinen Brautikamm haben?

Jetzt bluhen alle unsere Apfelbaume wieder, schrieb Malin ins Tagebuch. In unvergleichlicher Schonheit stehen sie um unser Haus herum und lassen ein wenig von ihrem Blutenschnee sacht auf den Pfad rieseln, der zu

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