hinuberfahren. Andauernd mu? man hin, denn dort ist der Kaufmann. Und wenn man jedesmal einen kleinen braunen Hundewelpen mitbringt, dann braucht man nur am Steg anzulegen, und schon kommt Pelle Melcherson angerannt, um mit ihm zu spielen. Und wenn Pelle Melcherson mit einem jungen Hund spielt, dann antwortet er brav auf alle Fragen und merkt nicht einmal, was er selbst sagt.
»Wo hast du denn heute Malin gelassen?« kann man zum Beispiel fragen.
»Die sitzt zu Haus auf der Treppe und macht Stromlinge sauber«, sagt Pelle Melcherson.
Oder: »Sie ist an der Landzunge und badet mit Teddy und Freddy.«
Oder: »Ich glaube, sie ist beim Kaufmann.«
Und wenn man erfahren hat, was man wissen will, dann la?t man seinen Welpen in Pelle Melchersons Obhut und flitzt los und sto?t ganz zufallig auf Malin und wird jedesmal ein wenig naher mit ihr bekannt. Und ein wenig verliebter. Noch verliebter? Als ob das moglich ware! Als ob es nicht schon gleich beim ersten Mal gefunkt hatte, als man sie dort auf dem Anlegesteg stehen sah. Die oder keine!
An einem Mittwoch im Juni, einem ewig denkwurdigen Mittwoch, fand Petter Malin beim Kaufmann. Und nicht nur sie. Er fand dort auch einen Seehund. Tatsachlich, dort watschelte ein junger Seehund im Laden herum und spielte mit zwei kleinen Madchen. Es war also keine Aufschneiderei gewesen, als Pelle Melcherson behauptet hatte, es gabe einen zahmen Seehund auf der Insel. Der Laden war voller Menschen, und Moses hatte seinen Spa?. Er bi? in samtliche Hosenbeine, an die er herankonnte, vor allem in Tjorvens, und sie wehrte ihn lachend ab:
»Nicht, Moses, la? das, sonst erlaubt Mama nicht, da? du frei herumlaufst.«
»Ist es dein Seehund?« fragte Petter mit einem Lacheln.
»Ja, klar«, sagte Tjorven.
»Du wurdest ihn wohl nicht verkaufen, was?«
»Nie im Leben«, sagte Tjorven. »Wofur willst du denn einen Seehund haben?«
»Ich nicht«, sagte Petter, »sondern mein Institut.«
Insti … Prinzen benutzen wirklich verzwickte Worter!
»Ein zoologisches Institut, wo ich arbeite«, erklarte der Prinz, ohne da? Tjorven deswegen kluger geworden ware.
»Arbeiten!« sagte sie hinterher zu Stina. »Da hat er aber gelogen, da? sich die Balken biegen. Prinzen arbeiten nirgendwo. Aber er will wohl, da? Malin denken soll, er ist ein gewohnlicher Mann.«
Petter streichelte Moses.
»Er ist ein guter Spielkamerad, sehe ich«, sagte er.
Er spielte selbst mit Moses, bis er gehen mu?te, was seltsamerweise genau in dem Augenblick der Fall war, als Malin ihre Einkaufe erledigt hatte.
»Ich trag dir gern deinen Korb nach Haus, auch wenn du mich nicht zum Tee oder dergleichen einladst«, sagte er zu Malin.
»Ich lade dich zum Tee ein«, sagte Malin, »gutmutig, wie ich bin. Komm nur mit!«
Aber in diesem Augenblick kam Vesterman aus dem Laden und rief hinter Petter her: »Hallo, der Herr! Konnte ich Sie mal eben sprechen?« Petter drehte sich um, als er die grobe, etwas dreiste Stimme horte, und erblickte einen grobschlachtigen, untersetzten Menschen mit etwas wildem Aussehen.
»Was wollen Sie von mir?« fragte Petter erstaunt.
Vesterman zog ihn au?er Horweite von Malin. »Na ja, sehen Sie, ich hab gerade da drinnen im Laden gehort, da? Sie den Seehund kaufen wollen«, sagte Vesterman so liebenswurdig, wie es einem wilden Kerl wie ihm moglich war. »Und wenn ich die Wahrheit sagen soll, so ist es eigentlich mein Seehund. Ich hab ihn druben auf der Schare gefunden. Wieviel konnte man wohl dafur kriegen?«
Er trat ganz dicht an Petter heran und starrte ihm gespannt ins Gesicht. Petter wich etwas zuruck. Er wollte nicht gerade jetzt Seehundsgeschafte machen. Das einzige, woran ihm lag, das war, wieder zu Malin zuruckzukommen, und er sagte hastig:
»Tja, einige hundert vielleicht – aber den Preis bestimme nicht ich. Und im ubrigen mochte ich vorher gern wissen, wem der Seehund wirklich gehort.«
»Ja, horen Sie, es ist meiner«, rief Vesterman hinter ihm her. »Es ist meiner.«
Und genau dasselbe sagte er auch zu Tjorven, als sie und Stina gleich darauf mit Moses aus dem Laden herauskamen.
»Du, hor mal, jetzt will ich meinen Seehund wiederhaben«, sagte Vesterman.
Tjorven starrte ihn an, ohne etwas zu begreifen.
»Deinen Seehund, was meinst du damit?«
Vesterman sah leicht gekrankt aus und spuckte auf den Weg, um zu zeigen, da? er kaltblutig war.
»Ich meine, was ich sage. Du hast ihn lange genug gehabt, aber es ist mein Seehund, und jetzt will ich ihn verkaufen.«
»Moses verkaufen? Bist du verruckt?« schrie Tjorven.
Aber Vesterman erklarte ihr die Sache naher. Hatte er vielleicht nicht gesagt, sie konne den Seehund behalten, bis er gro? sei, da? man einigen Nutzen von ihm haben konne?
»Zum Kuckuck mit deiner Lugerei!« rief Tjorven. »Du hast gesagt, ich konnte ihn ganz fur mich behalten. Das hast du gesagt!«
Wahrscheinlich schamte sich Vesterman irgendwo in seiner gierigen Seele und wurde daher noch ruppiger. Er brauche Tjorven nicht um Erlaubnis zu fragen, sagte er, wenn er seinen eigenen Seehund verkaufen wolle, und verkauft werden solle er, das stehe fest. Denn er, Vesterman, brauche dringend Geld, und wenn Tjorven keine Vernunft annehmen wolle, so wurde er zu ihrem Vater gehen und mit dem reden.
»Das tue ich schon selber, wahrhaftig!« schrie Tjorven und weinte vor Zorn.
»Du Dummer«, sagte Stina und stie? mit ihrem kleinen Fu? nach Vesterman, und da ging er.
»Warte nur, bis ich mit Nisse geredet habe«, sagte er.
Tjorven stand da, keuchend vor Wut.
»Nie im Leben!« brullte sie. »Nie im Leben kriegst du Moses!«
Dann rannte sie los. »Komm, Stina, wir mussen Pelle suchen.«
Mit den Eltern konnte sie im Augenblick nicht sprechen, weil der Laden voller Leute war, aber in der Stunde der Not konnte man zu Pelle seine Zuflucht nehmen, das wu?te Tjorven, und der mu?te erfahren, was Schreckliches bevorstand.
Pelle schuttelte betrubt den Kopf, als er die grausige Neuigkeit vernommen hatte. »Es nutzt nichts, da? du mit deinem Papa sprichst«, sagte er. »Du kannst ja nicht beweisen, da? Vesterman dir versprochen hat, du durftest Moses ganz fur dich behalten, und dann wei? Onkel Nisse nicht, was er machen soll.«
Stina pflichtete ihm bei. »Nee, dann mu? er zu Tante Marta gehen und die fragen.«
Aber Pelle schuttelte wieder den Kopf. Es gebe nur einen Ausweg, sagte er, und das sei, Moses irgendwo zu verstecken, wo Vesterman ihn nicht finden konne.
»Wo denn zum Beispiel?« fragte Tjorven.
Pelle grubelte ein Weilchen nach, und plotzlich wu?te er es.
»In der Toten Bucht«, sagte er.
Tjorven sah ihn voller Bewunderung an.
»Pelle, wei?t du was«, sagte sie, »du hast bessere Einfalle als irgend jemand sonst.«
Pelle hatte recht, naturlich hatte er recht. Mama und Papa sollten nicht in diese Sache hineingezogen werden. Wenn Vesterman dann zu ihnen ging und nach Moses fragte, dann konnten sie wahrheitsgema? antworten: »Wir wissen nicht, wo er ist. Sieh du nur selber zu, wo du ihn findest.«
Und das wurde Vesterman schwerfallen, oje, wie schwer ihm das fallen wurde.
Fruher, vor Hunderten von Jahren, lag das Dorf auf Saltkrokan nicht an seinem jetzigen Platz, sondern an einer Bucht auf der Westseite der Insel. Aber einmal in einem Krieg kamen fremde Soldaten und brannten das ganze Dorf nieder, und dann bauten sich die Saltkrokanbewohner neue Hauser sicherheitshalber auf der entgegengesetzten Seite der Insel. Vom ehemaligen Dorf war nichts weiter ubriggeblieben als die alten Bootsschuppen. Eine ganze Reihe uralter grauer Bootsschuppen umsaumt bis auf den heutigen Tag die kleine Bucht, wo einstmals Fischerboote und Segelkutter an den Bootsstegen vertaut gelegen hatten und wo die emsig fischenden Vorfahren der Bewohner von Saltkrokan ihre Netze und Grundleinen auf den kahlen Uferfelsen zum Trocknen ausgehangt hatten. Heute gab es hier keine Fahrzeuge mehr bis auf einen alten, verlassenen