Angst einzujagen.

»Hast du uns nicht rufen horen?« fragte Tjorven argerlich.

Stina schamte sich da oben. Naturlich hatte sie sie rufen horen, aber es hatte solchen Spa? gemacht, da? niemand sie finden konnte. Stina hatte Verstecken gespielt, wenn Pelle und Tjorven es auch nicht wu?ten. Und jetzt war es aus mit dem Spa?, das merkte sie.

»Ich kann nicht wieder runter«, rief sie.

Tjorven nickte grimmig.

»Dann mu?t du da wohl sitzen bleiben. Wenn wir Moses Stromlinge bringen, dann stecken wir ein paar auf einen Angelstock und reichen sie dir rauf.«

Stina fing an zu weinen.

»Ich will keinen Stromling haben, ich will runter, und das geht nicht.« Pelle war es, der sich ihrer erbarmte, und er hatte eine harte Prufung zu bestehen. Zum Mastkorb hinaufzuklettern, war keine Kunst. Als er aber wohlbehalten oben angekommen war, verstand er Stina, als sie sagte: »Ich will runter, aber das geht nicht.« Fast ging es auch fur Pelle nicht. Aber er packte Stina fest um den Bauch und kletterte mit ihr nach unten und gelobte sich selber, da? er nie mehr hoher hinaufsteigen wurde als auf den Kuchentisch zu Hause.

Sobald Stina wieder auf dem Steg stand, war sie genauso keck wie immer.

»Junge, Junge, was man da oben fur 'ne Aussicht hat«, sagte sie zu Tjorven.

Tjorven warf ihr jedoch einen vernichtenden Blick zu, und Pelle sagte: »Wir mussen schnell nach Hause, es ist bald sechs.«

»Nee, so spat kann es noch nicht sein«, meinte Stina. »Ich sollte um vier zu Hause sein, hat Gro?vater gesagt, und das bin ich ja nicht.«

»Deine eigene Schuld«, sagte Tjorven.

»Na ja, ich glaub, ein paar Stunden mehr oder weniger merkt Gro?vater gar nicht«, sagte Stina zuversichtlich.

Aber da hatte sie sich getauscht. Soderman war auf der Schafweide, um seinen Schafen frisches Wasser in den Trog zu gie?en, und als er Stina angetrippelt kommen sah, fragte er:

»Was um alles in der Welt hast du denn den ganzen Tag gemacht?«

»Nichts Besonderes«, sagte Stina.

Soderman war kein strenger Gro?vater, er schuttelte nur den Kopf.

»Du brauchst viel Zeit, um nichts Besonderes zu machen, finde ich.«

Als Tjorven nach Hause kam, sah sie ihren Vater auf dem Anleger und lief hin.

»Sieh mal an, da ist ja endlich Tjorven«, sagte Nisse. »Was hast du denn den ganzen Tag gemacht?«

»Nichts Besonderes«, sagte Tjorven, genau wie Stina.

Dieselbe Antwort bekam Malin von Pelle. Er trat in die Kuche, als die ganze Familie schon um den Abendbrottisch sa?.

»Nooo, ich habe nichts Besonderes gemacht«, sagte Pelle, und er meinte es aufrichtig.

Man lebt gefahrlich, wenn man sieben Jahre alt ist. Im Kinderland, dem geheimen und wilden, kann man dem gefahrlichsten Gefahrlichen nahe sein, ohne da? man es als etwas Besonderes empfindet.

Pelle schnitt eine Grimasse, als er sah, was sie zum Abendessen bekamen: gebratenen Fisch und Spinat.

»Ich glaube, ich mochte nichts essen«, sagte er. Aber Johann streckte einen mahnenden Zeigefinger in die Hohe.

»Nichts zu machen, hier helfen alle mit. Papa hat heute gekocht. Malin hat blo? dagesessen und mit ihrem neuen Scheich geredet.«

»Drei Stunden lang«, sagte Niklas.

»Na, na, na«, sagte Melcher. »Jetzt la?t ihr Malin in Ruhe.«

Aber Niklas lie? nicht locker.

»Ich mochte blo? mal wissen, uber was man drei Stunden lang so reden kann.«

»Auerhahnbalz, das kannst du dir doch denken«, sagte Johann ubermutig.

Malin lachte. Sie fuhr Johann uber den Scheitel.

»Er ist kein Scheich, und wir haben nicht uber ›Auerhahnbalz‹ geredet, denk blo?, kein bi?chen. Aber er findet mich su?, da habt ihr's!«

»Klar bist du su?, kleine Malin«, sagte Melcher. »Sind das nicht alle Madchen?«

Malin schuttelte den Kopf.

»Nein, das findet Petter nicht. Er sagt, wenn die Madchen heutzutage wu?ten, was zu ihrem eigenen Besten ist, waren sie ein bi?chen su?er.«

»Man braucht es ihnen ja blo? zu sagen«, meinte Niklas. »Sei su?, sonst lang ich dir eine.«

Malin warf ihm einen Blick zu und lachte.

»O ja, fur die Madchen mu? es ein Vergnugen sein, wenn du erst einige Jahre alter bist. I? jetzt, Pelle«, fugte sie hinzu.

Pelle schaute Melcher liebevoll an.

»Hast du wirklich heute gekocht, Papa? Wie bist du tuchtig.«

»Ja, ich hab ihn ganz allein aufgetaut«, sagte Melcher mit hausfraulichem Stolz.

»Hattest du nicht was anderes auftauen konnen statt Spinat?« fragte Pelle und rumpfte die Nase.

»Pa? mal auf, mein Kleiner«, sagte Melcher. »Du hast doch schon mal was von Vitaminen gehort, nicht wahr? A und B und C und D und das ganze Alphabet durch. Und die mu? man zu sich nehmen, das wei?t du.«

»Was fur Vitamine sind im Spinat?« fragte Niklas wi?begierig. Das hatte Melcher nicht behalten.

Pelle betrachtete den grunen Brei, den er auf seinem Teller hatte. »Ich glaube, es sind Schei?vitamine«, sagte er.

Daruber lachten Johann und Niklas, aber Malin sagte streng: »Nein, Pelle, bitte, solche Worter werden in diesem Hause nicht gebraucht.«

Da schwieg Pelle; als er aber nach dem Essen zum Kaninchenstall kam, die Hande voller Lowenzahnblatter, sagte er aufmunternd zu Jocke: »Dies sind keine Schei?vitamine, das kann ich dir nur sagen.«

Er nahm Jocke aus dem Stall. Eine ganze Weile sa? er mit ihm auf dem Arm da, aber dann horte er, wie Malin auf die Treppe hinauskam und etwas rief, was er nicht gern horte.

»Papa, ich geh weg«, rief Malin. »Petter wartet auf mich. Sorgst du dafur, da? Pelle ins Bett kommt?«

Pelle schob Jocke hastig in den Stall. Er schnellte hoch und rannte hinter Malin her. »Bist du nicht zu Hause und sagst mir gute Nacht, wenn ich im Bett bin?« fragte er unruhig.

Malin blieb zogernd stehen. Petters Urlaub war zu Ende, dies war der letzte Abend, und dann wurde sie ihn vielleicht nie wiedersehen. Nicht einmal Pelle zuliebe konnte sie heute abend zu Hause bleiben.

»Ich kann dir hier und jetzt gute Nacht sagen«, sagte sie.

»Nein, das kannst du gar nicht«, rief Pelle verdrie?lich.

»Doch, wenn ich es richtig doll mache.«

Sie ku?te ihn heftig, eine ganze Reihe kleiner, schneller Kusse, die uberall hintrafen, auf die Stirn und auf die Ohren und auf das weiche braune Haar. »Gute Nacht, gute Nacht, gute Nacht! Siehst du, wie ich es konnte«, sagte sie.

Pelle lachelte, dann sagte er streng: »Komm aber nicht zu spat nach Hause!«

Petter sa? unten auf dem Anlegesteg und wartete, und wahrend er dort sa?, wurde er tatsachlich auch geku?t. Allerdings nicht von Malin. Tjorven und Stina hatten ihn entdeckt, als sie mit dem Puppenwagen und Lovisabet einen kleinen Abendspaziergang machten. Und als Tjorven den verwunschenen Prinzen sah, ergriff sie ein heiliger Zorn. War er nicht daran schuld, da? Moses jetzt weit weg an der Toten Bucht allein in seinem Strandschuppen lag? So hatte man sich das wahrhaftig nicht gedacht, als man verwunschene Prinzen herbeischaffte, da? sie herumgehen und Seehunde kaufen sollten.

»Du Dumme«, sagte sie zu Stina, »wieso bist du eigentlich blo? darauf gekommen, da? wir diesen Frosch kussen sollten?«

»Ich?« fragte Stina. »Du bist es gewesen.«

»Gar nicht bin ich es gewesen«, sagte Tjorven.

Sie sah unwillig zu dem Prinzen heruber, den sie Malin verschafft hatten. Er sah ganz schick aus in seiner dunkelblauen Jacke und mit dem schimmernden Haar. Aber er mochte aussehen, wie er wollte. Er war jedenfalls

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