los, wollten diese Bauernkinder eine Hunderauferei sehen, dann sollten sie sie haben! Mulli schaffte es immer.
»Halt deinen Welpen fest«, sagte Lotta zu Pelle, »ich setz Mulli jetzt runter.«
Und das tat sie. Sie setzte Mulli auf die Erde. Nun hie? es nur, auf diesen Hund zu warten, auf den er losgehen sollte.
Bootsmann lag im Schatten der Fliederhecke und schlief, aber er erhob sich bereitwillig, als Tjorven ihn weckte. Er richtete sich in all seiner Machtigkeit auf, und in all seiner Machtigkeit kam er ums Haus herum. Und dort traf er Mulli.
Da horte man ein Keuchen und einen Schrei, das kam von Mullis Frauchen. Mulli seinerseits blieb vor Entsetzen zwei Sekunden stehen und sah dem Wunder entgegen, das da naher kam. Aber dann stie? er ein Gejaul aus und scho? wie ein wei?er Dampfstrahl zum Gartentor hinaus.
Bootsmann guckte ihm erstaunt nach. Weshalb hatte der es so eilig? Er hatte ihn doch wenigstens erst mal begru?en konnen. Bootsmann ging als der brave Hund, der er war, zu Lotta, um sie zu begru?en, und da flitzte Lotta mit einem Geheul hinter den Mehlbeerbaum und suchte hier Schutz.
»Nimm deinen Hund weg«, rief sie wie wild, »nimm ihn weg!«
»Warum brullst du so?« fragte Tjorven. »Bootsmann geht auf keinen los, er ist doch kein Bongalo.«
Johann lag bauchlings im Gras und wimmerte vor Lachen. Es hatte ebensogut ein Weinen sein konnen, aber jetzt lachte er, und er konnte nicht wieder aufhoren.
»Oh, Tjorven«, wimmerte er, »oh, Tjorven!«
Tjorven warf ihm einen erstaunten Blick zu, aber dann drehte sie sich zu Lotta um.
»Ich hab gewonnen! Her mit der Krone!«
Lotta war wieder zum Vorschein gekommen, als sie horte, da? Bootsmann nicht gefahrlich sei. Aber jetzt war sie verlegen und bose und wollte nicht mehr mitmachen. Maulend kramte sie in ihrer Tasche nach einem Portemonnaie, und Tjorven bekam ihre Krone.
»Danke«, sagte Tjorven. Sie hielt den Kopf schief und sah Lotta an. »So eine wie du, die sollte nicht wetten«, sagte sie. »Das mussen solche sein wie ich und Herr Melcher.«
Lotta schaute ungeduldig auf die Tur des Schreinerhauses. Kam ihr Vater nicht endlich, damit sie gehen konnten? Hier wollte sie nicht mehr bleiben.
»Rat mal, was Herr Melcher mal gewettet hat«, sagte Tjorven. »Aber es ist schon viele Jahre her.«
Lotta interessierte es nicht, was Herr Melcher vor vielen Jahren getan hatte, aber das war Tjorven egal.
»Er hat mit einem anderen Herrn gewettet, da? er vierzehn Tage nichts essen wollte und vierzehn Nachte nicht schlafen. Wie findest du das?«
»Albern finde ich es«, sagte Lotta. »Das konnte er ja gar nicht.«
»Klar konnte er das«, sagte Tjorven triumphierend. »Er hat am Tag geschlafen und nachts gegessen. Was sagst du nun?«
»Oh, Tjorven«, stohnte Johann.
Dann aber horte er auf zu lachen, denn jetzt trat Direktor Karlberg in Begleitung von Mattsson auf die Treppe hinaus, und Johann horte, was er da Entsetzliches sagte. Sie horten es alle.
»Das Haus ist wertlos, aber ich werde wohl trotzdem zuschlagen. Dieses Grundstuck ist kein schlechtes Geschaft, glaube ich.«
Unten an der Treppe stolperte er uber Tjorven. Er hatte sie beinahe umgerannt, und das argerte ihn. Aber Tjorven lie? sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Direktor Karlberg, wei?t du was«, sagte sie, »ich kann einen komischen Vers. Mochtest du den horen?«
Und bevor Herr Karlberg noch antworten konnte, fing sie an:
»Adam und Eva, im Paradies daheim,
schlachteten ihr dickes, kleines Schwein.
Den Speck, den fetten, verkauften sie,
behielten fur sich den Rest vom Vieh. Das war doch auch kein schlechtes Geschaft, was?«
Direktor Karlberg machte ein erstauntes Gesicht.
»Das habe ich nicht verstanden«, sagte er. Aber er steckte die Hand in die Tasche und holte eine Krone heraus. Es war nett von der Kleinen, ihm Verse aufzusagen, au?erdem hatte er sie eben getreten. Er hatte es jedoch eilig, und so druckte er ihr eine Krone in die Hand, um sich auf diese Weise von ihr loszukaufen.
»Ich danke dir«, sagte er, und dann wandte er sich an Mattsson. »Ich mochte das vorher noch mit meiner Frau besprechen. Wir konnen abmachen, da? ich morgen nachmittag um vier Uhr zu Ihnen ins Buro komme, wurde das passen?«
»Ausgezeichnet«, sagte Mattsson.
Abends sa?en sie in der Kuche des Schreinerhauses, Grankvists und Melchersons. Viele Abende hatten sie hier zusammen gesessen, aber nie so mutlos, nie so schweigsam. Und was sollten sie auch sagen? Melcher sagte kein Wort. Er fuhlte einen Schmerz in seiner Brust, und deshalb konnte er nicht sprechen. Nisse und Marta sahen ihn schuchtern an. Sie hatten ihm klarmachen wollen, da? auch sie sehr traurig waren und da? sie ihn und seine Familie sehr vermissen wurden. Aber Melcher sah so verstort aus, da? sie doch lieber schwiegen.
Nun sa?en sie alle still da, wahrend sich die Dammerung des Sommerabends herabsenkte, und im Dunkel der Kuche konnte jeder seinen eigenen dusteren Gedanken nachgehen, ohne dabei von den anderen gestort zu werden.
Was fur ein seltsamer Sommer, dachte Malin. Sie erinnerte sich an den vorigen, wie ruhig und friedvoll und ereignislos er gewesen war. Was aber war mit diesem los? Welch eine Berg-und Talbahn! In einem Augenblick Petter und ein vollig unwahrscheinliches Gluck, weil er da war, im nachsten Augenblick Tranen und Verzweiflung, zuerst das mit Pelle und Jocke, dann das mit Bootsmann und nun dies letzte, das Bittere, Unertragliche, das das Ende sein wurde. Ja, ein bitteres Ende war es in der Tat.
Tjorven lag auf dem Fu?boden neben Bootsmann, Pelle lehnte mit dem Rucken an der Holzkiste und hatte Jumjum auf dem Scho?. Fur Pelle war das Dasein sowieso immer ein bi?chen Berg-und-Tal-Bahn mit riesigen Unterschieden zwischen dem Schonen und dem Traurigen, und eben jetzt war er trotz Jumjum so tief unten im Tal, wie es nur ging. Am schlimmsten war es, Papa so verzweifelt zu sehen. Alles andere konnte er aushalten, aber nicht, da? Papa traurig war. Oder Malin. Oder Johann. Oder Niklas. Sie
Tjorven weinte leise und bose. Heute morgen war sie keck gewesen, da hatte sie noch nicht begriffen, was geschehen wurde. Jetzt wu?te sie es, und es war zum Aus-der-Haut-Fahren! Ihr tat Pelle so leid und sie sich selber auch. Weshalb mu?ten Menschen immer alles durcheinanderbringen? Zuerst Vesterman und jetzt dieser dicke Karlberg und seine blode Lotta. Zum Kuckuck mit ihnen allen. Weshalb konnte man nie in Frieden gelassen werden? Nichts als Jammer in einem fort. Der arme Pelle, sie hatte ihm so gern etwas geschenkt, damit er wieder froh wurde. Aber diesmal hatte sie keinen Seehund. Sie hatte nichts.
Da horte sie Freddy druben in der Ecke sagen: »Geld und Geld und Geld – es ist ungerecht, da? das immer so viel bedeutet. Dieser gemeine Karlberg!«
Und plotzlich fiel es Tjorven ein – wer hatte kein Geld? Sie selbst hatte die Taschen voll. Drei Kronen hatte sie, tatsachlich! »Pelle, du kriegst was von mir«, flusterte Tjorven, damit es niemand horte. Und sie steckte ihm ganz heimlich ihre drei Kronen zu. Sie tat es fast verschamt, denn obgleich es eine
furchtbare Menge Geld war, so reichte es wohl trotz allem nicht weit, wenn jemand so traurig war wie Pelle jetzt.
»Wie bist du lieb, Tjorven«, sagte Pelle mit rauher Stimme. Er fand auch, da? drei Kronen nicht sehr weit reichten, wenn man so traurig war, aber es half doch ein bi?chen, da? Tjorven sie ihm schenken wollte.
Die vier Geheimen sa?en in einer Ecke fur sich und waren nicht mehr geheim, sondern nur finster. Fur diesen Sommer hatten sie sich so viel vorgenommen. Sie wollten ihre Hutte auf Knorken wieder aufbauen. Sie wollten ein neues, viel gro?eres Flo? bauen. Sie wollten eine lange Ruderfahrt zwischen den Inseln machen und zelten und eine ganze Woche wegbleiben. Sie wollten sich den Au?enbordmotor leihen und ganz bis nach Kattskar hinausfahren und sich die gro?e Grotte ansehen, die es dort gab. Und dann hatte Bjorn ihnen versprochen, sie mit auf Fischfang zu nehmen. Und sie hatten vor, auf dem Dachboden des Schreinerhauses ein Hauptquartier fur ihren