geheimen Klub einzurichten. Noch war es nicht zu spat, noch wohnten Johann und Niklas im Schreinerhaus, naturlich konnten sie dies alles machen, wenn sie wollten. Aber es machte keinen Spa? mehr. Die Lust war ihnen vergangen. Der Glanz war ganz und gar erloschen.

»Es ist komisch«, sagte Johann. »Mir ist alles egal.«

»Mir auch«, sagte Niklas.

Teddy und Freddy seufzten.

Es wurde Nacht. Grankvists waren langst nach Hause gegangen, und die Jungen schliefen. Aber Melcher und Malin sa?en noch in der Kuche. Dort war es jetzt ganz dunkel. Sie sahen nicht viel mehr als das helle Viereck des Fensters in der Wand und den Schein vom Feuer, der durch die Ritzen der Herdklappe schimmerte. Und sie horten das Holz knistern und brennen, sonst war alles still. Malin mu?te daran denken, wie Melcher das erste Mal Feuer in diesem Herd gemacht hatte. Wie lange war das her, und wie schon war damals alles gewesen!

Melcher hatte den ganzen Abend geschwiegen, aber nun fing er an zu reden. Alle Bitterkeit seines Herzens quoll aus ihm heraus.

»Ich hab versagt, das wei? ich. Vollkommen versagt. Tjorven hat ein wahres Wort gesprochen: Ich hab nicht den richtigen Ruck.«

»Ach, red doch nicht«, sagte Malin. »Naturlich hast du den richtigen Ruck. Das mu? ich doch wissen.«

»Den hab ich nicht«, versicherte Melcher. »Sonst wurde ich namlich heute abend nicht so dasitzen und keinen Rat wissen, wenn eine solche Sache passiert. Ich hab als Schriftsteller versagt! Weshalb bin ich nicht lieber Burochef geworden? Dann ware das Schreinerhaus vielleicht jetzt unser.«

»Ich will keinen Burochef im Haus haben«, sagte Malin. »Das will keiner von uns. Wir wollen dich haben.«

Melcher lachte bitter.

»Mich! Wozu wollt ihr mich haben? Ich kann meinen Kindern nicht einmal einen Sommer in Ruhe und Frieden bieten. Und dabei wollte ich euch so viel geben, wirklich, Malin, ich wollte euch alles geben, was gut und schon und wunderbar ist in diesem Leben.«

Er verstummte, er konnte nicht fortfahren.

»Aber das hast du doch getan, Papa«, sagte Malin ruhig. »Wir haben alles bekommen, was in diesem Leben gut und schon und wunderbar ist. Von dir, nur von dir! Und du hast uns gern gehabt. Das ist das einzige, was wirklich von Bedeutung ist. Wir haben es immer gespurt, wie gern du uns hast.«

Da weinte Melcher. Was hatte Malin gesagt? Er wurde noch vor dem Abend weinen.

»Ja, das habe ich«, schnaufte er. »Ich habe euch gern gehabt. Wenn das von Bedeutung ist, dann …«

»Es bedeutet alles«, sagte Malin. »Und deshalb will ich nicht horen, ich hatte einen Vater, der versagt hat. Dann mag es mit dem Schreinerhaus gehen, wie es will.«

Eine Wohnung zuau?erst im Meer

Sie erwachten am nachsten Morgen alle mit dem einzigen Gedanken: Heute um vier Uhr geht Karlberg zu Mattsson in Norrtalje und kauft das Schreinerhaus.

Trotzdem versuchten sie, sich normal zu verhalten und so zu tun, als ware es ein ganz gewohnlicher Tag. Ein ganz gewohnlicher Tag, der mit dem Fruhstuck am Gartentisch begann und mit den gewohnten Wespen, die das Marmeladenglas umschwirrten. Die armen Wespen, sie taten Pelle leid!

»Denkt nur, wenn Karlberg das Schreinerhaus abrei?t, dann geht das Wespennest auch mit drauf.«

»Ja, es ist die einzige Art und Weise, wie man es wegbekommt«, sagte Melcher trocken. »Man rei?t das ganze Haus ab – da? wir daran noch nie gedacht haben!«

Dann entstand ein langes, nachdenkliches Schweigen, und mitten hinein kam Tjorven. »Herr Melcher, bist du schwerhorig? Wie oft mu? ich dir sagen, du sollst ans Telefon kommen?«

Melchersons hatten kein anderes Telefon als das beim Kaufmann. Melcher stellte die Kaffeetasse hin und rannte los. Tjorven rannte hinterher. Es dauerte nur ein paar Minuten, da war sie wieder zuruck. Sie machte ein ganz erschrockenes Gesicht.

»Malin, es ist besser, du kommst. Da ist sicher wieder ein neuer Jammer. Herr Melcher ist traurig.«

Da lief Malin los, und nicht nur sie, sondern auch Johann und Niklas und Pelle.

Sie fanden ihren Vater mitten im Laden, Nisse und Marta und Teddy und Freddy standen bekummert um ihn herum. Er war ganz ohne Zweifel traurig, die Tranen liefen ihm die

Wangen herab, und er sagte mit leiser Stimme:

»Das kann nicht wahr sein! Nein, das kann nicht wahr sein!«

»Papa, was ist denn?« fragte Malin verzweifelt. Mehr Kummer ertrug sie in diesem Augenblick nicht. »Papa, so sag doch, was ist.«

Melcher holte tief Luft.

»Es ist nur …« sagte er, dann verstummte er. Und dann nahm er einen neuen Anlauf. »Es ist nur das, ich habe – vom Staat ein Stipendium von funfundzwanzigtausend Kronen bekommen.«

Danach war es in Grankvists Laden auf Saltkrokan lange Zeit ganz still. Alle standen da, als hatte sie der Schlag getroffen. Tjorven war die einzige, die noch denken konnte.

»Warum hast du das gekriegt – das da, was du eben gesagt hast?«

Da sah Melcher sie an und lachelte triumphierend.

»Na, das will ich dir sagen, kleine Tjorven. Weil ich den richtigen Ruck habe, verstehst du? Weil ich den habe, denk nur!«

»Haben die das gesagt, die eben angerufen haben?«

»Ja, so ungefahr.«

»Aber warum heulst du dann?« fragte Tjorven.

Und nun erst schienen sie alle plotzlich miteinander zu begreifen, da? etwas Schones passiert war.

»Papa, sind wir jetzt reich?« fragte Pelle.

»Nicht gerade reich«, sagte Melcher. »Aber es ist immerhin so viel …« Hier stockte er plotzlich, und seine Kinder schauten ihn angstlich an. Er wollte doch nicht etwa von neuem anfangen zu weinen? Jetzt mu?te wirklich Schlu? sein mit dem Geheule.

Und Melcher weinte nicht. Aber er brullte. Plotzlich brullte er: »Versteht ihr, was das bedeutet? Wir konnen vielleicht das Schreinerhaus kaufen – wenn nicht – wenn es nicht zu spat ist

Er guckte auf die Uhr, und im selben Augenblick horten sie die »Saltkrokan I« unten am Anleger zur Abfahrt tuten.

»Lauf, Melcher«, sagte Nisse Grankvist, »lauf!«

Und Melcher lief. Lief und schrie:

»Kommt, Johann und Niklas! Kommt! Anhalten!«

Letzteres galt dem Dampfer. Der Laufsteg war schon eingezogen worden, als Melcher angerannt kam, aber er schaute so wild drein, da? der Kapitan auf seiner Kommandobrucke sich erweichen lie?. Der Laufsteg wurde wieder ausgelegt, und Melcher sturmte an Bord.

Er brullte noch immer, ohne sich umzudrehen: »Kommt, Johann und Niklas! Beeilt euch!«

Erst als der Dampfer schon mehrere Meter von der Brucke entfernt war, entdeckte Melcher, da? er nicht nur Johann und Niklas mitbekommen hatte, sondern auch Pelle und Tjorven.

»Was fallt euch denn ein?« sagte Melcher vorwurfsvoll. »Dies ist aber wirklich nichts fur kleine Kinder.«

»Tsss«, machte Tjorven, »wir wollen doch auch mit. Es ist eine Ewigkeit her, da? ich in Norrtalje war.«

Melcher sah ein, da? hier nichts zu machen war. Er konnte die Kinder ja nicht ins Wasser werfen. Und er hatte heute ein staatliches Stipendium bekommen, da mu?te er edel und milde sein. Au?erdem mu?te er nach dem Laufen so nach Luft schnappen, da? er keine weiteren Vorwurfe hervorbringen konnte.

»Man lauft ja aber wie ein Hirsch«, sagte er atemlos. »Naturlich nicht so wie in der Schule, da bin ich hundert Meter in 12,4 Sekunden gelaufen.« Johann und Niklas wechselten einen Blick, und Johann schuttelte den Kopf.

»Es ist komisch mit dir, Papa, je alter du wirst, desto schneller bist du gelaufen, als du noch zur Schule gingst.«

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