Massaker. Herr Pallenberg war bei der Bergung der Toten dabei.«

Alexandra schuttelte den Kopf. Zugegeben, der Polizist schien es tatsachlich nicht leicht zu haben, aber dennoch blieb sie bei ihrer Meinung: Polizeiobermeister Pallenberg hatte den Todesfall vorschnell zu einem Unfall erklart und gab so einem moglichen Tater die Gelegenheit, Beweise zu vernichten und ungeschoren davonzukommen! Hatte der Polizist sich nur ein Mal kurz umgehort, hatte er herausgefunden, dass es mehr als genug Kandidaten gab, die Wilden zu Lebzeiten liebend gern den Hals umgedreht hatten. Sie selbst hatte innerhalb kurzester Zeit gleich mehrere unerfreuliche Begegnungen mit diesem Mann gehabt. Wie musste es da erst fur seine Mitarbeiter gewesen sein, standig Wildens Attacken ausgesetzt zu sein und sich nicht dagegen zur Wehr setzen zu konnen?

Bruder Johannes’ Handy kundigte den Eingang einer SMS an, und er sah kurz auf das Display. »Frau Berger, waren Sie so freundlich, zusammen mit Doktor Randerich hier zu warten, bis der Leichenwagen Herrn Wilden abgeholt hat? Es ware ein wenig pietatlos, wenn wir den Toten einfach da liegen lassen wurden. Ich werde jetzt in einer wichtigen Angelegenheit im Kloster gebraucht, und …«

»Ja, schon gut, ich warte hier«, versicherte sie ihm. »Aber hoffentlich kommt der Bestatter bald! Ich mochte namlich nicht noch heute Mittag hier stehen und Totenwache halten.«

Langsam ging sie zuruck zur Bank, auf der Kater Brown inzwischen eingeschlafen war. Als sie sich zu ihm setzte und vorsichtig seinen Bauch zu kraulen begann, schreckte der Kater mit einem leisen Fauchen hoch. Doch als er Alexandra erkannte, reckte er sich und kletterte dann auf ihren Scho?, um sich dort zusammenzurollen.

Tobias wechselte derweil ein paar Worte mit Dr. Randerich, dann ging er recht zielstrebig zum Parkplatz, wo er sich eine Zeitlang an Wildens Wagen aufhielt. Schlie?lich kam er gemachlich zuruck und setzte sich neben Alexandra. Langsam streckte er eine Hand aus und strich Kater Brown vorsichtig uber den Rucken.

»Keine Angst, der kratzt nicht«, sagte Alexandra.

»Angst hab ich nicht, ich habe nur keine Erfahrung mit Katzen. Meine Eltern hatten immer Hunde, auch jetzt noch. Aber ich habe mir nie einen eigenen zugelegt, weil ich wei?, dass ich durch den Job niemals genug Zeit hatte, mich um das Tier zu kummern.«

»Ja, so geht’s mir mit Katzen«, gestand sie ihm. »Ich wurde gern ein Parchen bei mir aufnehmen, doch dann hatte ich zum Beispiel fur dieses Wochenende jemanden bitten mussen, sich um die beiden zu kummern.« Sie grinste schief. »Und wahrscheinlich hatte ich jetzt trotzdem keine Ruhe, weil ich standig daruber nachdenken wurde, ob es ihnen gut geht oder ob sie vielleicht irgendetwas angestellt haben.«

Tobias verzog den Mund. »Das sind halt die Opfer, die man fur seinen Traumjob bringen muss.«

»Tja, man kann nicht alles haben«, murmelte sie und wechselte das Thema. »Du hast dir Wildens Wagen angesehen?«

Tobias nickte. »Ich wei? nicht. Auf dem Kiesuntergrund kann man keine Spuren ausmachen, allerdings habe ich ein paar Stellen entdeckt, an denen irgendetwas Rotliches oder Braunliches auf die Steine getropft ist.«

»Blut?«

Er hob die Schultern. »Ich denke ja. Ich habe ein paar der Steine in ein Taschentuch gewickelt, aber das musste in einem Labor untersucht werden. Au?erdem sind mir eben am Rand des Brunnens blutige Schleifspuren aufgefallen …«

Alexandra schob den Kater vorsichtig vom Scho? und lief aufgeregt zu dem alten Brunnen hinuber. Schnell hatte sie die roten Spuren entdeckt und betrachtete sie nachdenklich.

Als sie zu Tobias zuruckkehrte, waren ihre Wangen vor Aufregung gerotet. »Du, die ganze Sache wird immer ominoser. Ich glaube nicht mehr an einen Unfall! Eigentlich mussten wir jetzt Pallenberg anrufen.«

Tobias winkte ab. »Der dann herkommt und Fotos von den Kieselsteinen und der Blutspur macht. Nee, das bringt nichts.«

»Dieser Polizist ist ein echter Idiot«, brummte sie. Eindringlich schaute sie Tobias an. »Stell dir vor, wir haben recht und jemand hat Wilden tatsachlich ermordet …«

»Dann hat derjenige sicher eine Menge Leute sehr glucklich gemacht«, warf Tobias ein.

»Das will ich gar nicht abstreiten, aber trotzdem soll der Tater nicht ungestraft davonkommen. Ich finde das einfach nicht richtig.« Sie setzte sich und brutete duster vor sich hin. »Hor mal, das klingt jetzt vollig … verruckt. Aber stell dir mal vor, Wilden wurde tatsachlich umgebracht und Pallenberg selbst war der Tater … oder jemand, den er schutzen will.«

»Du haltst es fur moglich, dass ein Polizist einen Mord begeht und ihn dann hochstpersonlich zu einem Unfall erklart?« Tobias zog die Brauen zusammen. »Ich habe schon Muhe, mir den ersten Teil deiner Theorie vorzustellen! Ein Polizist, der hingeht und einen anderen umbringt …«

»Polizisten sind auch nur Menschen«, wandte sie ein. »Nur weil sie das Gesetz vertreten, hei?t das nicht, dass sie vor niederen Regungen gefeit sind. Es hat beispielsweise schon Eifersuchtsdramen unter Polizisten gegeben. Au?erdem reden wir hier uber einen Mann wie Bernd Wilden. Der hat sich mit jedem im Kloster angelegt, mit dem Personal genauso wie mit uns. Ich glaube nicht, dass er vor einem Streit mit einem Polizisten zuruckgeschreckt ware. Angenommen, er hat sich im Ort von Pallenberg ungerecht behandelt gefuhlt und ihm damit gedroht, sich bei seinen Vorgesetzten bis hin zum Polizeiprasidenten oder an noch hoherer Stelle zu beschweren, oder angenommen, er hatte sogar was gegen Pallenberg in der Hand, was den Polizeiobermeister seinen Posten gekostet hatte, dann … na ja, dann ware das doch ein Grund, Wilden aus dem Weg zu raumen und das Ganze als Unfall abzutun, damit niemand auf die Idee kommt, gegen ihn zu ermitteln.«

Tobias fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar und sah sie prufend von der Seite an. »Du hast doch irgendetwas vor, richtig?«

Sie rang sekundenlang mit sich, ob sie ihm sagen sollte oder nicht, welchen Entschluss sie soeben gefasst hatte. Aber dann sah sie ein, dass es nichts bringen wurde, wenn sie es ihm verschwieg. Tobias musste ihr nur eine Weile auf den Fersen bleiben. Spatestens dann wurde ihm klar werden, was sie vorhatte. »Ich glaube, ich werde ein bisschen Detektiv spielen und selbst auf Spurensuche gehen.«

Kater Brown hob den Kopf und schaute blinzelnd von Alexandra zu diesem Tobias. Der Mann streichelte ihn so zaghaft! Wirklich angenehm war das nicht. Am liebsten hatte Kater Brown die Krallen ausgefahren und diesem Zauderer einen leichten Hieb versetzt. Aber davon wollte er vorerst noch mal absehen. Der Mann schien Angst vor ihm zu haben. Kater Brown schnupperte an dem Mannerarm. Na, das hatte er sich ja denken konnen! Auch wenn der Duft nur sehr schwach an ihm haftete, roch Tobias eindeutig nach Hund! Bestimmt war das der Grund fur seine Angst: Mit diesen dummen Hundeviechern, die sich von den Menschen dressieren und herumkommandieren lie?en, kannte Tobias sich aus. Aber er hatte keine Ahnung, wie er mit einem Exemplar einer hoheren Spezies umgehen sollte. Na gut, zumindest begegnete er Katzen mit Respekt und Interesse. Nun, da wollte Kater Brown mal nicht so sein und ihn gewahren lassen. Spater konnte er noch immer versuchen, Alexandra die andere Entdeckung zu zeigen, die er gemacht hatte. Das musste ja nicht sofort sein. Auf Alexandras Scho? war es viel zu gemutlich …

7. Kapitel

»Du willst also Detektiv spielen!« Tobias grinste. »Und wie willst du das anstellen? Du kannst Pallenberg doch nicht ernsthaft einem Verhor unterziehen wollen.«

»Naturlich nicht«, erwiderte Alexandra. »Er muss ja auch gar nicht der Tater sein! Aber von seiner Person einmal abgesehen, konnen wir die Leute im Hotel doch befragen. Vielleicht hat jemand etwas Verdachtiges gehort oder gesehen, das uns weiterhelfen kann.«

»Ah … kurze Zwischenfrage«, sagte er ein wenig irritiert. »Hast du gerade bewusst von wir gesprochen? Oder war das nur so dahingesagt?«

Sie sah ihn lange schweigend an. Tatsachlich war das ein Reflex gewesen, denn auch wenn sie sich nicht als Teil eines Zweierteams sah, hatte sie Tobias automatisch in ihr Vorhaben einbezogen. Bestimmt lag es nur daran, dass er der Einzige war, den sie hier kannte. Eine andere vernunftige Erklarung gab es dafur nicht. »Willst du mir etwa weismachen, du kummerst dich weiter um deine Reisereportage, wenn es hier moglicherweise einen Mord aufzuklaren gibt? Oder haltst du meine Uberlegungen etwa fur vollig abwegig?«

»Deine Theorie ist nicht abwegig«, stellte er klar, »auch wenn ich, wie gesagt, prinzipiell Schwierigkeiten

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