Originalsprache nicht beherrsche. Aber mein absoluter Favorit ist …« Er unterbrach sich und warf Alexandra und Tobias einen auffordernden Blick zu. »Na, kommen Sie von selbst drauf?«

»Der Name der Rose?«, fragte Alexandra auf gut Gluck.

Bruder Johannes lachte. »Ganz richtig. Ich habe sogar ein Exemplar mit einer Widmung von Umberto Eco.« Er seufzte leise. »Ich wei?, ich sollte so etwas eigentlich nicht sagen, weil es ja voraussetzt, dass sich ein Verbrechen ereignet hat, bei dem jemand zu Schaden gekommen ist, aber … ich glaube, ich ware ein sehr glucklicher Mann, konnte ich einmal so wie William von Baskerville ein Verbrechen aufklaren.«

Das ist mein Stichwort, dachte Alexandra. »Ich habe das Gefuhl, dass Ihr Wunsch erhort wurde.« Eigentlich hatte sie nicht so mit der Tur ins Haus fallen, sondern Bruder Johannes vorsichtig in die gewunschte Richtung dirigieren wollen, um ihn mit etwas Gluck glauben zu machen, dass er ihnen selbst den Vorschlag unterbreitet hatte, sich im »Fall Wilden« einmal im Klosterhotel umzuhoren. Aber wenn er ihr schon eine solche Gelegenheit bot, musste sie einfach zugreifen.

Bruder Johannes hatte die dunklen Brauen fragend in die Stirn gezogen. »Wie darf ich Ihre Bemerkung verstehen, Frau Berger?«

»Sie konnen sich sicherlich denken, dass es um Herrn Wilden geht«, begann Alexandra absichtlich etwas zogerlich, um feststellen zu konnen, inwieweit sie das Interesse des Monchs wecken konnte. Davon wollte sie es abhangig machen, wie sehr sie den Mann in ihre Nachforschungen involvieren wurde.

»Herr Wilden? Halten Sie seinen Tod denn nicht fur einen Unfall?«

»Wir halten es fur moglich, dass Bernd Wilden nicht in den Brunnen gesturzt ist. Es konnte sein, dass jemand nachgeholfen hat. Manches scheint darauf hinzuweisen.«

»Aber Polizeiobermeister Pallenberg ist doch der Ansicht, dass es bestimmt ein Unfall war.«

Alexandra musste sich zusammenrei?en, um mit ihrer Meinung uber den Polizisten hinterm Berg zu halten. »Pallenberg ist kein Rechtsmediziner, das hat er ja sogar selbst erklart«, sagte sie stattdessen. »Wenn man sich eine Leiche nur kurz ansieht, kann man unmoglich ein Urteil daruber fallen, wie die Person ums Leben gekommen ist.«

»Ja, das stimmt«, raumte Bruder Johannes ein. »Pallenberg hatte ebenso gut gleich zu Hause bleiben konnen, dann wussten wir auch nicht weniger als jetzt.«

»Wie dem auch sei«, warf Alexandra ein. »Wenn er keine Zeit oder Lust hat, diesen Todesfall genauer unter die Lupe zu nehmen, sollten andere sich einmal ansehen, welche Umstande zu Wildens Tod gefuhrt haben konnten. Zuerst mussen seine Mitarbeiter befragt werden – bevor die ihre Koffer packen und abreisen.«

Bruder Johannes wurde hellhorig. »Verdachtigen Sie denn schon jemanden?«, fragte er und beugte sich ein wenig vor, wobei das Funkeln in seinen Augen noch etwas intensiver zu werden schien.

»In gewisser Weise ja«, sagte sie und sah dabei kurz zu Tobias hinuber, der sich jedoch glucklicherweise nichts von seiner Uberraschung uber ihre Luge anmerken lie?. »Eben horte ich einen seiner Mitarbeiter im Refektorium sagen: ›Hatte er die Drohung ernst genommen, ware das nicht passiert.‹ Und irgendjemand erwiderte: ›Tja, er hat sich ja nie was sagen lassen.‹ Der Rest ging leider im Stimmengewirr unter. Ich habe zwar einen fluchtigen Blick in den Saal geworfen, doch es hielt sich niemand in der Nahe der Tur auf. Daher wei? ich nicht, wer sich unterhalten hat.«

Bruder Johannes nickte. »So kurz nach dem Auffinden der Leiche scheinen diese Au?erungen in einem Zusammenhang mit dem Todesfall zu stehen.« Er zog nachdenklich die Brauen zusammen. »Es ware naturlich hilfreich, wenn man wusste, wer sich da unterhalten hat.«

»Wir konnen versuchen, die Leute zu befragen«, au?erte sich Tobias. »Ob sie sich naturlich uns gegenuber au?ern wollen, musste sich erst noch zeigen. Der Tater wird bestimmt gar nichts sagen …«

»Oh, wissen Sie, Herr Rombach, manchmal erfahren wir mehr aus dem, was uns ein Mensch nicht sagt. Die Mimik und Gestik verraten oft mehr als das gesprochene Wort, und in vielen Fallen ist es sogar so, dass sie eine Aussage widerlegen. Meine Jahre im Orden, aber auch viele Gesprache mit Ratsuchenden haben mich das gelehrt. Doch das werden Sie als Journalisten ja wissen.«

»Ja, naturlich«, sagte Alexandra. »Wir werden bei unseren Befragungen diesen Rat beherzigen … Was meinen Sie, sollen wir denn versuchen, etwas Licht in die Sache zu bringen?«

»Meinen Segen haben Sie, schlie?lich sind Sie beide die neutralsten Personen in unserem Haus«, stimmte Bruder Johannes ihr zu. »Aber ich mochte mich auch nutzlich machen«, fugte er sichtlich begeistert hinzu. »Sie wissen ja …«

»Wenn Sie uns bei unseren ›Ermittlungen‹ unterstutzen konnten, ware das naturlich wunderbar. Wahrend wir die Gaste befragen, konnten Sie zum Beispiel …«

»Ein Bewegungsprofil erstellen«, warf Tobias hilfreich ein, als Alexandra fur einen Moment ins Stocken geriet. »Jeder Monch soll Ihnen sagen, wann er sich wo aufgehalten hat, damit …«

»Verdachtigen Sie etwa einen meiner Bruder?«, unterbrach Bruder Johannes ihn und legte erschrocken eine Hand auf seinen Mund.

»Nein, nein, keine Angst«, erwiderte Alexandra, die inzwischen verstanden hatte, was Tobias meinte. »Es geht nur darum, herauszufinden, wann sich welcher ihrer Mitbruder wo im Haus oder auch au?erhalb aufgehalten und wen und was er dabei beobachtet hat. Uns interessiert, wo sich die Gaste an einem bestimmten Zeitpunkt befunden haben. Diese Beobachtungen konnen wir dann spater mit den Aussagen vergleichen, die wir hoffentlich von Wildens Mitarbeitern bekommen. Wenn wir dabei auf Widerspruche sto?en, wissen wir, uns wurde nicht die ganze Wahrheit gesagt. Dann konnen wir die betreffenden Personen damit konfrontieren und gespannt sein, was sie dazu zu sagen haben.«

»Ah, verstehe.« Der Monch schuttelte den Kopf. »Fur einen Moment dachte ich, Sie verdachtigten meine Mitbruder.«

Sie winkte lachend ab. »Nein, nein, welchen Grund sollten sie haben?« Sie nickte Tobias zu. »Dann schlage ich vor, dass wir uns schon mal mit den Gasten befassen, wahrend Sie sich mit Ihren Brudern zusammensetzen, damit die Ihnen die notigen Informationen geben. Wir …« Sie stutzte, als sie auf einmal ein seltsames Gerausch gleich neben ihrem Ohr wahrnahm. Aus dem Augenwinkel betrachtete sie den Kater, der sich wahrend der Unterhaltung mit dem Monch noch ein Stuck weiter uber ihre Schulter gezogen hatte und nun kopfuber dalag. »Kann mir mal bitte jemand verraten, was der Bursche da treibt?«, sagte sie.

Tobias begann zu lachen, und gleich darauf stimmte Bruder Johannes mit ein. »Kater Brown ist auf deiner Schulter eingeschlafen und schnarcht gemutlich vor sich hin. Das ist ein Bild fur die Gotter.«

»Ich vermute, den Kater werde ich wohl noch eine ganze Weile mit mir herumtragen«, meinte sie kopfschuttelnd. »Dabei ist es eigentlich ein bisschen warm fur eine Pelzstola. Aber na ja, Kater Brown hat noch was gut bei mir. Wenn ich bedenke, dass wir ohne ihn vielleicht noch immer nach Wilden suchen wurden.«

Bruder Johannes, der Alexandra und Tobias auf den Gang begleitet hatte, sah von einem zum anderen. »Wieso das?« Ein jungerer Monch naherte sich ihnen, sah, dass Bruder Johannes Besuch hatte, und nickte den beiden Gasten abwartend zu.

»Na, schlie?lich hat er mich zu sich an den Brunnen gelockt«, antwortete Alexandra. »Ohne Kater Browns kleinen Aufstand ware wohl niemand so schnell auf die Idee gekommen, in den Schacht zu sehen.«

Bruder Johannes schmunzelte. »Ach, das, ja. Das war mir schon wieder entfallen. Ja, dann wunsche ich Ihnen viel Gluck bei den Befragungen.« Er wandte den Blick zu seinem Mitbruder. »Bruder Hartmut, du kommst wie gerufen. Wenn du im Augenblick nichts Dringendes zu tun hast, dann wurde ich dich gern kurz sprechen. Wir haben gemeinschaftlich eine wichtige Aufgabe zu erledigen.«

»Ja, naturlich.« Der schlaksige, hochgewachsene Mann mit dem etwas wirren Haar und dem buschigen Schnauzbart trat noch naher. »Was gibt es denn?«

»Komm erst mal rein«, forderte der altere Monch ihn auf.

Alexandra und Tobias bedankten sich bei Bruder Johannes und gingen in stillem Einvernehmen schweigend uber den Korridor davon. Schlie?lich konnte sich hinter jeder dieser Turen ein Lauscher befinden.

Sie naherten sich gerade dem Quergang, der zu den Gastequartieren im parallel gelegenen Flugel fuhrte, als Kater Brown auf einmal hochschreckte und sich mit den Hinterbeinen kraftvoll abstie?, um kurz darauf hinter Alexandra auf dem Boden zu landen.

»Aua«, rief sie. Beim Sprung hatte er ihr seine Krallen schmerzhaft in die Schulter gebohrt.

»Treffer«, merkte Tobias an und deutete auf Alexandras Rucken, wo sich prompt mehrere kleine rote Punkte im Stoff des TShirts zeigten.

»Was ist denn in dich gefahren?«, schimpfte sie und sah dem Kater nach, wie er nach rechts in die Ecke zu

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