mitangehort«, sagte sie mit einem bedeutungsvollen Augenzwinkern, dann nickte sie knapp und schloss die Tur zu ihrem Zimmer auf.
Schweigend gingen Alexandra und Tobias den Korridor entlang. Erst als sie um die nachste Ecke gebogen waren, sagte er auf einmal: »Wei?t du, was ich nie verstehe?«
»Warum du immer einen Korb bekommst?«
»Sehr witzig. Nein, ich frage mich, warum sich eine Frau wie diese Wittecker so aufreizend kleidet, wenn sie doch langst vergeben ist. Die Bluse ist zwei Nummern zu eng. Dann diese knallenge Hose, dazu das Make-up. Und dann wundert sie sich, dass sie von Mannern angequatscht wird … und sogar von Frauen.«
Alexandra schuttelte den Kopf. »Ich glaube, sie wundert sich gar nicht, sondern wartet nur darauf. Sie ist dieser Typ, der standig Bestatigung sucht. Sie braucht die bewundernden Blicke der Manner und die neidischen der Frauen, dann fuhlt sie sich gut. Sie mochte auf keinen Fall ubersehen werden. Wir haben da mal eine Untersuchung in Auftrag gegeben, und die hat was Interessantes ergeben. Sechs von zehn Frauen, die von mannlichen Testpersonen aus unterschiedlichen Altersgruppen ausnahmslos als besonders gut aussehend beurteilt wurden, gaben an, dass sie sich aufreizend kleiden, um beachtet zu werden, aber nicht, um den nachstbesten Mann abzuschleppen, der sich fur sie interessiert. Sie wollen einfach wahrgenommen werden. Nur dann fuhlen sie sich schon.«
»Probleme haben die!«, murmelte er.
»Mochtest du auch was uber die Studie wissen, die wir drei Ausgaben spater nachgelegt haben? Warum sich gut aussehende Manner wie balzende Gockel verhalten, wenn die Frauen sich doch eigentlich von selbst auf sie sturzen mussten?«
Er winkte hastig ab. »Danke, kein Bedarf. Das betrifft mich ja nicht, und dann hab ich dazu auch keinen Bezug.«
»Wer’s glaubt«, sagte Alexandra lachend und schaute sich um, als sie das Foyer erreichten. »Wo ist eigentlich Kater Brown?«
»Da drau?en.« Tobias zeigte durch die offen stehende Tur nach drau?en. »Der Herr halt Siesta.«
Der Kater hatte sich in der Nahe des Brunnens auf den Boden gelegt, der von der Sonne aufgeheizt wurde, und doste vor sich hin. Als Alexandra und Tobias aus dem Gebaude kamen, drehte er das rechte Ohr in ihre Richtung und lauschte aufmerksam, dann hob er den Kopf und blinzelte sie beide an.
Alexandra zwinkerte ihm zu, ohne mit einer Reaktion des Tieres zu rechnen. Doch gleich darauf setzte der Kater zu einem Miauen an, das aber bald in ein ausgiebiges Gahnen uberging. Dann stand er auf, streckte jede Pfote einzeln und machte einen Buckel. Nachdem er sich noch kraftig geschuttelt hatte, um sich von dem Staub zu befreien, der an seinem Fell hangen geblieben war, folgte er Alexandra und Tobias zum Parkplatz.
»Bist du irgendwie nervos?«, wollte Tobias wissen, dem nicht entgangen war, dass Alexandra sich immer wieder zu Kater Brown umdrehte.
»Der Kater lauft uns nach, und ich finde es nicht gut, dass er uns auf den Parkplatz folgt. Wenn wir gleich losfahren, kann ich nicht sehen, ob er vielleicht irgendwo unter meinem Wagen sitzt.«
»Ach, komm schon! Der Bursche hat sich bislang so intelligent angestellt, da wird er nicht so dumm sein und sich unter ein anfahrendes Auto setzen. Notfalls kann ich ja auch aufpassen, bis du aus der Lucke gefahren bist.«
Alexandra sah ihn uberrascht an. Zum ersten Mal spurte sie so etwas wie Sympathie. Dann kramte sie in ihrer Tasche nach Wildens Porsche-Schlussel, den Bruder Johannes ihnen ausgehandigt hatte. »Wenn wir schon einmal hier sind, konnen wir auch gleich einen Blick in Wildens Wagen werfen. Vielleicht finden wir ja irgendetwas, das uns weiterhilft.«
Gesagt, getan. Nachdem sie die Ablagefacher, das Handschuhfach und den Kofferraum des Gelandewagens durchsucht hatten, gab Alexandra einen entmutigten Laut von sich. »Fehlanzeige.«
»Mist. Heute Morgen in der allgemeinen Aufregung um Wildens Verschwinden habe ich kurz einen Blick in sein Zimmer werfen konnen. Es wirkte peinlichst aufgeraumt. Und mir ist nichts Verdachtiges aufgefallen. Vielleicht sollten wir uns nach dem Mittagessen aber trotzdem mal dort nach seinem Laptop umsehen. Mit etwas Gluck bringt der uns weiter. Und wenn Wilden wichtige Unterlagen bei sich hatte, hat er die doch bestimmt auch in seinem Zimmer verwahrt …« Tobias drehte sich um und betrachtete das Kloster, das inmitten der grunen Landschaft ein friedliches Bild bot. Nichts deutete darauf hin, dass sich hier ein brutaler Mord abgespielt haben konnte. »Auch Wildens Handy ware interessant.«
»Sollten wir das nicht besser jetzt erledigen?«, fragte sie. »Nicht, dass der Tater irgendwelche Beweise verschwinden lasst.«
»Ich glaube nicht, dass der Morder jetzt erst auf die Idee kommt, belastendes Material beiseitezuschaffen. Wenn, dann hat er das gestern gleich nach der Tat erledigt. Und wenn wir davon ausgehen, dass der Tater unter Wildens Mitarbeitern zu suchen ist, haben wir im Augenblick auch nichts zu befurchten. Also ist es egal, ob wir sein Zimmer eine Stunde fruher oder spater auf den Kopf stellen.«
Alexandra nickte nachdenklich. »Wenn du meinst … Okay, dann fahren wir erst nach Lengenich und essen zu Mittag, danach sehen wir weiter.«
Als sie zu ihrem Wagen gingen, folgte Kater Brown ihnen ganz selbstverstandlich. Er sah zu, wie Alexandra die Fahrertur aufschloss, einstieg und sich uber den Sitz beugte, um die Beifahrertur zu offnen. Diesen Moment nutzte er, um mit einem gro?en Satz auf Alexandras Scho? zu springen.
»He!«, rief sie. »Was soll denn das?« Doch der Kater schien das als Einladung aufzufassen, drehte sich zweimal im Kreis und rollte sich auf Alexandras Oberschenkeln zusammen.
»Nein, nein, das geht nicht«, entschied sie und versuchte, das Tier hochzuheben und aus dem Wagen zu setzen. Aber sofort fuhr der Schlawiner die Krallen aus und bohrte sie in den Stoff ihrer Jeans. »Autsch, hor auf damit!« rief sie, doch Kater Brown dachte gar nicht daran.
»Na, seid ihr zwei ausnahmsweise einmal nicht einer Meinung?«, neckte Tobias sie und schmunzelte.
Alexandra konnte seine Erheiterung im Augenblick nicht teilen und fauchte: »Wie war’s, wenn du dich mal nutzlich machst und ihn mir vom Scho? nimmst?«
Vorsichtig streckte Tobias die Hande nach dem Kater aus. Dann passierte alles ganz schnell: Irgendwie gelang es Kater Brown, sich dem Griff zu entwinden und mit einer Pfote auszuholen. Zack! Auf Tobias’ rechtem Handrucken prangten drei blutende Kratzer.
»Na, das hast du ja fein hingekriegt, Freundchen«, grummelte er und nahm dankbar das Taschentuch an, das Alexandra ihm hinhielt.
»Ich wurde dir ja auch ein Pflaster geben oder einen Verband anlegen«, sagte sie, »aber dafur musste ich aussteigen, und das lasst Kater Brown ganz offenbar nicht zu.«
Tobias winkte ab. »Ist halb so schlimm.« Er beugte sich vor, um Alexandra anzusehen. »Noch einen Versuch, dieses Untier hochzunehmen, unternehme ich nicht. Dein Kater scheint fest entschlossen zu sein, mit dir Auto zu fahren, also gonn ihm das Vergnugen!«
»Erstens ist er nicht mein Kater …«
»Unsinn, so wie ihr euch benehmt, scheint ihr euch gesucht und gefunden zu haben. Also akzeptier es einfach, dass du jetzt einen Kater hast.«
»Er gehort doch ins Kloster. Die Monche hatten bestimmt etwas dagegen, wenn ich ihn mit nach Hause nehmen wollte. Besonders Bruder Johannes scheint an ihm zu hangen …« Als sie den Kater jedoch betrachtete, der sie ruhig anblinzelte, musste sie wider Willen lachen. »Na, gro?artig, du hast also beschlossen, dich ein wenig von mir chauffieren zu lassen. Da will ich mal nicht so sein.«
Nachdem Alexandra den Wagen gestartet hatte, berichtete sie Tobias von der Unterhaltung mit den beiden Monchen. »Egal, ob es etwas mit Wildens Tod zu tun hat oder nicht: Irgendetwas geht hier hinter den Kulissen vor, wovon nicht mal Bruder Johannes etwas wei?. Diese Story mit der vertauschten Bettwasche kann ich Bruder Siegmund und Bruder Dietmar nicht abnehmen. So richtig passt die Geschichte auch nicht zu dem Tonfall, in dem die beiden zuvor miteinander geredet haben. Aber mir will nichts in den Sinn kommen, was die beiden Monche in Wahrheit gemeint haben konnten.«
»Haltst du es fur moglich, dass ein paar von ihnen mit Abt Bruno gemeinsame Sache gemacht haben konnten?«
Alexandra warf Tobias einen fluchtigen Seitenblick zu. »Hm, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Moglich ware es, aber …« Sie schuttelte nachdenklich den Kopf. »Nur … was hatten sie davon? Ich meine, wenn der Abt einigen Monchen etwas von den unterschlagenen Millionen abgegeben hatte, weil sie ihm in irgendeiner Weise bei