seinen Gaunereien geholfen hatten, was sollten sie dann jetzt mit dem Geld anfangen? Sie konnen sich nichts Besonderes kaufen, sonst wurden sie sich ja selbst entlarven.«
»Vielleicht versuchen sie, sich damit unauffallig abzusetzen«, gab Tobias zu bedenken. Mit einem leisen Lachen fuhr er fort: »Ist schon witzig. Da denkt man, man befindet sich an einem Ort, an dem die christlichen Werte noch hochgehalten werden, und dann sto?t man in Wahrheit uberall auf geheime Machenschaften. Mochte wissen, ob so was in anderen Klostern auch an der Tagesordnung ist.«
Alexandra hob die Schultern. »Ich glaube, uberall, wo Menschen in einer Gemeinschaft leben, gibt es Intrigen und heimliche Absprachen. Und vor personlicher Gewinnsucht sind nur die wenigsten gefeit.« Sie passierten die Stelle, die am Vortag gesperrt gewesen war, und parkten den Wagen kurz darauf auf dem Parkplatz neben Angelikas Wirtschaft.
Kaum hatte Alexandra den Motor abgestellt, stand Kater Brown auf und miaute auffordernd, als wartete er nur darauf, aussteigen zu durfen. Es gefiel Alexandra gar nicht, den Kater in einer fremden Umgebung frei laufen zu lassen. Was, wenn er plotzlich doch auf die Idee kam wegzulaufen? Er wurde sicher nie mehr zum Kloster zuruckfinden. Andererseits schien das Tier entschlossen zu sein, bei ihr zu bleiben, und Alexandra war nicht erpicht darauf, auch mit Kater Browns Krallen nahere Bekanntschaft zu machen.
Zogerlich offnete sie die Tur und rechnete mit dem Schlimmsten, doch der Kater lief nur ein paar Schritte weit, dann blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. Nun komm schon!, schien der Blick aus glanzenden grunen Augen zu sagen. Seufzend kam sie der stummen Aufforderung nach und ging zum Kofferraum, um die Plastiktute herauszuholen, in der sich Wildens Habseligkeiten befanden.
»Was hast du damit vor?«, erkundigte sich Tobias, der ein Stuck entfernt stehen blieb und zusah, wie Kater Brown zu Alexandra schlenderte und den Kopf an ihren Beinen rieb. Unwillkurlich musste er grinsen, als sie den Kater hochnahm und ihn sich wie zuvor halb uber die Schulter legte.
»Wahrend wir aufs Essen warten, konnen wir diese Sachen einmal genauer unter die Lupe nehmen. Vielleicht finden wir ja irgendetwas Nutzliches.« Sie stutzte und musterte ihn ein wenig irritiert. »Was grienst du so? Dir brennt doch schon wieder was auf der Seele …«
»Ach, nichts weiter«, meinte er belustigt. »Du tust immer so selbstbestimmt. Dabei hat der kleine Gauner dich nach kurzester Zeit im Griff. Er macht dir vor, dass er ganz vernarrt in dich ist, und schon tanzt du nach seiner Pfeife. Merkst du nicht, dass er nur zu faul ist, selbst zu laufen?«
Alexandra winkte ab. »Er macht mir das nicht vor, er mag mich wirklich.«
Gerade wollten sie die Tur zum Lokal offnen, da wurde sie von innen aufgezogen und die Wirtin trat nach drau?en. In einer Hand hielt sie ein paar Zettel, in der anderen einen Tesafilm-Abroller. »Oh, hallo«, sagte sie, als sie Alexandra erkannte. Dann legte sie den Kopf schrag und fragte: »Sie wissen, dass Sie da was auf der Schulter haben, oder?«
Alexandra nickte. »Das ist mein treuer Begleiter. Darf er mit hereinkommen?«
Angelika stutzte. »Wer ist Ihr Begleiter? Das schwarze Etwas oder der gut aussehende junge Mann an Ihrer Seite?«
»Nein, nein, Tobias Rombach ist mir nur zugelaufen.« Alexandra zwinkerte der Wirtin frohlich zu. »Wenn sich bis morgen sein Besitzer nicht gemeldet hat, werde ich den Armsten wohl ins Heim bringen mussen.«
10. Kapitel
»Immer hereinspaziert!«, sagte Angelika und klebte die Zettel an die Butzenscheiben. »Sie sind etwas zu fruh dran. Heute Abend ist Disco-Nacht: ›Die Hits der Siebziger‹, das wurde Ihnen bestimmt gefallen.«
»Hits der Siebziger? Die waren ja schon aus der Mode, bevor ich auf die Welt kam«, murmelte Tobias und setzte sich zu Alexandra, die am zweiten Vierertisch Platz nahm. Die beiden hinteren Tische waren besetzt. Die Gaste dort unterhielten sich angeregt und nahmen keine Notiz von den Neuankommlingen.
»Sind meine beiden Freunde von gestern nicht da?«, erkundigte sich Alexandra, als die Wirtin zu ihnen trat. Kater Brown hatte es sich inzwischen auf einem gut gepolsterten Stuhl neben Alexandra bequem gemacht. »Ich mochte mich doch noch dafur bedanken, dass sie gestern fur mich die Stra?e frei geraumt haben.«
»Die haben Sie leider ganz knapp verpasst«, antwortete Angelika und zwinkerte ihr zu. Sie legte jedem von ihnen eine Speisekarte hin. »Spezialitat des Tages ist ubrigens Linsensuppe nach Hausfrauenart.«
»Na toll!«, wiederholte Tobias skeptisch. »Das klingt nach ›Konservendose geoffnet, in den Kochtopf gekippt und aufgewarmt‹.«
»Darf ich Ihnen mal einen Tipp geben?«, gab die Wirtin freundlich lachelnd zuruck und beugte sich vor. »Verargern Sie nie einen Menschen, der Ihnen etwas zu essen zubereitet! Es konnte sonst spater etwas hineingemischt sein, das Ihnen so gar nicht bekommt.«
Tobias grinste. »Oh, nichts fur ungut, ich habe nichts gesagt.« Als er wieder allein mit Alexandra war, raunte er ihr zu: »Ich wei? schon, warum ich einen Bogen um solche … Lokale mache. So was kann mir im
»Naturlich, der Herr verkehrt nur in den feinsten Etablissements und merkt nicht, dass die hochgelobte Sauce aus dem Tutchen kommt!«
Alexandra nahm die Plastiktute und holte Bernd Wildens Geldborse heraus, die sie an Tobias weitergab, wahrend sie die kleine Brieftasche offnete. »Mach dich lieber nutzlich und such nach Hinweisen, die uns zum Morder fuhren konnen! Hm, das sieht nicht sehr vielversprechend aus«, sagte sie und leerte die Brieftasche Stuck fur Stuck auf dem Tisch aus. »Kreditkarte, Kreditkarte, Kreditkarte, Kundenkarte furs Sonnenstudio, furs Fitnesscenter. Sogar eine Paybackkarte hatte unser guter Herr Wilden. Ausweis, Fuhrerschein, hundertdrei?ig Euro in kleinen Scheinen. Ein paar von seinen Visitenkarten.« Alexandra verzog missmutig die Mundwinkel. »Wahrscheinlich hatte er alles Interessante auf seinem Handy gespeichert.«
»Und das ist bisher spurlos verschwunden«, erganzte Tobias, der auch in Wildens Portemonnaie nicht fundig geworden war. »Der Mann hat zweifellos ein Smartphone besessen, auf dem sich alle Adressen und Termine befinden.«
Sie schnaubte argerlich, dann fiel ihr Blick auf die Visitenkarten. »Hey, da ist doch auch Wildens Handynummer drauf. Wir konnen immerhin versuchen, ihn anzurufen, und feststellen, wer sich meldet.« Sie griff nach ihrem Telefon, das sie auf den Tisch gelegt hatte, und tippte die Nummer ein. Nach ein paar Klingeltonen ertonte eine Ansage, und Alexandra legte das Handy zur Seite. »Ware ja auch zu schon gewesen! ›Dieser Anschluss ist zurzeit nicht erreichbar, bitte versuchen Sie es spater noch einmal.‹ Wildens Telefon ist entweder einfach abgeschaltet oder der Tater hat es mit dem Hammer bearbeitet, damit niemand mehr feststellen kann, was sich an belastenden Informationen darauf befunden hat. Entweder hat der Morder an alles gedacht oder er hat unverschamtes Gluck gehabt. Und damit wissen wir auch nicht, ob diese Tat von langer Hand geplant gewesen war oder ob unser Unbekannter nur eine gunstige Gelegenheit genutzt hat.«
»Macht das fur unsere Untersuchungen einen Unterschied? Tot ist der Mann so oder so.«
»Ja, aber wenn das alles geplant war, dann liegt der Verdacht nahe, dass der Tater aus Wildens Team kommt. Die Leute kennen ihn, sie wissen, wie sie ihn zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort locken konnen …«
»Warte, warte, warte«, ging Tobias dazwischen. »Was konnte denn so interessant gewesen sein, dass Wilden sich mitten in der Nacht zu seinem Wagen bemuht, wo ihm der Tater bereits auflauert?«
»Das kann alles Mogliche sein. Uberleg mal, der Mann war unbeliebt, und niemand wollte es sich mit ihm verscherzen. Das konnte den einen oder anderen auf die Idee gebracht haben, einen Kollegen anzuschwarzen, der ihm selbst ein Dorn im Auge ist. Wenn ihn an dem Tag beispielsweise jemand angerufen und ihm gesagt hat: ›Ich habe Informationen uber Herrn Soundso, die Sie interessieren durften‹, dann wird Wilden sicher Feuer und Flamme gewesen sein, mehr daruber zu erfahren. Der angebliche Informant bestellt ihn fur den Abend auf den Parkplatz, weil er wei?, dass Wilden auf so eine Information brennt. Dort lauert er ihm auf und schlagt ihn nieder, anschlie?end ›entsorgt‹ er ihn im Brunnen.«
»Hm, ein solches Szenario ist vorstellbar …« Tobias trank einen Schluck von dem Kaffee, den die Wirtin ihnen inzwischen serviert hatte. »Und vor allem klingt es nach Wilden. Der war mit Sicherheit hinter allem her, was er gegen seine Leute verwenden konnte.«