»Ja, das sehe ich auch so«, stimmte Assmann ihr zu. »Wir konnen ihr weder mit Abmahnungen noch mit Kundigungsdrohungen beikommen, weil sie wei?, was uns bevorsteht, wenn wir sie tatsachlich vor die Tur setzen wurden.«

»Und wer bleibt dann noch ubrig?«

»Seine Sekretarinnen, Yasmin Tonger und Regina Drach, au?erdem der Personalleiter Karl Leybold«, sagte Assmann. »Leybold konnen Sie gleich von der Liste streichen, der wird komplett vom Arbeitsamt bezahlt, und das Programm lauft noch drei Jahre. Er kostet uns nichts, und warum sollten wir jemandem eine Kundigung aussprechen, der fur uns keinen Kostenfaktor darstellt?«

»Ja, richtig«, sagte Alexandra gedehnt. »Und was ist mit seinen Sekretarinnen?«

Assmann zog die Mundwinkel nach unten und wiegte den Kopf hin und her. »Die beiden sind so ein Thema fur sich, jedenfalls was ihre Befahigung angeht. Frau Tonger wurde ich eher nicht verdachtigen. Bernd Wildens Tod wird fur sie erst recht Probleme mit sich bringen. Sie mussen wissen, ihr mangelt es an so ziemlich allen Fahigkeiten, die eine Sekretarin mitbringen sollte. Herr Wilden hat sie von seiner letzten Anstellung mitgebracht, angeblich haben … hatten die beiden eine Beziehung.«

»War die Sache schon langer voruber?«, warf Alexandra ein. »Sagen Sie deshalb ›hatten‹?«

»Nein, nein, die Beziehung war immer nur ein Gerucht. Da mussen Sie Frau Tonger schon selbst fragen. Falls Herr Wilden naturlich damit gedroht hat, sich privat von ihr zu trennen, ist davon auszugehen, dass sie uber kurz oder lang die Kundigung erhalten hatte.« Kurt Assmann zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hatte er ja doch noch eingesehen, dass sie unfahig ist.«

»Hei?t das, er wollte es lange Zeit nicht einsehen?«

»Nun, ich habe ihn bei verschiedenen Gelegenheiten sozusagen durch die Blume darauf hingewiesen, aber er hat nicht darauf reagiert. Und ein paarmal habe ich versucht, Yasmin ins offene Messer laufen zu lassen, indem ich sie nicht an einen wichtigen Termin erinnert habe, obwohl ich wusste, dass sie in ihrer schludrigen Art vergessen hatte, ihn zu notieren. Aber irgendwie ist sie stets in letzter Sekunde mit einem blauen Auge davongekommen. Ob Herr Wilden dabei seine Finger im Spiel hatte, habe ich bis heute nicht herausfinden konnen.«

»M-hm.« Alexandra musste sich einen bissigen Kommentar verkneifen. »Und Frau Drach?«

»Tja, Regina Drach ist nicht viel besser, was ihre berufliche Qualifikation angeht. Sie ist nach einem Arbeitsbeschaffungsprogramm im Verband hangen geblieben. Bei Frau Drach sieht es genau umgekehrt aus. Frau Tongers Vorgangerin war so effizient, dass sie Frau Drachs Arbeit mehr oder weniger miterledigt hat, weil die beiden sich gut verstanden haben. Aber seit Regina Drach auf Frau Tongers … Fahigkeiten angewiesen ist, wird immer deutlicher, dass sie nur wenig taugt. Frau Drach und Frau Tonger wurschteln sich irgendwie so durch. Nein, auch bei Regina Drach wusste ich nicht, was sie davon haben sollte, Herrn Wilden zu toten.« Er sah zwischen Alexandra und Tobias hin und her. »Ich glaube, das waren dann alle, die er zu diesem Wochenende mitgenommen hatte.«

Alexandra hielt seinen Blick fest. »Und was ist mit Ihnen?«

»Mit mir?« Tauschte sie sich, oder war Kurt Assmann ein wenig blasser geworden?

»Ja, Sie waren schlie?lich Wildens rechte Hand. Damit durften Sie doch gute Chancen haben, auf seinen Platz nachzurucken. Immerhin haben Sie ihn aus nachster Nahe erlebt. Sie wissen, worauf es bei seiner Arbeit ankommt, und der Vorstand wurde auf so etwas doch gro?en Wert legen.«

»Da wurde ich mir wohl keine Chancen ausrechnen«, entgegnete er. »Allerdings hatte ich bislang auch noch gar keine Gelegenheit, mir uber so etwas Gedanken zu machen. Es gibt im Moment Wichtigeres zu erledigen, schlie?lich muss der Geschaftsbetrieb am Laufen gehalten werden.«

»Wenn Sie in einem Augenblick der Krise so viel Engagement beweisen, konnen Sie beim Vorstand bestimmt punkten.«

»Worauf wollen Sie hinaus, Frau Berger?«, fragte Assmann.

»Darauf, dass Sie bessere Chancen auf eine Nachfolge haben, als Sie selbst fur moglich zu halten scheinen.«

»Unsinn. Ich bin von Herrn Wilden eingestellt worden, nachdem er beim Verband angefangen hatte; ich habe nur ein paar Jahre Erfahrung. Da komme ich gegen die Alteingesessenen doch gar nicht an.«

»Sie haben erst vor ein paar Minuten erklart, dass fur Edwin Gro? die Chancen besser stehen als fur die ›Alteingesessenen‹, obwohl er erst vor funf Jahren seine Arbeit aufgenommen hat. Sie selbst sind zwar noch nicht so lange dabei, aber Sie haben Wilden tagtaglich auf Schritt und Tritt begleitet und wissen sogar noch besser als Herr Gro?, was zu tun ist.«

Assmann kniff die Augen ein wenig zusammen. »Wollen Sie mir wirklich unterstellen, etwas mit Herrn Wildens Tod zu tun zu haben?«

»Haben Sie etwas damit zu tun?«, fragte Tobias prompt.

»Naturlich nicht! Erstens war ich gestern gar nicht hier …«

»Und wo waren Sie?«, unterbrach Alexandra ihn.

»Zu Hause, den ganzen Tag.«

»Kann das jemand bezeugen?«

»Keine Ahnung, vielleicht ein Nachbar.«

»Ihre Frau nicht?«

»Meine Freundin?«, korrigierte er sie. »Nein, sie ist am Freitagmorgen nach Hamburg gefahren, um das Wochenende bei ihren Eltern und Geschwistern zu verbringen.«

»Also kann niemand belegen, dass Sie nicht schon gestern Abend hergekommen sind«, bemerkte Tobias ungeruhrt. »Ich meine, von Kaiserslautern hierher ist es keine Weltreise.«

»Ich konnte niemals Herrn Wilden …«, murmelte Assmann entgeistert. Nach einer Weile straffte er die Schultern und sah ruhig von einem zum anderen. »Noch einmal: Ich versichere Ihnen, falls Herr Wilden tatsachlich umgebr … ich habe damit nichts zu tun.« Damit wandte er sich um und stieg in seinen Mercedes.

Alexandra und Tobias sahen dem Wagen nach, der mit durchdrehenden Reifen vom Parkplatz fuhr.

»Der Mann kann von Gluck reden, dass er gestern Abend tatsachlich nicht hier war, sonst ware er mein Tatverdachtiger Nummer eins.«

»Falls er tatsachlich nicht hier war. Allerdings hat er Wilden uber alle Ma?en vergottert. Er hatte ihm bestimmt kein Haar krummen konnen.«

Tobias kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Es sei denn … er wurde von Wilden enttauscht.«

Alexandra schaute ihn fragend an.

»Du hast doch gerade gesagt, dass er ihn vergottert hat. Stell dir mal vor, Wilden ware in irgendeinen Skandal verwickelt gewesen, und Assmann hatte davon erfahren. Es musste doch fur ihn ein regelrechter Schock gewesen sein, zu erfahren, dass sein Idol nicht dieses weit blickende, weise Wesen ist, fur das er ihn immer gehalten hat. Vielleicht ein Bestechungsskandal oder irgendetwas anderes, das Assmanns Glauben zutiefst erschuttert hat. Kurt Assmann kommt her, stellt Bernd Wilden zur Rede und totet ihn, von mir aus im Affekt. Vielleicht weil Wilden die Sache herunterspielt und nicht merkt, dass er nicht langer die Kontrolle uber seinen Assistenten hat.«

»Ware denkbar«, raumte sie ein. »Aber wir mussen aufhoren, im Nebel zu stochern. Ich mochte endlich Klarheit uber die Todesursache haben und das Handy oder den Laptop finden. Sonst werden wir nicht entscheidend weiterkommen.«

Tobias zuckte mit den Schultern. »Kann schon sein. Doch komm! Gehen wir wieder rein! Ich konnte jetzt zuerst noch eine Portion Suppe verputzen.«

Alexandra lachte. »Ehrlich? Ich bin pappsatt. Aber ich trinke noch was.«

Kater Brown, der nach wie vor auf Alexandras Schulter lag, hob nur kurz den Kopf, als der Wagen mit durchdrehenden Reifen auf die Landstra?e einbog. Etliche kleine Kieselsteine wurden hochgewirbelt und prallten klirrend gegen einen Stahltank, der auf einem Traktoranhanger stand. Bei dem Gerausch musste Kater Brown schaudernd an die schrecklichen Boller denken, die in der Silvesternacht in die Luft gejagt wurden.

Endlich war dieser Mann fort! Kater Brown konnte ihn nicht leiden, und deswegen hatte er ihn auch stoisch ignoriert. Aus Erfahrung wusste er, dass die meisten Menschen ihn in Ruhe lie?en, wenn er demonstrativ in die andere Richtung schaute. Wenn er sie dagegen ansah, hielten sie es regelma?ig fur eine Aufforderung, ihn zu streicheln.

Nein, nein, es war gut, dass dieser Mann ihn nicht gekrault hatte! Er hatte einen unangenehmen Geruch

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