verstromt, der Kater Brown noch immer so in der Nase kitzelte, dass er nun schon zum wiederholten Mal niesen musste.
Dieser Dosenoffner war genauso unsympathisch wie der, der im Brunnen gelegen hatte. Und beide rochen sie auch ahnlich. War das vielleicht der Geruch, der Menschen anhaftete, die keine Katzen mochten? Interessante Frage! Er wurde sie in nachster Zeit im Auge behalten.
Kater Brown reckte die Nase in die Luft und schnupperte noch einmal vorsichtig. Der Gestank schien sich zu verfluchtigen. Zum Gluck rochen Alexandra und Tobias gut.
Zufrieden schloss er die Augen und lie? sich zuruck in das Haus tragen. Er konnte sich ja schon mal ein paar Gedanken machen, wie er Alexandra am besten zu seiner Entdeckung in den Keller lockte.
11. Kapitel
»Kannten Sie den Kerl?«, fragte Angelika, die Tobias einen Teller Suppe und Alexandra eine Eisschokolade servierte.
»Bis vorhin noch nicht«, antwortete Alexandra und kraulte den Kater, den sie wieder auf den Stuhl gelegt hatte.
»Bei Ihnen im Kloster ist doch auch der andere Typ, der genauso ubel drauf ist wie dieses schrecklich nette Burschchen gerade.«
Alexandra sah von ihrer Eisschokolade auf. »Sie sprechen offenbar von Bernd Wilden, nicht wahr? Er wurde heute Morgen tot im Brunnen vor dem Kloster aufgefunden.«
»Tot?« Die Frau riss die Augen auf, doch sie fasste sich schnell wieder. »Hat ihn jemand erwurgt, damit er endlich die Klappe halt?« Sie hob entschuldigend die Hande. »Tut mir leid, wenn ich das so sage, aber … wenn ich den Mann langer als einen Tag hatte ertragen mussen, hatte ich auch fur nichts garantieren konnen.« Sie wies mit dem Kopf zur Eingangstur. »War das eben sein Sohn?«
»Nein, sein Assistent«, sagte Tobias. »Aber Sie haben recht: Kurt Assmann konnte durchaus als Wildens Sohn durchgehen, die gleiche nette Art.«
Angelika setzte sich zu ihnen an den Tisch und sagte in vertraulichem Ton: »Ich muss Ihnen das erzahlen … Also, dieser Herr Wilden schneite am Donnerstagabend hier rein …«
»Am Donnerstag? Ich dachte, die Reisegruppe ware erst am Freitagmorgen eingetroffen.« Tobias sah uberrascht zu Alexandra, die nickte.
»Nein, ich bin mir ganz sicher. Wilden kam am Donnerstagabend in mein Lokal. Am ersten Donnerstag im Monat setzt sich namlich eine Gruppe von Leuten aus dem Dorf im Wechsel einmal bei mir und einmal schrag gegenuber bei der Konkurrenz zu einer Gesprachsrunde zusammen. Diese Leute engagieren sich fur Lengenich und kummern sich um alle moglichen Belange, die das Dorf betreffen.« Die Wirtin zwinkerte Alexandra zu. »Da sind ubrigens auch Ihre beiden Lieblinge mit von der Partie.«
Alexandra grinste. »Hannes und Karl …«
»Auf jeden Fall kam Herr Wilden am Donnerstagabend ins Lokal und wollte etwas zu essen bestellen. Doch die Kuche hatte bereits geschlossen. Wenn die Dorfler hier zusammensitzen, dann wird nur getrunken. Darum bleibt an diesem Abend die Kuche immer kalt. Wilden wollte das aber nicht einsehen, sondern beharrte darauf, etwas zu essen zu bekommen.« Angelika lachte. »Er blieb mit seinem Glas Wasser stur auf seinem Platz sitzen, doch ich kummerte mich nicht weiter um ihn. Dahinten am letzten Tisch hockte er und horte zwangslaufig die Diskussion der Dorfler mit an. Auf einmal stand er auf und mischte sich lautstark in die Unterhaltung ein. Er warf den Leuten vor, in zu kleinen Ma?staben zu denken, deshalb sei hier in den Dorfern auch uberall ›tote Hose‹. Wir mussten uber unseren Tellerrand hinaussehen, in gro?eren Dimensionen denken und so weiter. Dieser Angeber hatte von nichts eine Ahnung, aber redete gro? mit! Als ein paar aus der Gruppe von ihm konkrete Beispiele forderten, winkte er nur gro?spurig ab und titulierte die Leute als ›Eifeler Hohlkoppe‹! Die Dorfler wurden wutend und beschimpften ihn. Schlie?lich griff Pallenberg ein und geleitete Herrn Wilden nach drau?en.«
»Ach, der Polizist war auch anwesend?«
»Er nimmt so gut wie immer an diesen Versammlungen teil, denn er will wissen, was im Dorf los ist. Wilden protestierte und drohte Pallenberg, dass das noch Konsequenzen nach sich ziehen wurde.«
»Und wie reagierte Polizeiobermeister Pallenberg darauf?«
»Auf seine ubliche Art. Er drohte Wilden im Gegenzug noch gro?eren Arger an, wenn der nicht sofort einen Abgang machte.«
»Also haben sich die beiden gestritten«, folgerte Alexandra.
»Na ja, ich wei? nicht, ob ich das als ›Streit‹ bezeichnen kann. Sehen Sie, Wilden hat Pallenberg nicht wirklich beschimpft, er war nur laut und au?erst unhoflich, aber so unsanft, wie unser Polizist ihn dann gepackt und nach drau?en verfrachtet hat, kam es mir schon ein bisschen so vor, als lie?e er seinen personlichen Frust an ihm aus. Sie mussen wissen, es soll in Pallenbergs Ehe ein paar Schwierigkeiten geben …«
»Hm«, machte Alexandra. »Und wie hat Wilden auf den Rausschmiss reagiert?«
»Er rief irgendetwas von Beschwerde und Vorgesetzten, doch dann hatte Pallenberg ihn auch schon nach drau?en geschafft, und die Tur fiel hinter ihnen zu.«
»Hat Pallenberg spater noch etwas zu dem Vorfall gesagt?«
Die Wirtin uberlegte kurz, dann schuttelte sie den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Er war nur ziemlich sauer.«
Alexandra notierte sich etwas auf ihrem kleinen Block.
»Augenblick mal«, sagte Angelika. »Sie glauben doch nicht etwa, dass Polizeiobermeister Pallenberg etwas mit dem Todesfall zu tun hat, oder?«
»Sehen Sie«, gab Alexandra zuruck. »Nachdem der Tote geborgen war, kam Pallenberg zum Kloster, warf einen fluchtigen Blick auf die Leiche und erklarte das Ganze spontan zu einem Unfall, weil er momentan ganz allein Dienst tut und keine Spurensicherung anfordern kann. Aber die Zweifel an dieser Theorie werden immer gro?er.«
»Wann ist das denn passiert? Wann ist der Mann zu Tode gekommen?«
»Irgendwann zwischen gestern Abend und heute fruh. Wieso?«
»Dann kann ich mir vorstellen, warum Pallenberg heute Morgen so … schnell mit seiner Unfalltheorie war, als er zum Kloster rausgefahren kam.«
»Und wieso?«
»Sie haben ja im Vorbeifahren unser Schullandheim gesehen«, begann Angelika. »Die Abiturienten, die im Moment da untergebracht sind, reisen am Montag wieder ab, und bei diesen Aufenthalten gehort es dazu, dass am letzten Freitag eine Party steigt, die meistens die ganze Nacht durchgeht. Vermutlich hatte Pallenberg erst eine halbe Stunde Schlaf bekommen, als er heute Morgen zum Kloster gerufen wurde.«
»Aber was hat er als Polizist mit der Party zu tun?«, wandte Tobias ein.
»Bevor er zur Polizei gegangen ist, hat er seinen Zivildienst beim Arbeiter-Samariter-Bund gemacht und ist da zum Rettungssanitater ausgebildet worden. Bei solchen Veranstaltungen muss ein Sanitater anwesend sein, doch der wird dem Schullandheim naturlich berechnet. Pallenberg hat sich bereit erklart, von Zeit zu Zeit einzuspringen und fur die Dauer der Party anwesend zu sein, damit das Schullandheim Geld sparen kann.« Sie hob die Hande leicht an. »Sie konnen gern dort nachfragen. Wenden Sie sich an Frau Buchel. Sie ist Leiterin des Schullandheims und fur diese Dinge zustandig.«
Alexandra sah zu Tobias, der daraufhin die Schultern hob und sagte: »Machen wir. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich Pallenberg so viel Uneigennutzigkeit gar nicht zugetraut hatte …«
Es war gegen Viertel vor vier, als sie in die baumbestandene Zufahrt zum Landschulheim einbogen.
»Schicke Hutte«, staunte Tobias und reckte den Hals.
Alexandra nickte. »Das fand ich auch, als ich das Landschulheim zum ersten Mal sah.« Sie stellte den Wagen auf einer als Besucherparkplatz gekennzeichneten Flache ab, dann stiegen sie aus. Kater Brown, der es sich im Fu?raum vor dem Beifahrersitz gemutlich gemacht hatte, hob den Kopf nur ein wenig an und blinzelte nach drau?en, dann rollte er sich wieder zusammen und schlief weiter.
»Da wollen wir uns mal auf die Suche nach Frau Buchel machen«, sagte Alexandra und uberzeugte sich