davon, dass die Fenster fur den Kater einen Spaltbreit geoffnet waren. Auch wenn der Wagen im Schatten stand, wollte sie nicht riskieren, dass Kater Brown einen Hitzschlag bekam. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass Tobias in eine andere Richtung schaute. Alexandra folgte seinem Blick und entdeckte in einigen Metern Entfernung drei achtzehn-, neunzehnjahrige Madchen in bunten, recht knappen Bikinis. Sie standen ein wenig abseits von ihren anderen Mitschulern am Rand eines kleinen Schwimmbeckens, kicherten und lachelten zu Tobias hinuber.

Alexandra zog ihn am Ohrlappchen mit sich fort.

»Aua«, protestierte Tobias in gespielter Emporung und rieb sich das Ohr.

»Komm, du konntest ja fast der Vater dieser Ganschen sein! Mach dich nicht lacherlich!«

»Wieso lacherlich?«, widersprach Tobias. »Ich scheine doch genau ihr Typ zu sein …«

»Oje!«, sagte Alexandra und grinste. »Dann mochte ich lieber nicht wissen, wie die Mitschuler dieser Grazien aussehen. Immerhin scheint ihre Not gro? zu sein, wenn sie einem alten Mann wie dir schone Augen machen.«

»Also, ehrlich, alter Mann!« Tobias schuttelte den Kopf, dann blitzte es in seinen Augen plotzlich auf. »Kann es sein, dass du nur eifersuchtig bist?«

Angelika spurte, wie ihr eine leichte Rote in die Wangen stieg, und argerte sich uber sich selbst. »Ich eifersuchtig? Auf diese Huhnchen? So ein Blodsinn! Und jetzt komm, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«

Tobias begann, frohlich zu pfeifen – und Alexandra argerte sich noch mehr.

Wahrend sich auf dem Platz vor dem zweistockigen Gebaude die Nachmittagswarme gestaut hatte, war es im Inneren des Hauses angenehm kuhl. Im Foyer fuhrte eine breite Treppe nach oben. Die Turen links und rechts davon waren mit Piktogrammen fur Damen-und Herrentoiletten gekennzeichnet.

Durch die Eingangstur drang noch die Gerauschkulisse der ausgelassen am Schwimmbecken tobenden Schuler ins Haus, doch dann fiel die Tur hinter Tobias und Alexandra sanft ins Schloss, und sofort umgab sie eine wohltuende Ruhe.

»Hallo?«, rief Alexandra. »Frau Buchel? Sind Sie da?« Als niemand antwortete, ging sie entschlossen auf die Treppe zu. Im ersten Stockwerk kam ihnen eine zierliche Frau um die sechzig entgegen. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte sie freundlich.

»Ja, wir suchen die Leiterin des Schullandheims«, antwortete Alexandra.

»Da sind Sie fundig geworden«, erklarte die Frau und strich sich eine dunkelblonde Haarstrahne aus dem Gesicht. »Gertrud Buchel mein Name.«

»Alexandra Berger, das ist mein Kollege Tobias Rombach. Durfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen? Es geht um die Nacht von gestern auf heute, da hat doch die Party der Abiturienten stattgefunden …«

Uber das Gesicht der Frau fiel ein Schatten, und sie reckte entschlossen den Kopf. »Sind Sie von dieser Initiative, die uns die Partys verbieten will? Dann konnen Sie gleich wieder gehen. Sehen Sie sich doch an, wie weit die nachsten Gebaude entfernt sind, und dann verraten Sie mir, wie die Leute aus dem Dorf ernsthaft behaupten konnen, dass sie nachts kein Auge zubekommen, weil hier die Musik angeblich so unglaublich laut gespielt wird. Ich gehe bei jeder Party regelma?ig in der Nacht nach drau?en, um mich davon zu uberzeugen, dass die Lautstarke nicht ubertrieben ist, sonst …«

Alexandra und Tobias hatten mehrmals versucht, den Redeschwall der Frau zu stoppen, ehe sie endlich auf ihre Zwischenrufe reagierte. »Frau Buchel, wir gehoren zu keiner Initiative, und wir wissen auch nicht, wie laut die Party letzte Nacht war«, versicherte Tobias. »Druben im Klosterhotel haben wir davon jedenfalls nichts mitbekommen.«

»Ach … wegen der Musik sind Sie also nicht hier?« Sie sah die beiden verdutzt an, dann rausperte sie sich. »Nun, entschuldigen Sie bitte meine Reaktion, aber die Nachbarn schicken uns in regelma?igen Abstanden irgendwelche Leute auf den Hals. Mitarbeiter vom Ordnungsamt, vom Jugendamt, von der Schulbehorde. Vollig unbegrundet!« Die Frau schaute zwischen Tobias und Alexandra hin und her. »Was kann ich fur Sie tun?«

»Ich wei? nicht, ob Sie schon gehort haben, dass es druben im Klosterhotel einen Toten gegeben hat …«

»Ja, Herr Pallenberg hat mir am Telefon davon erzahlt«, erwiderte die Frau. »So ein schrecklicher Unfall!«

»Ja, genau«, bekraftigte Alexandra und uberlegte in aller Eile, wie sie ihre Frage so formulieren konnte, dass die Frau nichts von ihren Vorbehalten gegen den Polizeiobermeister erfuhr. Offenbar stand die Leiterin des Schullandheims in regem Kontakt mit Pallenberg und wurde ihm bruhwarm von Alexandras Verdacht erzahlen. In diesem Fall wurde Pallenberg ihnen bei ihren Nachforschungen gewiss Schwierigkeiten bereiten. Aus diesem Grund entschloss sich Alexandra zu einer kleinen Notluge. »Sehen Sie, der Mann, der tot aufgefunden wurde … wurde bereits gestern am spaten Abend vermisst, und wir haben vergeblich versucht, Herrn Pallenberg zu erreichen. Auch eben war er nicht ans Telefon zu bekommen. Jemand hat davon gesprochen, dass er wohl in irgendeiner Funktion hier tatig sein soll, und da haben wir uns gedacht, wir finden ihn vielleicht bei Ihnen. Oder vielleicht konnen Sie uns sagen, wo wir ihn erreichen konnen.«

»Wo er jetzt ist, wei? ich nicht. Gestern Abend allerdings war er hier. Da feierten die Abiturienten, die sich bei uns aufhalten, ihre Abschlussparty. Das war eine von den Gelegenheiten, bei denen Herr Pallenberg sich als Rettungssanitater schon mal zur Verfugung stellt. Alle vier bis sechs Wochen hilft er uns auf diese Weise. Sehen Sie, es ist ja noch niemals etwas vorgefallen, bei dem einer der Schuler oder Lehrer Erste Hilfe benotigt hatte …« Sie lachelte. »Herr Pallenberg ist ein wunderbarer Mensch und ein guter Polizist, und er hilft uns gern.« Sie schwieg einen Moment und fugte schlie?lich hinzu: »Auch gestern hat er die ganze Nacht tapfer durchgehalten, bis zum Morgengrauen – bis auch noch das letzte Paar die Tanzflache verlassen hatte. Drau?en war es tatsachlich schon hell, als er seinen Dienst beenden konnte. Kurz darauf wurde er ja schon zum Kloster gerufen, der Arme! Das hat er mir eben am Telefon erzahlt.«

»Es wurde schon wieder hell?«, hakte Alexandra nach. »Dann war die Party wohl ein voller Erfolg, wie?«

»Ja, das kann man sagen! Wir hatten die Achtzigerjahre als Thema.«

»Gut, dann … werden wir noch einmal versuchen, Herrn Pallenberg unter seiner Nummer auf der Wache zu erreichen«, warf Tobias schnell ein, bevor sie weiterreden konnte, und gab Alexandra unauffallig ein Zeichen, damit sie den Ruckzug antraten.

»Ja, genau«, bestatigte die Leiterin des Schullandheims. »Oder eben auf dem Handy.«

Alexandra bedankte sich bei Frau Buchel und verabschiedete sich.

Auf der Wiese vor dem Haupteingang tummelten sich inzwischen weitere Madchen am Rand des Schwimmbeckens. Bei Tobias’ Anblick schienen sie sich irgendwie in Pose zu werfen. Alexandra drehte sich grinsend zu ihm um. »Deine Fangemeinde wachst von Minute zu Minute.« Mit einer fluchtigen Kopfbewegung deutete sie auf die Madchen.

Er zuckte lassig mit den Schultern. »Sag ich doch! Aber was soll ich mit dem jungen Gemuse? Ich stehe mehr auf reife Schonheiten.«

Bei seinem Grinsen konnte Alexandra sich ein Lachen nicht verkneifen und schlug ihm spielerisch mit dem Block auf den Kopf. »Reife Schonheit? Na, vielen Dank, das merk ich mir.«

»Ja, mach das nur. Bist du ja selbst schuld, wenn du fur meine charmanteren Komplimente nicht zu haben bist.«

Sie hatten eben den Wagen erreicht, doch bevor Alexandra etwas auf Tobias’ Bemerkung erwidern konnte, stellte sie entsetzt fest, dass die Beifahrertur offen stand. »Das kann doch nicht wahr sein! Kater Brown ist weg!«, rief sie nach einem Blick ins Wageninnere aufgeregt.

»Bestimmt hat er sich hinter den Sitzen verkrochen, um in Ruhe zu schlafen«, meinte Tobias.

»Nein, da ist er nicht!« Sie buckte sich und schaute unter den Sitzen nach. Als sie wieder auftauchte, hatten sich auf ihren Wangen hektische rote Flecken gebildet. »Er ist ehrlich weg! Was machen wir denn jetzt?«

»Wieso stand eigentlich die Beifahrertur auf?«, wollte er wissen. »Du hast doch eben abgeschlossen …«

Alexandra nickte und sah sich beunruhigt um. »Ganz bestimmt hab ich das. Jemand muss die Tur irgendwie entriegelt haben! Dabei habe ich den Schlussel hier.« Sie kramte in ihrer Tasche und hielt kurz darauf ihren Schlusselbund in die Hohe.

»Oh«, murmelte Tobias. »Dann hat jemand deinen Wagen aufgebrochen. Wahrscheinlich hat dieser Jemand den Verriegelungsknopf mit einem Draht hochgezogen. Immerhin hast du das Fenster ein paar Zentimeter offen

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