bestellt?«
»Weil ich dachte, ich konnte dir noch Ha? einimpfen gegen die Menschheit! Weil ich dachte, ich konnte deiner feigen Seele noch Mut einimpfen! ... Aber bei dir ist nun einmal – das sehe ich ein – fur alle Zeit Hopfen und Malz verloren!«
»Mutter! Mutter!« rief Martial, erschreckt uber diese ma?lose Verstocktheit der Frau, der er das Leben verdankte ...
»Feiger Hund! Hinweg aus meinen Augen!« zischte die Alte.
In diesem Augenblicke horte man drau?en auf dem Gange Tritte ... Der Invalide nahm die Uhr aus der Tasche, sah nach, wieviel es an der Zeit sei, und erhob sich ...
Drau?en ging mit hellem Glanze die Sonne auf, einen Strom goldnen Lichtes durch das schmale Fenster im Gange gegenuber der Kerkertur werfend ...
Die Tur wurde weit geoffnet. Der Eingang war hell beleuchtet ... Frone brachten Stuhle herein. Dann kam der Gerichtsschreiber und sprach mit bewegter Stimme zu den beiden Delinquentinnen:
»Die Zeit ist da!«
Vier Manner traten herein.
Siebentes Kapitel.
Ein sundiger Abschied.
Drei von den vier Mannern hielten kleine Packchen in der Hand, die aus einer dunnen, aber sehr festen Schnur gedreht waren. Der gro?te von ihnen, der vierte, der tiefschwarz gekleidet war und einen runden Hut sowie ein wei?es Halstuch trug, ubergab dem Gerichtsschreiber ein Schriftstuck: die – Quittung uber zwei ihm uberantwortete Personen weiblichen Geschlechts. Es war der Henker, und sobald er die Personen ubernommen hatte, gehorten sie ihm an, hatte er allein fur sie die Verantwortung und Burgschaft ...
Auf die Verzweiflung des Madchens war stumpfe Ruhe gefolgt. Sie konnte kein Glied bewegen. Zwei Knechte des Nachrichters mu?ten sie auf ihr Bett setzen und dort halten. Ihr Mund war vom Krampfe, der ihre Kinnbacken befallen hatte, fest aufeinander gepre?t, das Kinn ruhte auf der Brust, und hatten die beiden Knechte nicht ihren Korper gehalten, so ware er wie eine tote Masse niedergeschlagen ...
Martial umarmte das ungluckliche Madchen zum letzten Male. Dann stand er da, au?er stande, sich vom Flecke zu ruhren, wie gelahmt an allen Gliedern, einen so gra?lichen Eindruck machte die schreckliche Szene auf ihn.
Die Mutter hingegen war keck und frech wie vorher. Sie half willig dabei, die ihr an jeder Bewegung hinderliche Zwangsjacke vom Leibe zu streifen. Als die unheimliche Hulle von ihr genommen war, stand sie wieder in ihrem schwarzen Rocke da.
»Nun, wohin soll ich treten?« fragte sie mit fester Stimme.
»Setzen Sie sich hierher,« antwortete der Nachrichter, auf einen der Stuhle zeigend, die unweit von der Kerkertur standen.
Drau?en standen Frone und Aufseher um den Gefangnisdirektor und eine Anzahl von privaten Personen herum, die den Vorzug einer Einla?karte genossen.
Sichern Schrittes ging die Frau auf die ihr angewiesene Stelle. Bei ihrer Tochter vorbeigehend, blieb sie stehen und sagte mit einer Stimme, der eine gewisse Empfindlichkeit anzuhoren war: »Tochter, komm her und umarme mich – umarme mich – zum letzten Male in diesem Leben!«
Das Madchen, die Stimme der Mutter horend, zuckte leicht zusammen, wachte auf aus ihrer Starrheit und rief mit grauser Gebarde:
»Hinweg! Hinweg, Damon! Gibts – eine Holle, dann – fahre in ihren tiefsten Pfuhl – hinunter! Mutter, Weib, Damon! Ich – verfluche – dich!«
»Kind,« sagte die Alte noch einmal, »komm her und – umarme – mich!«
»Nicht in meine Nahe!« rief die Tochter – »nicht in meine Nahe! Wer anders als du hat – mich – in dieses gra?liche Ungluck – gesturzt?« – Und abwehrend streckte sie die Arme von sich.
»Kind! Verzeihung! Verzeihung!« bat die Alte.
»Fluch dir! Fluch dir! Du Damon! Du – Rabenmutter!«
Ein wilder Krampf packte das Madchen. Dann sank sie erschopft, fast bewu?tlos, den beiden Knechten des Nachrichters in die Arme.
Wohl glitt eine Wolke uber die Stirn des bosen Weibes, wohl wurden ihr die brennenden Augen einen Moment feucht. Sie begegnete dem Blicke ihres Sohnes, und nach kurzem Zogern, wie wenn sie einem innern Kampfe nachgabe, sprach sie:
»Und du, mein – Sohn?«
Tief ergriffen, von Schluchzern geschuttelt, sank Martial ihr in die Arme.
Ruhrung ergriff jetzt auch die verstockte Sunderin, aber sich aus der Umarmung ihres Sohnes frei machend, sagte sie dumpf: »Genug!« und auf den Nachrichter zeigend, setzte sie hinzu: »Den Herrn da darf man nicht warten lassen, wenn er nicht unwillig werden soll.«
Mit diesen Worten schritt sie zu dem Sessel hin, der ihr von dem Gehilfen des Henkers gezeigt worden war, und setzte sich.
Jah war der Anflug von Mutterliebe, der ihr Herz getroffen hatte, wieder verflogen.
Der Invalide trat zu Martial, von Teilnahme erfullt, und sagte: »Mein Lieber, es ist nicht gut fur Sie, langer noch hier zu verweilen. Kommen Sie mit mir, kommen Sie mit mir!« – Und unwillkurlich folgte Martial dem greisen Soldaten.
Die beiden Knechte des Nachrichters hatten die fast bewu?tlose Tochter der Witwe auf den Sessel geschleppt. Der eine hielt den Leib, aus dem schon fast alles Leben gewichen war, der andere band ihr mit der dunnen Schnur die Hande auf dem Rucken zusammen und legte auch um die Fu?e solche Fesseln, doch so locker, da? die Delinquentin noch kleine Schritte machen konnte.
Achtes Kapitel.
Die letzte Toilette vorm Tode.
Es war eine wunderliche, aber dabei hochst grauenvolle Hantierung. Wenn man die Manner mit den langen, dunnen Fesseln, die im Schatten kaum kenntlich waren, beobachtete, wie sie, ohne ein Wort zu sprechen, die Delinquentin geschwind und gewandt banden, da machten sie ganz den Eindruck von Spinnen, die ihr Opfer umschnuren, bevor sie es verzehren.
Ebenso geschwind fesselte der Nachrichter mit dem andern Knechte die alte Frau, aber in ihren Zugen zeigte sich nicht die leiseste Veranderung. Nur hin und wieder lie? sie ein leichtes Husteln vernehmen. Sobald die beiden dem Tode verfallenen Geschopfe au?er stand gesetzt waren, ein Glied zu ruhren, zog der Henker eine Schere aus der Tasche und schor erst der Witwe das Haar ... Als sie den Kopf nicht tief genug hielt, bat er sie hoflich, sich noch zu bucken. – Sie tat es und antwortete:
»Na, ich dachte, wir waren gar gute Kunden von Ihnen, Herr. Erst haben Sie meinen Mann unter der Schere gehabt, nun komme ich, dann meine Tochter an die Reihe! Wie wird Ihnen denn eigentlich ob solcher Treue zu Mute?«
Ohne die Frau einer Antwort zu wurdigen, fa?te der Henker ihr Haar mit der linken Hand und schor es ganz kurz, vornehmlich in der Nackengegend. »O, heut wird mir der Kopf zum dritten Male im Leben frisiert: das erste Mal wars, als ich zur Kommunion nach der Firmelung ging; da wurde mir der Schleier angesteckt. Zum zweiten Male wars bei meiner Hochzeit mit Martial: da wurde mir der Brautkranz aufgesetzt. Nicht wahr, Sie – Todeskandidaten-Friseur?«
Der Nachrichter gab keine Antwort. Das Haar der Delinquentin war starr und hart. Daher kam es, da? die Schur ziemlich viel Zeit in Anspruch nahm, und da? der Henker kaum zur Halfte fertig war, als der Tochter schon der Kopf ganz kahl rasiert war.