einer gro?eren Summe Geldes und der Halfte davon nebst der in Algier gelegenen Meierei zu wahlen.

Hierbei leitete Rudolf auch der Grund mit, da? es sowohl Martial als Schuri nur erwunscht sein konne, Frankreich den Rucken zu wenden, dem einen wegen seiner eigenen Vergangenheit, dem andern wegen der Verbrechen, die von seinen nachsten Angehorigen begangen worden waren.

Er hatte sich hierin auch nicht geirrt, denn Martial und seine Braut erklarten sich mit Freuden bereit, auf ein solches Anerbieten einzugehen, und auch Schuri gefiel, seit er wu?te, da? er nicht allein nach Algier gehen solle, sondern in Begleitung von zwei Leuten, die er in gewissem Sinne als Kameraden ansehen mu?te, der Vorschlag recht gut, zumal sie Besitzer von zwei aneinandersto?enden Meiereien werden sollten.

Schuri kam den beiden Auswanderungskameraden trotz seiner Beklommenheit mit aller ihm moglichen Herzlichkeit entgegen, und in verhaltnisma?ig kurzer Zeit waren sie nicht mehr blo?e Bekannte, sondern hatten sich angefreundet, denn Leute von solchem Schlage durchschauen einander schnell und schlie?en sich entweder schnell aneinander oder verbei?en sich in eine unuberwindliche Abneigung gegeneinander. Wenn nun auch Schuri sich von seiner Beklommenheit nicht so leicht frei machen konnte, so lie? er sich doch nicht lange notigen, sich uber alles mit Martial und seiner Braut zu beraten, was fur ihre Reise und die neuen Lebensbedingungen, in die sie treten sollten, von irgendwelchem Belang war.

Zehntes Kapitel.

Schuri und Martial.

Dem Leser wird es nach diesen Szenen begreiflich erscheinen, da? Schuri, als er von dem traurigen Gange seines neuen Freundes nach Bicetre horte, wo sich derselbe von Mutter und Schwester verabschieden sollte, es sich nicht nehmen lie?, ihn bis ans Tor zu begleiten und dort in einem Fiaker auf ihn zu warten.

»Mut, mein Lieber!« trostete er ihn, als er ihn, bleich vor Entsetzen uber das dort Erlebte, durch das Tor zuruckkommen sah, »Mut! Du hast doch gewi? alles mogliche getan, was ein guter Sohn solcher Mutter gegenuber irgend tun kann. Es stand nicht in deiner Macht, von dem Schicksal, das deine Schwester und Mutter uber sich heraufbeschworen haben, das geringste abzuwenden. Jetzt mu?t du an deine Frau und deine Geschwister denken, die du daran gehindert hast, in die sundigen Fu?stapfen deiner Eltern und deiner anderen Geschwister zu treten. Zudem wenden wir ja schon heute abend Paris den Rucken. Du wirst kaum noch einmal etwas sehen oder horen von alledem, was dich jetzt so in Betrubnis und Kummer setzt.«

»Rede, was du willst, Schuri,« antwortete Martial, »meine Mutter bleibt's doch, und meine Schwester desgleichen.«

»Freilich, freilich; aber es la?t sich doch einmal nichts daran andern, und in Dinge, die unabanderlich sind, mu? man sich fugen. Was bleibt anders ubrig? Mit Leichen kann man nun einmal nicht rechnen, und auch nicht rechten.«

»Ja, ja,« versetzte Martial, »es mag dir auch nicht leicht ankommen, mir Trost zuzusprechen, hast du doch selbst Ursache zu Kummernis mehr denn genug!«

»Na, wenn wir erst mal aus Paris weg sind, dann wird wohl die Betrubnis von mir weichen,« antwortete Schuri.

»Wir hoffen ja ebenfalls, da? alles besser werden wird, wenn wir erst Paris hinter uns haben,« erwiderte Martial.

»Hm,« sagte Schuri, der ein paar Augenblicke geschwiegen hatte, worauf ihn ein unwillkurlicher Schauder uberlief, »wenn ich nur erst weg bin!«

»Wir wollen heute abend fahren – du doch auch?« fragte Martial, »oder hast du dich etwa anders besonnen?«

»Ich? Da? ich nicht wu?te,« sagte Schuri.

»Na, was bedeuten dann deine Reden?«

Schuri gab eine Zeitlang keine Antwort; dann raffte er sich gewaltsam auf und sagte:

»Ich will dir etwas sagen, Martial ... du wirst wohl die Achseln zucken, aber sagen mu? ich es nun doch einmal ... Sollte mir etwas zusto?en, dann wird es dir ein Beweis dafur sein, da? ich mich nicht geirrt habe.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Als Herr Rudolf,« sagte Schuri, »uns fragte, ob wir mitsammen nach Algier gehen mochten, und ob wir dort als Farmnachbarn leben mochten, da habe ich dich und deine Frau nicht tauschen mogen ... Ich habe euch beiden gesagt, was ich gewesen bin.«

»Reden wir nicht mehr davon!« erwiderte Martial, »du hast deine Strafe verbu?t und bist nun genau soviel wert wie jeder andere Mensch. Da? du aber, wie auch ich, lieber weit weg vom Schusse bist, begreife ich vollstandig; denn hier mag es leicht einmal dem oder jenem einfallen, dir mit einem Vorhalte wegen deiner Vergangenheit zu kommen, und so etwas hort man nicht gern ... Mir kann es wegen meiner Angehorigen genau so gehen, trotzdem ich doch sicherlich nicht verantwortlich gemacht werden kann fur das, was jene auf ihrem Kerbholze haben. Zwischen uns beiden ist ja die Vergangenheit begraben. Also mach dir weiter keine Gedanken, wir rechnen drauf, da? du kommst und mitfahrst, genau so, wie du auf uns rechnen darfst.«

»Na ja doch,« erwiderte Schuri, »zwischen uns beiden mags ja stimmen; aber wie ich schon zu Herrn Rudolf gesagt habe, dort oben,« – und dabei zeigte er gen Himmel – »dort oben gibts etwas, mit dem wir nicht rechnen konnen – und ich – Martial – ich habe nun doch einmal einen Menschen um sein Leben gebracht.«

»Das ist ja allerdings eine bose Sache, mein Lieber,« sagte Martial, »aber du bist im Augenblicke der Tat eben auch nicht Herr uber dich gewesen, warst vielleicht gar von Sinnen ... Bei dir liegts aber noch insofern anders – und das bringt doch die Wage bei dir ins Gleichgewicht – du hast andern Menschen wiederum das Leben gerettet –«

»Wei?t du, Martial, wenn ich von dem Ungluck, das mich betroffen, rede, so habe ich dazu einen ganz besonderen Grund. Sonst plagte mich zuweilen ein gar ha?licher Traum – der Feldwebel erschien mir darin, der, den ich umgebracht habe – lange Zeit bin ich von dem Traume verschont geblieben – gestern ist er aber wiedergekommen.«

»Ach, geh! Das ist doch blo?er Zufall.«

»Ganz sicher nicht. Denn jedesmal wenn ich von dem Feldwebel traume, dann geschieht mir irgend ein Ungluck,« antwortete Schuri.

»Aber rede doch nicht, Freund – wer wird sich denn mit solchen Geschichten abgeben?«

»La? gut sein! Mir sagt ein eigentumliches Gefuhl, da? ich Paris wohl nicht verlassen werde.«

»Schwatze doch blo? nicht! Du gehst nicht gern von dem Herrn weg, der dein Wohltater in so hohem Ma?e geworden ist, dein Gang mit mir nach Vicetre hat dir auch den Kopf warm gemacht: da ist's doch eben erklarlich, da? einem solches Zeug mal traumt, besonders wenn man es schon fruher dann und wann getraumt hatte.«

Aber Schuri schuttelte den Kopf und legte das Gesicht in bedenkliche Falten ... »Ich hab' dasselbe getraumt, gerade am Tage vor Herrn Rudolfs Abreise ... und heute trifft es sich ebenfalls wieder so, da? Traum und Abreise zusammenstimmen.« – »Heute?« fragte Martial. – »Jawohl! Gestern habe ich jemand in seinen Palast geschickt, weil ich nicht selbst hingehen mochte – denn er hatte es mir verboten – der Furst, hie? es, reise heute vormittag in der elften Stunde ab und werde durch die Charentoner Vorstadt fahren ... Falls wir rechtzeitig in Paris ankommen, werde ich mich, um ihn noch einmal – gewi? das letzte Mal im Leben – zu sehen, dort aufstellen.«

»Ich begreife freilich, Schuri, da? du dem Herrn sehr anhanglich bist, ist er doch ein gar zu gutiger Herr.«

»Anhanglich?« wiederholte Schuri, tief ergriffen ... »das ist das richtige Wort schwerlich – wenigstens druckt es nicht halb das aus, was ich empfinde. – Mu?te ich auf der Erde liegen bei Schwarzbrot und Wasser, ja mu?t ich sein Hund sein, mir war alles recht – wenn ich blo? in seiner Nahe bleiben durfte! Aber – er mags nicht – er mags nicht – und da? es nicht sein kann, das geht mir wider den Strich – das kann ich nicht verwinden – nun und nimmer! Verstehst du?«

»Er hat dich auch immer sehr reich bedacht, Schuri – und das spricht doch eben auch mit!«

»Das ist's nicht, was bei mir von Einflu? ist – das nicht! Sondern blo?, weil er zu mir gesagt hat, ich hatte ein Herz im Leibe und auch Ehre ... Zu einer Zeit, wo ich wild war wie eine Bestie, und wo ich mich selbst als den elendesten Auswurf betrachtet habe, da hat er mir gezeigt, da? noch immer etwas Gutes in mir steckte, weil ich

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