ich der Prinzessin, meiner neubacknen Cousine, prasentiert werden sollte ... Ich verabschiedete mich bei meiner Tante und begab mich in meine Wohnung ...

Ich bin immer offen gegen Dich gewesen, lieber Max, und habe aus meinem Herzen zu keiner Zeit eine Mordergrube gemacht. Drum will ich Dir auch jetzt bekennen, welch albernen und torichten Einbildungen ich mich hingegeben habe, als ich nach dieser Unterhaltung mit mir allein war.

Am dritten Tage, morgens.

Du hast mir so oft gesagt, lieber Max, da? ich keinen Schimmer von Eitelkeit an mir hatte, ich glaube auch, da? ich frei von diesem Gebrechen bin, aber ich mu? es hier ausdrucklich sagen, denn wenn ich in Deinen Augen nicht als selbstgefalliger Tor erscheinen will, durfte es mir schwer fallen, in der Schilderung des weiteren Verlaufes dieser Begebenheit fortzufahren.

Als ich allein in meinem Zimmer war, mu?te ich wohl oder ubel mit dem ewig wiederkehrenden Gedanken an die junge Prinzessin, die sich mein Bild angesehen und beifallig daruber geau?ert hatte, fertig zu werden suchen. Am meisten beschaftigte mich die Frage der Prinzessin, ob uber den »Vetter aus der guten alten Zeit« bei meiner Tante Weiteres verlautet habe?

Nichts war indessen torichter als die Hoffnung, da? sich auf einen so unbedeutenden Umstand wie diesen irgend welches Luftschlo? bauen lasse. Immerhin hatte mich der Fall nicht blo? interessiert, sondern – ich bekenne Dir das ebenso unverhohlen wie alles andere, was zu meinem Berichte gehort – er hatte mich sogar in einen gewissen Grad von Begeisterung versetzt.

Sicher hatten die Lobspruche, die der Prinzessin aus dem Munde einer so gereiften und urteilsstrengen Dame wie meiner Tante zuteil geworden waren, mir einen noch wesentlich hoheren Begriff von ihrem Werte beigebracht, als ich bisher von ihr fassen konnte ... diese Lobspruche hatten indessen auch mich fur die Auszeichnung empfanglicher gemacht, die sie mir – oder vielmehr meinem Bilde – hatte zuteil werden lassen ... Genug! Diese Auszeichnung rief in mir so torichte Gedanken wach, da? ich mich nachdem ich nun gelernt habe, die jungste Vergangenheit mit kuhlerem Blicke zu betrachten, selbst frage, wie es wohl habe geschehen konnen, da? ich mich von solchen Gedanken derart habe hinrei?en lassen konnen, da? ich im Grunde genommen gar nicht weit mehr vom Rande des Abgrundes war ...

Wenn ich auch mit dem gro?herzoglichen Hause verwandt bin und von dem Gro?herzog selber nie anders als mit freundlichem Wohlwollen aufgenommen worden bin, so habe ich doch zu der Hoffnung, mit der Prinzessin eine eheliche Verbindung einzugehen, nicht den allergeringsten Anla?. Wohl nicht einmal in dem Falle, da? wir beide in Liebe zueinander entbrannt waren ... Und wie konnte ich mir derlei Gedanken einbilden? ... Unsere Familie ist ja makellos, aber sie ist arm im Vergleich zu den bedeutenderen Reichtumern des gro?herzoglichen Zweiges; es ist wohl nicht zuviel gesagt, wenn man unsern Gro?herzog fur den reichsten aller deutschen Fursten halt ... Und weiter: war ich nicht gerade erst 21 Jahre alt? Und war ich nicht blo? einfacher Gardekapitan? Wie konnte der Gro?herzog auch nur im entferntesten daran denken, sich einen solchen Schwiegersohn auszusuchen?

All diese Erwagungen hatten mich freilich wohl abhalten konnen, mich mit Gedanken zu befassen, denen es an jeglichem Boden fehlte. Aber wenn ich auch eine wirkliche Leidenschaft noch nicht empfand, von der Vorahnung einer solchen war ich durchaus nicht frei ... Leider aber uberlie? ich mich weiteren kindischen Ideen dieser Art. So trug ich einen Ring am Finger, den mir ehedem die liebe, gute Grafin Thekla – die Du ja auch kennst – gegeben, und wenn auch solches Pfand einer, gelinde gesagt, torichten Passion mich nur wenig fesseln konnte, so opferte ich es doch ohne weiteres der neu in meinem Herzen erwachten Leidenschaft: der arme Ring verschwand in den Fluten des unter meinem Fenster vorbeirauschenden kleinen Flusses.

Soll ich Dir erzahlen, wie ich die Nacht verbrachte? Das ware wohl unnutz? Denken wirst Du es Dir ja doch konnen ... Ich hatte erfahren, da? die Prinzessin eine engelschone Blondine sei ... Ich suchte mir ihre Gesichtszuge, ihre Erscheinung, den Klang ihrer Stimme zu vergegenwartigen; suchte mir den Ausdruck ihres Bildes vor die Seele zu zaubern; wenn mir dann das Portrat von mir einfiel, das ihre Aufmerksamkeit geweckt hatte, dann mu?te ich mir sagen, da? der Kunstler, von dem es herruhrte, mir beispiellos geschmeichelt hatte, um sich den Beifall meiner Eltern, besonders meiner in mich verliebten Tante zu sichern. Ja, mehr noch: ich verglich das romantische Pagenkostum aus dem 16. Jahrhundert mit der nuchternen Uniform eines Gardekapitans Seiner k. u. k. Apostolischen Majestat und mu?te mir sagen, da? ein Vergleich zwischen beiden Trachten zu meinem Vorteil keineswegs ausfallen konnte.

Diesen kindischen Gedanken, lieber Freund, folgten ja, wie ich nicht unerwahnt lassen will, oft auch edlere Empfindungen ... ich fuhlte mich tief ergriffen, wenn ich mir die Prinzessin als gutige Fee vor die Augen hielt, die sich der armen verlassenen Geschopfe, die in der von ihr ins Leben gerufenen Anstalt weilten, so liebevoll annahm, vor die Seele fuhrte ...

Am dritten Tage, mittags.

Wie ich Dir sagen mu?, lieber Freund, ich habe die Nacht, von der ich Dir erzahle, und einen Teil des andern Tages in wirklicher Seelenangst verbracht. Du wei?t, da? ich niemals im Leben mir auf meine personlichen Vorzuge das geringste zugute getan habe; immerhin wollte der Gedanke nicht von mir weichen, da? mein Bild einen gewissen Eindruck auf die Prinzessin gemacht habe; ein Gluck wenigstens, da? ich mir nach wie vor gegenwartig hielt, da? mich eine unubersteigliche Kluft von ihr schied. Und doch wollte der Gedanke nicht von mir weichen, da? sie mich nach dem Bilde nicht wiedererkennen mochte, da? ich dem Bilde in natura nicht das Wasser zu reichen vermochte ... Ich hatte sie noch mit keinem Blicke gesehen, war aber im voraus der festen Meinung, da? sie mich kaum eines Blickes fur wert halten werde ... und doch hatte ich es fertig gebracht, ihr das Pfand zu opfern, das ich zur Erinnerung an meine erste Liebe am Finger getragen hatte!

Zwei Stunden spater.

Endlich ist sie da, die wichtige Stunde des feierlichen Empfanges bei Hofe! Ich pa?te verschiedene Uniformen an, mu?te aber zugeben, da? eine immer unvorteilhafter sa? als die andere, und fuhr endlich, hochst unzufrieden mit meiner Personlichkeit, nach dem gro?herzoglichen Palaste ...

Gerolstein ist zwar nur eine knappe Viertelstunde von der Abtei entfernt – wie ich schon einmal bemerkt habe – und doch besturmten mich auf dieser kurzen Fahrt tausenderlei Gedanken! all die torichten Betrachtungen, mit denen ich mich befa?t hatte, schwanden hin vor einer einzigen ernsten, truben, fast bedrohlichen Ahnung, die mich zufolge einer jener seltsamen Krisen uberkam, die zuweilen ein ganzes Menschenleben bestimmen: einer Ahnung, da? ich in Liebe, leidenschaftlicher Liebe entbrennen wurde – in einer Liebe, wie der Mensch sie nur einmal im Leben empfindet ... und da? mich diese Liebe, um das Ma? meines Verhangnisses voll zu machen, weil sie eben auf ein so hohes und wurdiges Ziel sich richtete, auf Lebenszeit unglucklich machen wurde!

Daruber entsetzte ich mich so, da? ich auf einmal den gescheiten Einfall bekam, den Wagen halten zu lassen, wieder nach der Abtei zu fahren und von da die Ruckfahrt zu meinem Vater zu unternehmen, es der Tante uberlassend, wie es ihr gelingen werde, meine schnelle Abreise bei dem Gro?herzoge zu rechtfertigen oder wenigstens zu entschuldigen ...

Leider sollte mich aber eine jener bedeutungslosen Ursachen, wie sie sich oft im Leben finden, die aber haufig von so ernsten Folgen begleitet sind, an der Ausfuhrung dieses Entschlusses verhindern.

Mein Wagen hatte am Eingange der zum Palaste fuhrenden Allee gehalten. Ich bog mich aus dem Schlage, in der Absicht, dem Kutscher zuzurufen, da? er umkehren solle, als mich Baron von Keller erblickte, der mit seiner Gemahlin auch zu Hofe fuhr und auch halten lie? ...

»Mein Prinz, kann ich Ihnen irgendwie gefallig sein?« fragte der Baron diensteifrig, »ist mit Ihrem Wagen was passiert? Steigen Sie doch mit zu uns ein! Sie wollen doch ebenfalls nach dem Schlosse?«

Es ware doch leicht gewesen, irgend eine Ausrede zu ersinnen; aber – war es Mangel an Willensstarke oder der heimliche Wunsch, mich von dem gefa?ten Entschlusse frei zu machen? Kurz, ich erwiderte ziemlich betreten, da? ich meinen Kutscher erst habe Erkundigung einziehen lassen wollen, ob durch den neuen Pavillon oder durch den Marmorhof gefahren werden solle ...

»Ei, durch den Marmorhof, Prinz,« antwortete der Baron, »ist doch heute gro?er Empfangstag! Sagen Sie doch Ihrem Kutscher, er solle hinter mir herfahren: ich werde Ihnen den Weg zeigen.«

Ich glaube, Max, Du wei?t, da? ich an Vorbestimmungen glaube ... Nachdem mir etwas in den Weg gekommen war, meinte ich, das Schicksal wolle nicht, da? ich in die Abtei zuruckkehre, mir all das geahnte Herzeleid zu ersparen, und so uberlie? ich mich meinem Sterne ... Du kennst wohl das gro?herzogliche Palais

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