nicht? Es wird vielfach behauptet von Leuten, die alle Hauptstadte Europas gesehen haben, da?, Versailles ausgenommen, keine furstliche Residenz als Ganzes genommen einen so majestatischen Eindruck wecke, wie sie ...
Wenn ich mich hier bei mancherlei Einzelheiten aufhalte, so liegt der Grund lediglich darin, da? ich mich jetzt wieder all der Herrlichkeit erinnere, wobei ich mich freilich auch wieder frage, wie sie mich nicht auf der Stelle an meine Nichtigkeit habe erinnern konnen: war ja doch die Prinzessin Amalie die Tochter des reichen Fursten, dem all diese Schatze zu eigen gehorten!
Am vierten Tage, morgens.
Der Marmorhof ist im weiten Halbkreise gebaut und hei?t darum so, weil er mit Ausnahme eines breiten Granitweges, auf dem die Wagen zu- und abfahren, ganz mit Marmorplatten aller erdenklichen Farben und Muster belegt ist, die die prachtigsten Mosaiken bilden. In seiner Mitte hat er ein machtiges Breccia-Bassin, in das aus einer gro?en Porphyrvase unaufhorlich machtige Wasserstrome herniedersturzen. Der »Marmorhof« benamste Ehrenhof ist kreisformig mit einer Reihe wei?er Marmorstatuen umgeben, die vergoldete Fackeln tragen, aus denen abends blendendes Gaslicht flammt und mit denen medizaische Vasen auf reichgearbeiteten Sockeln abwechseln, aus denen sich machtige Lorbeerrosen erheben, deren dunkles Laub in der hellen Beleuchtung metallischen Gruns erglanzt ...
Die Wagen hielten am Fu?e einer doppelten Terrasse mit Balustraden, die zu der Vorhalle des Palais fuhrt. Am Fu?e derselben hielten Reiter vom Garderegimente des Gro?herzogs, der, wie Du ja wei?t, seine Garden unter den gro?ten und schonsten Unteroffizieren seines Kontingents auswahlt. Oben vor der Vorhalle, an jeder Seite des Eingangs, standen zwei Grenadiere, zu dem gro?herzoglichen Garde-Infanterie-Regimente gehorig, bis auf die Farbe des Rockes und der Aufschlage, wie mir gesagt wurde, ganz in der Uniform der Grenadiere Napoleons. In der Vorhalle waren Schweizer in glanzenden Livreen mit ihren Hellebarden postiert. Ich stieg eine prachtige Treppe aus wei?em Marmor hinauf, die zu einem von Jaspissaulen getragenen Portikus fuhrte, uber den sich eine mit Malereien und Vergoldungen geschmuckte Kuppel erhob. Hier stand in zwei langen Reihen die Dienerschaft versammelt.
Ich trat nun in den Garden-Saal, an dessen Tur sich ein Kammerherr und ein Adjutant Seiner Hoheit aufhielten, um die zur personlichen Vorstellung bestellten Personen zu dem Gro?herzoge zu fuhren. Meine Verwandtschaft mit dem gro?herzoglichen Hause – wenn sie auch ziemlich entfernten Grades war – verschaffte mir diese Ehre; – ein Adjutant schritt mit mir durch eine lange Galerie, die von Kavalieren in Hoftracht und ihren Damen angefullt war.
Langsam passierte ich diese glanzende Versammlung. Ein paar Worte drangen zu meinen Ohren, die meine Bewegung noch vermehrten. Von allen Seiten erklangen Worte der Bewunderung uber die engelhafte Schonheit der Prinzessin Amalie, uber die beispiellose Liebenswurdigkeit der Marquise von Harville, uber das wahrhaft kaiserliche Aussehen der Erzherzogin Sophie, die mit dem Erzherzoge Stanislaus von Munchen gekommen war und bald wieder nach Warschau weiter zu reisen gesonnen war. Bei aller Gerechtigkeit, die man den beiden Damen zuteil werden lie? und zuteil werden lassen mu?te – herrschte nur eine Stimme uber den wahrhaft idealen Liebreiz der Prinzessin Amalie, die aller Herzen mit wahrer Zaubergewalt gefangen nahm!
Je mehr ich mich dem Platze naherte, wo der Gro?herzog mit seiner Tochter weilte, desto heftiger schlug mir das Herz. Als ich in die Salontur trat, – ich verga? Dir zu sagen, da? Hofkonzert und Ball war – fing Liszt eben an zu spielen, und alles noch so leise Gefluster verstummte jah. Wartend, bis der beruhmte Kunstler zu Ende gespielt, verweilte ich an der Turnische.
Von hier aus, Max! sah ich zum ersten Male die Prinzessin Amalie. Einen Moment gestatte mir, diesen Moment zu schildern! Ein unwiderstehlicher Reiz verknupft sich mir mit dieser Erinnerung ... und ich kann nicht anders, als mich darein zu versenken ...
Stelle Dir einen gro?en, mit koniglicher Pracht moblierten Salon vor, mit reichen, roten Seidentapeten ausgeschlagen, uber die eine breite, goldne Guirlande hinlauft ... alles von blendenden Lichtmengen erhellt. In der ersten Reihe auf hohen, reich vergoldeten Armsesseln sa?en die Erzherzogin Sophie, neben ihr der Furst, die Honneurs des Hauses machend; links von ihr die Marquise von Harville, und rechts von dem Fursten die Prinzessin Amalie. Per Gro?herzog trug die Obersten-Uniform seiner Garde. Das Gluck, sein Kind wiedergefunden zu haben, wie auch die Gegenwart der Marquise, der Geliebten seines Herzens, schien ihn so zu verjungen, da? er nicht alter als drei?ig Jahre zu sein schien. Die Uniform hob die Eleganz seiner Gestalt und die Vornehmheit seiner Gesichtszuge kraftig hervor. Neben ihm stand, in Feldmarschallsuniform, Erzherzog Stanislaus. Dann folgten die Ehrendamen der Prinzessin Amalie, die Gemahlinnen der Gro?wurdentrager, zuletzt diese selbst.
Soll ich Dir aber- und abermals wiederholen, da? die Prinzessin Amalie nicht sowohl durch den hohen Rang, den sie bekleidete, hervorstach als durch die unbeschreibliche physische Schonheit, mit der sie diese gesamte glanzvolle Umgebung uberstrahlte? ... Verdamme mich nicht, lieber Freund, sondern lies erst, was ich Dir hier mitteile. Meine Schilderung steht klaftertief unter der Wirklichkeit, und doch wird es Dich nicht verwundern, da? ich die Prinzessin anbetete, da? ich, kaum da? ich sie gesehen, in Liebe zu ihr entbrannte, und da? der Glut und dem elementaren Ausbruch meiner Leidenschaft nur die Heftigkeit und die ewige Dauer gleichkommen ...
Die Prinzessin erschien in einer schlichten Robe aus wei?er Seide, geschmuckt wie die Erzherzogin Sophie mit dem gro?en Bande des Sankt-Nepomukordens, das ihr von der Kaiserin von Ru?land verliehen worden war. Ein kostbares Perlendiadem umgab die schone und edle Stirn, wunderbar zu den breiten blonden Haarflechten stimmend, die ihre leicht geroteten Wangen umrahmten. Die schlohwei?en Arme, wei?er fast als die sie einhullenden Spitzen, guckten aus Halbhandschuhen hervor, die bis an den mit schelmischen Grubchen wunderlieb gezierten Ellbogen heranreichten. Aber etwas Herrlicheres als ihren in einem wei?en Atlasschuh steckenden Elfenfu? hatte sich schwerlich jemand denken konnen.
In dem Moment, da ich sie sah, blickten ihre schonen blauen Augen wie traumerisch – ich wei? nicht, ob infolge irgend welches ernsten Gedankens, der sie erfullte, oder unter der Einwirkung der elegischen Musik, die der Kunstler vortrug ... aber ihr leichtes Lacheln schien mir unaussprechlich sanft und zum Herzen zu gehen ... Sie hielt den Kopf leicht geneigt, wahrend sie ein Strau?chen wei?er Nelken und Rosen, das sie in der Hand hielt, entblatterte.
Was ich in diesem Augenblick empfand, werde ich nie in Worte kleiden konnen. Alles, was mir meine greise Tante von der unendlichen Herzensgute Amaliens gesagt hatte, kam mir wieder in die Gedanken. O, lachle nur, Freund! Als ich das wunderliebliche Madchen so traumerisch und nachdenklich, ja fast traurig in dieser glanzenden Umgebung sah an der Seite ihres hervorragenden Vaters, mit aller Liebe umgeben, ja man konnte sagen, vergottert von ihm, da, lieber Freund, wahrhaftig, da war es mir, wie wenn ich weinen mu?te ...
Ich habe es Dir schon immer gesagt, Max, meiner Meinung nach ist der Mensch unvermogend, vollstandiges Gluck zu genie?en: seine geistige Fahigkeit ist zu eng bemessen, uber ein gewisses Ma? reicht seine Fassungsgabe dafur eben nicht aus. Aber aus demselben Grunde meine ich auch, da? es vereinzelte uber dieses Durchschnittsvermogen hinaus begabte Individuen gibt, die es zuweilen mit schmerzlicher Bitterkeit empfinden mogen, wie allein und vereinsamt sie hier auf Erden stehen, und die dann das hohere Ma? ihres Gemutslebens beklagen, weil es sie eben gar vielen Tauschungen und seltsamen Friktionen aussetzt, fur die alle Durchschnittsnaturen gar kein Verstandnis haben.
Mir kam es in jenem Augenblicke so vor, als stehe Prinzessin Amalie unter der deprimierenden Empfindung solches Bewu?tseins. Ganz unvermutet ... ich glaube, durch einen wunderlichen Zufall veranla?t, wendete sie die Augen nach der Seite hin, wo ich stand ...
Am vierten Tage, fruh.
Du kennst die strenge Etikette am gro?herzoglichen Hofe, wei?t, wie scharf die Rangunterschiede bei uns gezogen werden. Mein Titel und meine verwandtschaftlichen Beziehungen zum Gro?herzoge berechtigten mich – wahrend sich die mich im ersten halben Stundchen umgebenden Personlichkeiten zuruckgezogen hatten – zum Verweilen ... so da? ich fast allein, und in auffalliger Weise sichtbar, vor dem Eingange der Galerie stand ...
Auf diese Weise erklart es sich, da? mich die aus ihrem Sinnen erwachende Prinzessin sehen mu?te ... Und da? sie mich sah, entging mir auch nicht, ja ich meinte wahrzunehmen, da? sie eine leichte Bewegung, wie wenn sie uberrascht sei, machte und sogar errotete.
Bei meiner Tante hatte sie, wie ich Dir erzahlte, mein Bildnis gesehen, und mich wiedererkannt. Nichts ist einfacher als das ... Kaum eine Sekunde lang hat sie mich angesehen, aber dieser einzige jahe Blick zundete bei mir wie ein elektrischer Funken ... Ich fuhlte, wie mir das Blut in die Wangen scho?. Ich senkte die Blicke zu Boden,