kommen? Leicht wird es ja schlie?lich, wenn Cecily nicht halt, was man von ihr erwartet, immer sein, ihre Auslieferung durchzusetzen. Was brauchts weiter, als dem Sohne des Gerolsteiner Kerkermeisters den Wink zu geben, da? man ihre Entfuhrung durch ihn wunscht? Die Mestize wird sich zur Flucht nicht notigen lassen. Ihrem Urteil entgeht sie ja nicht dadurch, denn sie bleibt nach wie vor eine Gefangene, deren Verhaftung Hoheit jederzeit beantragen kann.« – »Nun, wir werden ja sehen, was geschieht. Hoheit wunscht, da? von unsrer Kanzlei ein Trauschein Davids eingeholt werde, da David als Hofbeamter Seiner Hoheit in seinem Schlosse getraut worden ist. Als David von Hoheit erfuhr, da? Cecily kommen solle, war er wie versteinert. Dann rief er: »Hoffentlich ersparen mir Durchlaucht den Anblick dieses Ungeheuers.« – Darauf sagte Hoheit: »Aengstigen Sie sich nicht! Sie sollen das Weib nicht sehen; aber ich mu? sie kommen lassen, da ich ihrer zu gewissen Planen unbedingt bedarf.« – David fuhlte sich durch diese Zusage erleichtert; da? er sich aber durch die Erinnerungen, die sich an dieses Weib knupften, schwer bedruckt fuhlt, glaube ich trotz allem.« – »Der arme Nigger ist ihr vielleicht noch immer gut. Eine sehr hubsche Person soll sie ja sein.« – »O gewi?, und nur das scharfe Auge eines Kreolen konnte das Mischblut in ihr erkennen.« – »Wie ist denn der David zu ihr gekommen, lieber Murph? Sie wissen, wie alles, gewi? auch das! Erzahlen Sie es mir doch!« –

Zehntes Kapitel.

Davids und Cecilys Geschichte.

»In Florida lebte ein reicher amerikanischer Pflanzer, namens Willis, der einen mit au?erordentlichem Verstand begabten jungen Negersklaven hatte. Nachdem der Sklave mehrere Jahre im Krankenhause der Pflanzung verwendet worden war, kam Willis auf den Gedanken, ihn Medizin studieren zu lassen. Da es hierzu in Florida an Unterrichtsanstalten fehlte, schickte Willis seinen Sklaven nach Frankreich, von wo derselbe nach acht Jahren, mit der Doktorwurde ausgestattet, zuruckkehrte, von Willis mit Begeisterung willkommen gehei?en. Nun entfaltete David in Florida eine segensvolle Tatigkeit als Arzt; seine unglucklichen Bruder verehrten ihn als ein von der Vorsehung gesandtes Wesen; es gelang ihm auch, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Nach Verlauf von etwa einem Jahre fing eine Sklavin der Willis'schen Pflanzung an, durch ihre Schonheit aufzufallen. Sie hie? Cecily, und bald stellte sich heraus, da? sie David liebte, der ihr bei einer Epidemie, die in der letzten Jahreshalfte die Pflanzung heimsuchte, das Leben gerettet hatte. Sie stand in ihrem sechzehnten Jahre und hatte auch die Aufmerksamkeit des Pflanzers, eines sehr sinnlich veranlagten Mannes, auf sich gezogen. Cecily beichtete David ihr Ungluck, denn sie konnte Willis nicht lieben und wollte sich ihm opfern. David beruhigte sie und erbat sich von Willis, um Cecily aufs wirksamste zu schutzen, Cecily zur Frau, bekam aber von diesem abschlagigen Bescheid, ja Willis sagte, David scheine zu vergessen, da? er ja selbst noch Sklave sei und gar kein Recht habe, ihm bei Cecily in die Quere zu kommen. Da trat David zum ersten Male als Mann auf, der seine Pflichten nicht verletzen, aber auch seine durch den achtjahrigen Aufenthalt im Auslande erworbenen Rechte nicht gering achten lassen wollte. Daruber geriet Willis in Zorn und drohte David mit der Kette. Ein schlimmes Wort gab nun das andere, und nach zwei Stunden stand David am Pfahle, mit von Peitschenhieben zerfleischtem Rucken, wahrend Cecily vor seinen Augen in das Schlafzimmer des Pflanzers geschleppt wurde. Aber die Nemesis blieb nicht aus. Willis wurde bald darauf von schwerer Krankheit befallen, und arztliche Hilfe, als Davids, war nicht zur Stelle. Willis mi?traute David aber, von dessen Rache er das Schlimmste furchtete. Es blieb ihm aber zuletzt doch nichts anderes ubrig, als Davids Hilfe in Anspruch zu nehmen, und David rettete ihn, wurde aber zum Lohne dafur von dem Pflanzer, sobald er ihn nicht mehr gebrauchte, wieder in Arrest gesteckt.« – »Man kann es sich erklaren, denn Willis erblickte in ihm doch einen standigen Vorwurf,« sagte der Baron, »und wenn, wie Sie sagen, die Neger ihn vergotterten, so war wohl direkte Gefahr fur den Pflanzer nicht ausgeschlossen.« – »Ganz recht, es wurde laut gemurrt, und Willis meinte, die Keime zu einer Emporung wahrzunehmen. Die Folge hiervon war, da? er David noch scharfer bewachen lie? als bisher, um ihm jede Moglichkeit zur Rache abzuschneiden. Als die Dinge so weit gediehen waren, kamen wir in Frankreich an. Seine Hoheit hatte auf Sankt-Thomas eine danische Brigg gemietet, mit der wir samtliche Pflanzungen an der Kuste befuhren und uberall glanzende Aufnahme fanden. So auch bei Willis. Im Weinrausche erzahlte uns Willis von seinem Sklaven David und dessen Verhaltnis zu Cecily. Hoheit wollte ihm die ungeheuerliche Geschichte nicht glauben, worauf Willis uns in Davids Kerker fuhrte. Etwas Gra?licheres als wir in diesem scheu?lichen Loche erblickten, hatte ich in meinem Leben noch nicht vor Augen gehabt. Die beiden Wesen, die hier an Ketten geschmiedet lagen, glichen nicht Menschen mehr, sondern Gespenstern. David sprach kein Wort, uber die Lippen des Madchen aber kamen wehklagende Laute. Mit schneidendem Hohne fragte der Pflanzer den armen David, warum er sich nicht von all seinem Gebreste heile, da er doch in Paris auf seine Kosten so lange studiert hatte? – David hob seine Rechte empor und sprach nur, ohne den Pflanzer eines Blickes zu wurdigen, in feierlichem Tone das einzige Wort: »Gott!« – Willis aber, trunken von Wein, streckte ebenfalls die Faust gen Himmel und rief: »Geh mir mit deinem Gott! So lange er mir nicht meine Sklaven entrei?en kann, ehe der Tod sie abruft, so lange glaube ich nicht an ihn!«

»Mit Abscheu wandten wir uns ab. Hoheit au?erte kein Wort, aber auf der Stelle gab er Befehl zum Marsche nach der Brigg zuruck. Als aber um ein Uhr die Pflanzung in tiefem Schlafe lag, landeten wir von neuem. Hoheit drang mit acht Bewaffneten in Davids Kerker und befreite ihn, wie auch die mit ihm die Haft teilende Kreolin. Dann drang er in das Schlafzimmer des Pflanzers, warf ihm einen Sack voll 25,000 Dublonen aufs Bett und rief ihm zu: »Gestern lastertet Ihr Gott, indem Ihr ihn herausfordertet, Euch Eure Sklaven vorm Tode zu entrei?en. Heute entrei?e ich sie Euch! Moge Gott Euch richten!«

»Darauf verlie?en wir die Pflanzung. Willis war wie betaubt und stand ab von jeglicher Verfolgung. Nach wenigen Minuten waren wir wieder auf der Brigg und gingen unter Segel.«

»Fur ein solches Verhalten unserer Hoheit kann es niemand an Verstandnis fehlen, der es mit angesehen, wie er Bakel hat bestrafen lassen,« bemerkte der Baron; »aber hatte dieses Abenteuer nicht noch andere Folgen?« – »Nein, denn wir fuhren unter danischer Flagge. Hoheit wahrte ihr Inkognito auf das strengste, so da? wir allgemein fur reiche Englander gehalten wurden. Wohin hatte also Willis Beschwerden richten sollen? David sowohl als Cecily waren so arg mitgenommen, da? sie nur durch die sorgsamste Pflege dem Tod entrissen werden konnten. Von da ab steht David im Dienste Seiner Hoheit als Leibarzt und ist einer seiner getreuesten Sklaven.«

»Und nach der Landung in Europa hat David die Kreolin geheiratet?« fragte der Baron. – »Ja. In der Schlo?kapelle sind sie, wie schon gesagt, getraut worden. Cecily verga? aber schnell, was David um ihretwillen gelitten, verga? auch den eigenen Schmerz schnell und schamte sich bald, als die Frau eines Negers zu gelten. Sie sank von Stufe zu Stufe, bis sie zuletzt mit einem verworfenen Liebhaber ihrem Manne nach dem Leben trachtete. Als dies ruchbar wurde, lie? Hoheit sie lebenslanglich einsperren, und zwar, wie auch schon bemerkt, auf der Festung Gerolstein. Jetzt hat es Durchlaucht beliebt, sie freizulassen – zu ihrem Staunen, Herr Baron, und zum meinigen nicht minder. Aber – es ist uber unsrer Unterhaltung spat geworden. Hoheit wunscht, da? so schnell wie moglich ein Kurier nach Gerolstein abgehe.« – »Sehr wohl, lieber Murph,« sagte der Baron, den Hut vom Tische nehmend, »empfehlen Sie mich bei Hoheit aufs warmste und vergessen Sie nicht, da? heut abend Ball im ***schen Gesandtschaftshotel ist. Hoheit will selbst anwesend sein ...« –

»Heute abend?« fragte Murph: »ach, richtig, Herr Baron! Nun, ich komme, wenn es auch etwas spat werden durfte, denn meines Wissens will Hoheit noch heute das mysteriose Haus in der Rue du Temple besichtigen.«

Dritter Teil.

Erstes Kapitel.

In der Rue du Temple.

Noch am selben Tage, an dem die Besprechung des Barons Graun mit Murph stattgefunden, bei trubem

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