spater unterrichtet werden; heute moge er sich mit der Mitteilung – die dem Leser wohl kaum noch uberraschend sein wird – begnugen, da? das Madchen, dessen Bekanntschaft er unter den Namen Marienblumchen und Schalldirne bereits gemacht hat – Rudolfs Tochter aus seiner Ehe mit Sarah war, da? aber er sowohl wie Sarah sie fur tot hielten.

Siebentes Kapitel.

Der Ball

In der Rue Plumet fuhr in der elften Nachtstunde an der Tur eines Palastes eine Staatskutsche, von zwei prachtigen Grauschimmeln gezogen, vor. Auf dem mit gefranster Decke uberzogenen Bocke sa? ein Hune von Kutscher im blauen Pelzrock, mit gro?em Marderkragen, silbernen Tressen und Schnuren besetzt. Hintenauf stand ein gepuderter Hune von Lakai in blauer Livree neben einem Jager mit ungeheurem Schnauzbarte, dessen breit bordierter Hut von einem gelb und blauen Federbusche verdeckt war. Die Kutsche war mit Atlas ausgeschlagen; die Laternen warfen helles Licht hinein; Rudolf sa? darin, links von ihm Exzellenz Graun, ihm gegenuber der getreue Murph. Auf seinem Leibrock trug Rudolf, dem Souveran zu Ehren, von dessen Gesandten das Ballfest gegeben wurde, zu dem Rudolf fuhr, den Stern mit Diamanten des *schen Ordens; um Walter Murphs Hals hingen Band und Emailkreuz des goldnen Adlerordens von Gerolstein; Exzellenz Graun trug die gleiche Auszeichnung.

»Seltsam, wie ahnlich doch mancher Mensch einem Chamaleon ist!« meinte Rudolf, »man sollte eigentlich kaum davon sprechen, aber in diesen Kontrasten, in denen zum Beispiel ich mich bewege, liegt doch ein eigentumlich pikanter Reiz. Heut bin als Fachermaler in einer gemeinen Schenke der Rue des Poix; morgen Handlungsdiener, der der Frau Pipelet ein Glas Likor anbietet; heut abend wieder einer der wenigen Menschen, die von Gottes Gnaden als Herrscher uber die Erde gesetzt find.« – »Ich mochte, da wir noch allein sind,« bemerkte Murph, »eine Frage an Sie stellen: Meinen Sie im Ernste in dem italienischen Scharlatane den Abbe Polidori wiedererkannt zu haben?« – »Ganz ohne Zweifel,« versetzte Rudolf »zumal Sie ja doch gewu?t haben, da? er seit einiger Zeit sich in Paris aufhalt.« – »Ich habe, wenn nicht vergessen, so doch vermieden,« sagte Murph, »mit Hoheit daruber zu sprechen, ist mir doch bekannt genug, wie schrecklich Ihnen die Erinnerung an diesen Menschen ist.«

Rudolfs Zuge verfinsterten sich von neuem. Er versank in trubes Sinnen und sprach kein Wort mehr, bis der Wagen in den Hof des Gesandtschaftspalais eingefahren war, dessen Fenster samtlich erleuchtet waren, vor dem eine doppelte Reihe von Lakaien in Staatslivree stand, die sich bis zu den Wartesalen hinzog, in denen sie von den Kammerdienern abgelost wurden.

Graf und Grafin ** hatten bis zu Rudolfs Ankunft im ersten Empfangssaale geweilt; als er mit Murph und Graun eintrat, hefteten sich aller Blicke auf ihn. Er hatte ein so ausgesprochen furstliches Exterieur, da? seine Erscheinung tatsachlich Sensation machte. Die Frau des Gesandten, Grafin **, ging ihm entgegen und begru?te ihn mit den Worten: »Hoheit, Sie erweisen uns eine so hohe Ehre, da? ich tatsachlich nicht wei?, wie ich meinen Dank in Worte kleiden soll.« – »Sie wissen doch, Frau Grafin, da? ich es mir allezeit angelegen sein lasse, Ihnen meine Huldigung zu Fu?en zu legen. Mir wird die Erinnerung an die von Ihnen veranstalteten Festlichkeiten nie aus dem Gedachtnisse schwinden, denn Feste wurdig zu arrangieren, verstehen Sie ja doch sozusagen allein.« – »Hoheit sind wirklich zu gutig ...« – »Gnadige Frau, erlauben Sie mir, Ihnen meinen Arm zu bieten? Ich habe von einem Blumengarten sprechen horen, der feenhaft eingerichtet und zur gegenwartigen Jahreszeit geradezu wie ein echtes Weltwunder wirken soll. Mochten Sie mich so glucklich machen, es mir personlich zu zeigen?« – »Sehr schmeichelhaft, Hoheit! Aber – Sie werden bald erkennen, da? ich auch hierin all Ihrer Nachsicht bedarf, wenn der Eindruck, den Sie von diesem Weltwunder – wie Sie scherzhaft sagen – gewinnen, nicht allzu sehr hinter der Wirklichkeit zuruckbleiben soll.«

Rudolf reichte der Grafin den Arm und fuhrte sie durch mehrere Sale, wahrend ihr Gemahl sich mit dem Baron Graun und mit Sir Walter Murph, mit denen er schon seit Jahren intim bekannt war, angelegentlich unterhielt.

Es war eine lange, stattliche Galerie von 40 Klafter Lange und 3 Klafter Breite, die durch ein leichtes, kuppelformiges Glasgehause in etwa 50 Fu? Hohe uberdacht war; ihre vier Seitenwande waren mit zahllosen Spiegeln bedeckt; kraftige Orangenbaume und gro?e Kamelien bildeten zum Eingange hin Spalier. Bis zu dem Kuppeldache hinauf schlangen sich Girlanden von Blattern und Bluten in Spiralen; Tulpen, Narzissen, Hyazinthen, Cyklamen und Iris schufen eine Art naturlichen Teppichs, auf dem alle Farben und Schattierungen in der lieblichsten Weise vertreten waren. Bunte Papierlaternen hingen an langen Schnuren, stellenweis unter lauschigem Grun versteckt. Drei Treppenfluchten fuhrten zu der Galerie hinauf, deren Flammenhelle das Halbdunkel gleichsam einrahmte, worin sich die Umrisse der hohen Baume des Wintergartens zeigten, der durch zwei hohe Vorhange aus karmesinrotem Samt halbgeschlossen war und einem Fenster von riesenhaften Dimensionen glich, durch das man in einer herrlichen Nacht auf eine schone Landschaft hinausblickt. Geschwacht durch die Ferne und durch das Stimmengewirr auf der Galerie, verklangen die Tone des Orchesters melodisch unter den starren Blattern der exotischen Baume. Unwillkurlich wurde in diesem Garten leise gesprochen, so da? man kaum das leichte Gerausch der Tritte und das Rauschen der Atlasgewander horte. Alle Sinne wurden durch die leichte, von tausend Wohlgeruchen aromatischer Gewachse erfullte Luft und die ferne Musik in eine liebliche Ruhe versetzt. Rudolf konnte einen Ausruf der Ueberraschung nicht zuruckhalten, sondern sagte zu der Grafin: »Wahrlich, gnadige Frau, so etwas hatte ich nicht fur moglich gehalten. Was man hier sieht, ist ja nicht blo? Luxus, mit vornehmstem Geschmack gepaart, sondern wirkliche lebendige Poesie.« – »Eure Durchlaucht durfen mir nicht allzu sehr schmeicheln, sonst werde ich ja verwohnt. Betrachten Sie doch jene reizende junge Dame dort! Es sind doch andere meines Geschlechts auch auf der Welt, die nach Ihrem Lobe lechzen. Da? die Marquise von Harville uberall gefallt, wo man sie sieht, werden Sie mir kaum abstreiten wollen. Nicht wahr? Ist nicht auch ihr Wesen entzuckend? Gewinnt sie nicht durch den Kontrast der starren Schonheit, die neben ihr wandelt?«

Im namlichen Augenblicke stiegen die Grafin Sarah Mac Gregor und die Marquise von Harville die letzte Treppenflucht hinauf, die von der Galerie nach dem Wintergarten fuhrte.

Achtes Kapitel.

Die Begegnung.

Es war keine ubertriebene Schilderung, die die Grafin von der Marquise von Harville gegeben hatte. Sie war tatsachlich von imposanter Schonheit, von einer um so selteneren Schonheit, als dieselbe weniger in der Regelma?igkeit der Zuge, als in dem unbeschreiblichen Reize des gesamten Ausdrucks ihres Gesichtes beruhte, aus dem ein unsagliches Ma? von Herzensgute sprach. Ihr blendend wei?er Teint war vom frischesten Rot uberhaucht, und uber die Schultern, die fest waren wie Marmor und schoner glanzten als wei?er Marmor, fiel das hellbraune Haar in langen Locken. Ihr frischer Mund verhielt sich zu dem herrlichen Augenpaar, wie ein freundlich gewinnendes Wort zu dem sanftesten aller melancholischen Blicke.

Sie trug ein wei?es Kreppkleid, das mit rosa Kamelien garniert war, unter denen, halbversteckt, Diamanten gleich funkelnden Tautropfen blitzten. Ueber ihre wei?e, reine Stirn lief anmutig ein Band, gewunden aus Kamelienblattern.

Grafin Sarah, die an ihrer Seite schritt, war etwa 35 Jahre, schien aber nicht alter als drei?ig zu sein. Ihr Aussehen schien wie ein Beweis dafur, da? Selbstsucht am besten konserviert. Ein leichtes Embonpoint lieh ihr eine in gewissem Sinne uppige Grazie. Das Feuer ihrer gluhend schwarzen Augen auszuhalten, waren nur wenige Menschen imstande. Ihre feuchten roten Lippen deuteten auf Entschlossenheit und Sinnlichkeit. Auch sie trug uber der Stirn einen diademartigen Schmuck in Form eines Kranzes aus naturlichen und smaragdgrunen Pyrrhusblattern, der zu dem gescheitelten kohlschwarzen Haare vortrefflich pa?te und ihrem leidenschaftlichen Profil mit der romischen Nase ein an die Antike erinnerndes Aussehen gab.

Beide hatten Rudolf in dem Augenblicke gesehen, als sie gleich ihm dem Wintergarten zuschritten; Rudolf aber schien sie nicht zu sehen, denn er stand, als sie sichtbar wurden, gerade an der Ecke einer Allee.

»Der Furst ist so lebhaft von der Gemahlin unsers Gesandten eingenommen, da? er auf uns gar nicht achtet,«, sagte die Marquise zu Sarah. – »O, glauben Sie doch nicht so etwas, liebe Clemence,« versetzte Sarah,

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