schwarzseidene Mutze verdeckt.

Der Wagen verlie? die Rue du Temple. Nach Verlauf von zwei Stunden, in der Abendzeit, hielt er vor einem Kreuze an der Stelle, wo von der Stra?e ein oder Hohlweg zur Meierei Bouqueval hin fuhrte, in der sich unter Obhut der Frau Georges die Schalldirne befand.

Drittes Kapitel.

In der Meierei

Die Meierei galt in der ganzen Gegend als Musterwirtschaft. An dem Tage, an welchem wir den Leser zum zweiten Male dorthin fuhren, war Marie, die Schalldirne, – wie sie in der Schenke hie? – mit der Futterung des Federviehs beschaftigt. Ihr kleines Haubchen lie? die Stirn und das blonde Haar Mariens unbedeckt. Wie es unter der Pariser Landbevolkerung Mode war, hatte sie uber das Haubchen ein breites, rotes Tuch gebunden, dessen Zipfel uber die Schultern fielen. Ein uber dem Busen zusammengelegtes wei?es Batisttuch wurde zur Halfte durch den hohen, breiten Latz ihrer grauen Leinwandschurze verdeckt. Ein Mieder aus dunkelblauem Tuch mit engen Aermeln hob die schlanke Taille hervor, und schneewei?e Strumpfe und Stockelschuhe, die in kleinen Holzschuhen steckten, erganzten den schlichten, landlichen Anzug, der durch Mariens naturliche Reize etwas ungewohnlich Grazioses erhielt. Aus der an beiden Zipfeln zusammengenonnnenen Schurze warf sie Korner unter die sie umringende geflugelte Schar.

Unterdes sa?en Madame Georges und der Abbe Laporte am Kamin im kleinen Zimmer und unterhielten sich von dem Madchen, das fur sie immer einen interessanten Gesprachsgegenstand bildete.

»Sie haben recht, liebe Frau Georges,« sagte Laporte, »wir mussen das Herrn Rudolf melden. Fragt er sie, dann wird sie ihrem Wohltater doch vielleicht aus Dankbarkeit sagen, was sie vor uns verborgen halt.« – »Mariens traurige Stimmung, Herr Abbe,« sagte Frau Georges, »la?t sich durch nichts zerstreuen, ja selbst ihr Flei? beim Unterrichte kann sie nicht davon ablenken.« – »Sie hat wirklich recht gute Fortschritte gemacht,« sagte der Abbe. – »Nicht wahr? Lesen, schreiben und rechnen kann sie ja schon besser als ich, und ich brauche mich um die Bucher in der Meierei schon gar nicht mehr zu kummern. Ach, und wie lieb hat sie hier jedermann!«

»Sagten Sie nicht,« fragte der Abbe, »da? Mariens Traurigkeit sich besonders zeigt, seitdem Frau Dubreuil, die Pachtersfrau vom Lucenayschen Landgute, hergekommen?«

»Ganz recht,« antwortete Frau Georges, »so kam es mir vor, aber Frau Dubreuil, wie auch ihre Tochter waren von Marien recht begeistert, und noch heute uberhaufen sie sie mit Beweisen ihrer Freundschaft, kommen auch in der Regel Sonntags her, aber trotzdem Klara Marien wie eine Schwester liebt, scheint sie nach jedem solchen Besuche trauriger zu werden.«

Da trat Marie in die Stube ... »Wo warst du, Kind?« fragte Madame Georges. – »In der Obstkammer,« antwortete das Madchen: »das Obst hat sich recht gut gehalten, es war nur wenig davon angefault.« – »Sie mussen sich einmal von ihr in die Obstkammer fuhren lassen, Herr Abbe,« sagte Frau Georges, »Sie glauben gar nicht, wie schmuck sie dort alles hergerichtet hat.« – »O, ich habe ja schon die Milchkammer bewundert,« antwortete der Abbe lachelnd, »darum konnte sie jede Hausfrau beneiden. Aber – eben ist die Sonne untergegangen. Es wird Ihnen knapp Zeit bleiben, mich nach Hause zu bringen. Da, nehmen Sie Ihren Mantel! Wir wollen gehen, liebes Kind. Sonst uberfallt Sie die Nacht auf dem Heimwege. Aber es ist heut kalt, und darum wohl besser, Sie bleiben hier, und eines von den Leuten bringt mich nach Hause.«

»Aber, Herr Abbe,« sagte Marie, den Geistlichen mit ihren gro?en blauen Augen ansehend, »ich mu?te ja denken, Sie seien gar nicht mehr zufrieden mit mir, wenn ich Sie nicht begleiten durfte.« Und rasch hatte sie ihren Mantel aus grobem wei?en Wollenstoff ubergeworfen und fa?te den Geistlichen unter.

»Ein Gluck nur,« sagte dieser, »da? es nicht weit ist bis zu mir, und da? der Weg nicht unsicher ist. Sonst hatte ich es heute entschieden nicht gelitten, da? mich Marie begleitet.«

Zusammen mit dem Madchen verlie? der Geistliche die Meierei, und nach Verlauf weniger Minuten kamen sie zu dem Hohlwege, in welchem die Eule mit Bakel und dem lahmen Jungen sich versteckt hatte.

Viertes Kapitel.

Ein Hinterhalt.

»Still, Mann,« sagte die Eule zu Bakel, als sie den geistlichen Herrn mit Marien durch den Hohlweg gehen sah, »Schickschen und Schwarzer sind eben vorbei. Nach der Beschreibung, die uns der Lahme von ihr gegeben, mu? sie es sein. Ist sie auf dem Ruckwege bis hierher gekommen, mussen wir uber sie herfallen und sie nach dem Wagen schleppen.« – »Und wenn sie schreit?« – sagte Bakel, »du sagst doch, die Hauser seien ganz in der Nahe ... da wird man das Geschrei doch im Dorfe horen! Nein, la? ihr doch den Lahmen entgegengehen und ihr sagen, seine alte Mutter sei im Hohlwege gesturzt und sie solle ihr zu Hilfe kommen. Ist sie in der Mitte des Hohlwegs, dann fallen wir uber sie her. Du packst sie mit der einen Hand an der Gurgel, mit der andern haltst du sie fest. Dann packen wir sie in meinen Mantel und schleppen sie bis zum Wagen. Dann im Trabe nach der Ebene von Saint-Denis, wo der lange Mann in Trauerkleidern auf uns warten will.«

»Abgemacht, Mann,« erwiderte, lustig lachend, die Eule, »du bist doch immer der klugste! Ja, das nenne ich doch noch einen Mann!« Und zu dem Lahmen sich wendend, fragte sie: »He, Strick, du mochtest Wohl gern wissen, wovon wir reden? Na, wenn du hubsch artig bist, dann wollen wir dich schon unser Rotwelsch noch lehren. Alt genug bist du ja nun dazu.« – »Ach ja, lassen Sie es mich lernen, gute Frau,« sagte der Junge, »lieber bleibe ich ja bei Ihnen als bei dem alten Scharlatan, dem ich immer Gewurze sto?en oder das Pferd putzen mu?. Wu?te ich nur, wo er sein Rattengift fur Menschen versteckt, dann tate ich ihm gern was in die Suppe, um von ihm loszukommen.«

»Oho, woher wei?t du denn,« fragte die Eule, »da? dein Herr Rattengift fur Menschen hat?« – »Er hat's selber mal gesagt, als ich im schwarzen Kabinett mich versteckt hatte, wo er seine Flaschen und Apparate aufstellt, und wo er in den kleinen Topfen und Flaschen kocht. Zu einem Herrn sagte er's, dem er ein Pulver in einem rosa Papiere gab: wer davon dreimal was bekame, der mu?te unter die Erde, ohne da? jemand wu?te, wie und warum, und ohne da? eine Spur davon ubrig bliebe.« – »Und wer war der Herr?« fragte Bakel. – »Ein schoner junger Herr, mit schwarzem Schnurrbart und einem richtigen Madchengesicht. Er ist nachher noch einmal gekommen und da hat mich der Bradamanti ihm nachgeschickt, weil er wissen wollte, wo er wohnt. Auf diese Weise habe ich den Namen des Herrn erfahren. Er wohnt in der Rue de Chaillot Nr. 11 und hei?t Saint- Remy.«

»Ei, du bist ja ein Bengel zum Anbei?en,« rief die Eule, dem kleinen Lahmen einen Ku? gebend, »uber deine Pfiffigkeit geht so bald nichts, wie es scheint.« – »Ja,« sagte der Schulmeister, »du sollst mich armen Blinden fuhren und den Leuten sagen, du seiest mein Sohn. So schleichen wir uns in die Hauser, und, potz alle Teufel! wenn uns die Eule getreu bleibt, dann werden wir manchen guten Fang machen. Diesem Teufel von Rudolf, der mir die Augen ausstechen lie?, will ich schon zeigen, da? ich noch nicht am Ende meiner Taten angelangt bin. Die Neigung zum Schlimmen hat er mir nicht aus dem Herzen rei?en konnen. Ich werde hinfort der Kopf von uns sein, wahrend du das Auge bist, Junge, und die Eule die Hand. He, du bist doch mit dabei?« –

»Ja, ich gehore dir an fur Strick und Galgen, Morderchen!« sagte die Eule, »bin ich doch gleich, als ich aus dem Stockhause kam und im Wei?en Kaninchen horte, wo du stecktest, zu dir aufs Dorf hinausgerannt und habe den Leuten dort gesagt, da? ich deine Frau sei.« –

Diese Worte weckten im Herzen Bakels eine schlimme Erinnerung; er anderte auf einmal den Ton und die Sprache und rief mit zorniger Stimme: »Ja, so mitten allein unter rechtschaffenen Menschen wurde es mir langweilig. Da kam ich auf den Einfall, es wieder mit dir zu versuchen; aber bekommen ists mir schandlich; denn schon am andern Tage war mir mein Geld aus dem Gurtel gestohlen. Kein anderer kanns mir gemaust haben als du! Warum schlage ich dich nicht auf der Stelle nieder, sobald du mir mal nahe kommst? Aber – der Teufel soll mich holen! Ich bin nun ganz in deine Hande gegeben, seit ich das Augenlicht verloren habe.« – Und doch machte er einen Schritt in der Richtung, wo er die Eule vermutete. Ihr zum Schutze hob der lahme Junge einen Stein auf und zielte damit nach Bakel, den er damit an der Stirn verwundete. Wild wie ein verwundeter Stier, richtete Bakel sich in die Hohe, machte ein paar Schritte, strauchelte jedoch bald ... »Brich den Hals, Luder!« keifte die Eule und

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