nehmen. Sie verhalt sich nicht normal. Ich wei? genau, dass du denkst, sie ist verruckt.« »Das denke ich nicht«, sagte ich.

Eric schlug ihr vom Rucksitz aus auf den Hinterkopf. »Du bist die Verruckte«, sagte er. »Schnauze, Arschgesicht.« »Selber Schnauze, Kotztute.«

»Ich will kein Wort mehr von euch horen«, sagte ich laut. »Dafur bin ich wirklich nicht in der Stimmung.«

Mittlerweile rollten wir auf den Wendeplatz vor der Schule. Die Kinder kletterten hinaus. Nicole sprang vom Beifahrersitz, drehte sich um und warf mir, als sie ihren Rucksack nahm, einen wutenden Blick zu. Dann war sie verschwunden.

Ich glaubte nicht, dass Julia verruckt war, aber irgendetwas hatte sich eindeutig verandert, und als ich unser morgendliches Gesprach noch einmal Revue passieren lie?, war mir aus anderen Grunden nicht wohl zu Mute. Viele Bemerkungen von ihr klangen so, als versuchte sie, eine Anklage gegen mich aufzubauen. Methodisch, Schritt fur Schritt.

Du schlie?t mich aus und haltst die Kinder von mir fern.

Ich bin da, du nimmst mich blo? nicht wahr.

Ich bin eine gute Mutter, ich versuche, einen sehr stressigen Job und die Bedurfnisse meiner Familie unter einen Hut zu bringen.

Du unterstutzt mich in keiner Weise. Du untergrabst meine Position, du sabotierst mich.

Du bringst die Kinder gegen mich auf.

Ich konnte mir ohne weiteres vorstellen, wie ihr Anwalt das alles vor Gericht wiederholte. Und ich wusste auch, warum. Laut einem Artikel, den ich vor kurzem in der Zeitschrift Redbook gelesen hatte, lag »Entfremdung der Kinder« derzeit als Scheidungsgrund im Trend. Der Vater bringt die Kinder gegen die Mutter auf. Vergiftet ihre kleinen Kopfe mit Worten und Taten. Wahrend Mommy wie immer vollig schuldlos ist.

Jeder Vater wusste, dass die Rechtsprechung Mutter hoffnungslos bevorzugte. Die Gerichte legten Lippenbekenntnisse zur Gleichbehandlung ab und sprachen dann ein Kind der Mutter zu. Selbst wenn die nie da war. Selbst wenn sie ihre Kinder schlug oder sie hungern lie?. Solange sie kein Junkie war oder ihren Kindern nicht die Knochen brach, war sie in den Augen des Gerichts eine taugliche Mutter. Und auch wenn sie ein Junkie war, hie? das noch lange nicht, dass der Vater das Kind zugesprochen bekam. Die Exfrau eines Freundes bei MediaTronics war heroinsuchtig gewesen und hatte uber Jahre hinweg einen Entzug nach dem anderen gemacht. Schlie?lich lie?en sie sich scheiden und hatten das gemeinsame Sorgerecht. Die Frau war angeblich clean, aber die Kinder sagten, sie sei es nicht. Mein Freund war besorgt. Er wollte nicht, dass seine Ex die Kinder im Auto herumfuhr, wenn sie unter Drogen stand. Und er wollte nicht, dass seine Kinder mit Dealern in Beruhrung kamen. Also beantragte er das alleinige Sorgerecht, und er verlor. Der Richter entschied, dass die Exfrau sich redlich Muhe gab, ihre Drogensucht zu uberwinden, und dass Kinder die Mutter brauchten.

So also sah die Realitat aus. Und jetzt hatte ich den Eindruck, dass Julia anfing, genau diese Vorwurfe gegen mich zu sammeln. Mich frostelte.

Gerade hatte ich mich in eine ziemliche Wut hineingesteigert, da klingelte mein Handy. Es war Julia. Sie wollte sich entschuldigen.

»Es tut mir wirklich Leid. Ich hab heute Morgen blode Sachen gesagt. Das hab ich nicht so gemeint.«

»Was?«

»Jack, ich wei? doch, dass du mich unterstutzt. Naturlich tust du das. Ohne dich wurde ich das alles nicht schaffen. Du machst deine Sache mit den Kindern ganz wunderbar. Ich bin einfach in letzter Zeit nicht ich selbst. Es war blod von mir, Jack. Es tut mir Leid, was ich da alles gesagt habe.«

Als das Telefonat beendet war, wunschte ich, ich hatte das aufgenommen.

Um zehn hatte ich eine Verabredung mit meiner Headhunterin Annie Gerard im sonnigen Innenhof eines Cafes an der Baker Street. Wir trafen uns immer im Freien, damit Annie rauchen konnte. Sie hatte ihren Laptop aufgeklappt und ihr drahtloses Modem eingestopselt. Eine Zigarette baumelte ihr von der Lippe, und sie blinzelte durch den Rauch.

»Haben Sie was fur mich?«, fragte ich, sobald ich ihr gegenubersa?.

»Und ob ich was fur Sie habe. Zwei sehr gute Angebote.«

»Toll«, sagte ich und ruhrte in meinem Cappuccino. »Lassen Sie horen.«

»Wie war's hiermit? Leitender Forschungsanalyst bei IBM, der fur den Bereich verteilte Systemarchitektur hoherer Ordnung zustandig ist.«

»Genau mein Gebiet.«

»Das hab ich auch gedacht. Sie sind fur die Stelle wie geschaffen, Jack. Sie wurden ein Forschungslabor mit sechzig Leuten leiten. Grundgehalt zweiundfunfzig plus Optionsrechte uber funf Jahre plus Tantiemen auf alles, was in Ihrem Labor entwickelt wird.«

»Klingt toll. Wo?«

»Armonk.«

»New York?« Ich schuttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage, Annie. Was noch?«

»Leiter eines Teams, das fur ein Versicherungsunternehmen Multi-Agenten-Systeme furs Data Mining entwirft. Eine hervorragende Gelegenheit, und ...«

»Wo?«

»Austin.«

Ich seufzte. »Annie. Julia hat einen Job, den sie mag, in dem sie sehr engagiert ist, und sie wird ihn jetzt nicht aufgeben. Meine Kinder gehen hier zur Schule, und .«

»Die Leute ziehen standig um, Jack. Alle haben sie Kinder in der Schule. Kinder gewohnen sich schnell wieder ein.«

»Aber Julia .«

»Andere Leute haben auch berufstatige Frauen. Sie ziehen trotzdem um.«

»Ich wei?, aber die Sache ist die, Julia .«

»Haben Sie schon mit ihr daruber gesprochen? Haben Sie das Thema angeschnitten?«

»Also, nein, weil ich .«

»Jack.« Annie blickte mich uber den Laptop-Bildschirm hinweg an. »Ich denke, Sie sollten mit dem Quatsch aufhoren.

Sie konnen es sich nicht erlauben, wahlerisch zu sein. Sie entwickeln sich langsam zum Ladenhuter.«

»Ladenhuter«, sagte ich.

»Genau, Jack. Sie sind seit sechs Monaten ohne Arbeit. Das ist eine lange Zeit in der High-Tech-Branche. Die Firmen denken, mit Ihnen stimmt was nicht, wenn Sie so lange keinen Job gefunden haben. Die wissen zwar nicht, was da faul ist, aber sie nehmen einfach an, Sie haben zu viele Ablehnungen bekommen, von zu vielen anderen Firmen. Es dauert nicht mehr lange, und Sie werden nicht mal mehr zum Vorstellungsgesprach eingeladen. Nicht in San Jose, nicht in Armonk, nicht in Austin, nicht in Cambridge. Dann ist der Zug abgefahren. Haben Sie mich verstanden? Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«

»Ja, aber .«

»Kein Aber, Jack. Sie mussen mit Ihrer Frau sprechen. Sie mussen sich irgendwas uberlegen, um Ihr Ladenhuterdasein zu beenden.«

»Aber ich kann nicht weg aus dem Valley. Ich muss hier bleiben.«

»Hier sieht es nicht gut fur Sie aus.« Sie aktivierte den Bildschirm wieder. »Ich brauche nur Ihren Namen zu erwahnen, und schon hei?t es - sagen Sie mal, was ist da eigentlich los bei Media-Tronics? Bluht Don Gross eine Anklage?«

»Keine Ahnung.«

»Ich hore das Gerucht schon seit Monaten, aber es passiert einfach nichts. In Ihrem Interesse hoffe ich, dass da bald was publik wird.«

»Ich begreife das einfach nicht«, sagte ich. »Ich habe beste Erfahrungen in einem hei? umkampften Bereich, MultiAgenten-Systeme, Parallelverarbeitung und ...«

»Hei??«, sagte sie und warf mir einen schragen Blick zu. »Parallelverarbeitung ist nicht hei?, Jack. Die ist regelrecht radioaktiv. Jeder im Valley geht davon aus, dass sie den entscheidenden

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