»Die reparieren die Au?ensensoren.«

»Soll das hei?en, sie sind drau?en?«

»Nein, nein. Sie sind im Technikraum. Bobby meint, mit der Kalibrierung der Sensoreinheiten stimmt was nicht.«

»Na toll. Hat jemand Vince Bescheid gesagt?«

»Nein. Es ist ein Software-Problem. Bobby kummert sich drum.«

Plotzlich piepte mein Handy. Ich war uberrascht, nahm es aus meiner Tasche. Ich wandte mich an die anderen. »Handys funktionieren hier?«

»Ja«, sagte Ricky, »wir haben hier Antennen.« Dann stritt er sich weiter mit David und Rosie.

Ich trat in den Korridor und rief die Mailbox an. Ich hatte nur eine Nachricht, und zwar vom Krankenhaus, wegen Julia. »Mr. Forman, es geht um Ihre Frau, bitte rufen Sie uns so bald wie moglich an . « Dann die Durchwahl von einem gewissen Dr. Rana. Ich wahlte sie sofort.

Die Zentrale stellte mich durch. »Intensivstation.«

Ich bat darum, Dr. Rana zu sprechen, und wartete, bis er sich meldete. Ich sagte: »Hier spricht Jack Forman. Der Mann von Julia Forman.«

»Ah ja, Mr. Forman.« Eine angenehme, melodische Stimme. »Danke, dass Sie anrufen. Wie ich hore, haben Sie Ihre Frau gestern Abend ins Krankenhaus begleitet. Ja? Na, dann wissen Sie ja, wie ernst ihre Verletzungen sind, oder besser gesagt, ihre potenziellen Verletzungen. Wir halten genauere Untersuchungen fur dringend erforderlich, um eine Nackenwirbelfraktur, subdurale Hamatome und einen moglichen Beckenbruch auszuschlie?en.«

»Ja«, sagte ich, »das hat man mir gestern Abend schon gesagt. Gibt es ein Problem?«

»Allerdings. Ihre Frau lehnt jede weitere Untersuchung ab.«

»Im Ernst?«

»Gestern Abend durften wir Rontgenaufnahmen machen und das gebrochene Handgelenk richten. Wir haben ihr erklart, dass die Rontgenaufnahmen uns nur begrenzt Aufschluss uber ihren Zustand geben konnen und dass wir unbedingt eine Kernspin-tomografie machen mussen, aber sie weigert sich.«

Ich sagte: »Warum?«

»Sie sagt, das sei nicht erforderlich.«

»Naturlich ist es erforderlich«, erwiderte ich.

»Ja, absolut, Mr. Forman«, sagte Rana. »Ich will Sie nicht beunruhigen, aber bei einer Beckenfraktur besteht die Gefahr starker Blutungen im Unterleib, sodass letztlich sogar, na ja, Verbluten droht. Das kann sehr schnell gehen und ...«

»Was soll ich tun?«

»Wir mochten, dass Sie mit ihr reden.«

»Selbstverstandlich. Verbinden Sie mich mit ihr.«

»Leider wird sie im Augenblick wieder gerontgt. Konnen wir Sie telefonisch erreichen? Ubers Handy? Alles klar. Noch was, Mr. Forman, wir konnten mit Ihrer Frau keine psychiatrische Anamnese machen .«

»Wieso nicht?«

»Sie weigert sich, daruber zu sprechen. Ich meine Drogen, irgendwelche Verhaltensstorungen in der Vergangenheit und dergleichen. Konnen Sie uns vielleicht ein wenig Aufschluss daruber geben?«

»Ich kann's versuchen ...«

»Ich will Sie nicht beunruhigen, aber Ihre Frau hat sich, na ja, ein wenig seltsam verhalten, irrational. Mitunter fast wie im Wahn.«

»Sie hatte in letzter Zeit viel Stress«, sagte ich.

»Ja, das tragt sicherlich mit dazu bei«, sagte Dr. Rana beschwichtigend. »Und sie hat eine schwere Kopfverletzung, die wir naher untersuchen mussen. Ich will Sie nicht beunruhigen, aber offen gesagt, meine Kollegin von der Psychiatrie ist zu der Ansicht gelangt, dass Ihre Frau manisch-depressiv ist oder an einer drogenbedingten Storung leidet oder an beidem.«

»Verstehe .«

»Und bei einem Verkehrsunfall ohne fremdes Einwirken drangen sich solche Fragen naturlich auf .«

Damit meinte er, dass der Unfall ein Selbstmordversuch gewesen sein konnte. Ich hielt das fur unwahrscheinlich. »Mir ist nicht bekannt, dass meine Frau Drogen nimmt«, sagte ich. »Aber ich bin auch, ahm, seit ein paar Wochen besorgt wegen ihres Verhaltens.«

Ricky kam zu mir und stellte sich ungeduldig neben mich. Ich legte eine Hand auf die Sprechmuschel. »Es geht um Julia.« Er nickte und sah auf seine Uhr. Zog die Augenbrauen hoch. Ich fand es ziemlich seltsam, dass er mich drangte, obwohl ich doch mit dem Krankenhaus uber meine Frau sprach - seine unmittelbare Vorgesetzte.

Der Arzt schwafelte noch eine Weile, und ich beantwortete seine Fragen, so gut ich konnte, aber im Grunde konnte ich ihm nicht weiterhelfen. Er sagte, er werde Julia ausrichten, dass sie mich anrufen solle, sobald sie zuruck sei, und ich sagte, ich wurde auf ihren Anruf warten. Ich klappte das Handy zu.

Ricky sagte: »Okay, los geht's. Tut mir Leid, dass ich so drange, Jack, aber ... ich muss dir nun mal allerhand zeigen.«

»Gibt es ein Zeitproblem?«, fragte ich.

»Ich wei? nicht. Vielleicht.«

Ich wollte nachfragen, was er damit meinte, doch er ging bereits voraus, mit schnellem Schritt. Wir verlie?en den Wohnbereich durch eine weitere Glastur und gingen dann noch einen Korridor hinunter.

Dieser Gang, so fiel mir auf, war hermetisch abgedichtet. Wir schritten uber einen glasernen Laufsteg, der uber dem Boden schwebte. Das Glas hatte kleine Locher, und darunter befand sich eine Reihe von Vakuumleitungen zum Absaugen. Langsam gewohnte ich mich an das standige Zischen des Geblases.

In der Mitte des Korridors waren wieder zwei Glasturen. Wir mussten einzeln durch sie hindurchgehen. Sie teilten sich, als wir sie durchschritten, und schlossen sich hinter uns. Als wir unseren Weg fortsetzten, hatte ich erneut das starke Gefuhl, in einem Gefangnis zu sein, ein Gittertor folgte dem nachsten, es ging immer tiefer in etwas hinein.

Um mich herum war zwar alles Hightech und glanzende Glaswande - aber es war trotzdem ein Gefangnis.

6. Tag, 8.12 Uhr

Wir gelangten in einen gro?en Raum mit der Aufschrift »technik« und darunter stand »MolMat/FabMat/NahrMat«. Wande und Decke waren mit dem ublichen glatten Plastik bedeckt. Gro?e beschichtete Container stapelten sich auf dem Boden. Rechts sah ich eine Reihe wuchtiger Stahlkessel, die in den Boden eingelassen und von einem wahren Labyrinth aus Rohren und Ventilen umgeben waren, die wiederum hochragten. Es sah aus wie eine Mikrobrauerei, und ich wollte Ricky schon danach fragen, als er sagte: »Also hier seid ihr. Ich hab euch schon gesucht.«

An einem Klemmkasten unter einem Monitorbildschirm sah ich drei weitere Leute aus meinem damaligen Team. Sie blickten ein wenig schuldbewusst, als wir naher kamen, wie Kinder, die beim Kekseklauen erwischt wurden. Naturlich war Bobby Lembeck ihr Anfuhrer. Mit funfunddrei?ig uberwachte Bobby mittlerweile mehr Codes, als er schrieb, aber er konnte sie nach wie vor schreiben, wenn er wollte. Wie immer trug er eine verwaschene Jeans und ein Ghost-in-the-Shell-T-Shirt, und seinen allgegenwartigen Walkman hatte er am Hosenbund festgemacht.

Dann war da Mae Chang, wunderschon und zart, ein Gegensatz zu Rosie Castro, wie er starker nicht sein konnte. Mae hatte als Biologin in Sichuan Feldstudien uber Stumpfnasenaffen betrieben, ehe sie sich mit Mitte zwanzig dem Programmieren zuwandte. Durch ihre Forschungen in der Natur und aufgrund ihrer naturlichen Veranlagung schien sie fast gerauschlos. Mae sagte nur sehr wenig, bewegte sich kaum horbar und hob nie die Stimme - allerdings verlor sie auch niemals ein Streitgesprach. Wie viele Feldbiologen hatte sie die unheimliche Fahigkeit entwickelt, mit ihrer Umwelt zu ver-schmelzen, unauffallig, fast unsichtbar zu werden.

Und schlie?lich Charley Davenport, murrisch, zerknautscht und schon mit drei?ig ubergewichtig. Er war langsam und schwerfallig und sah aus, als hatte er in seinen Klamotten geschlafen, was er tatsachlich nach Marathonprogrammiersitzungen haufig tat. Charley hatte unter John Holland in Chicago gearbeitet und unter Doyne Farmer in Los Alamos. Er war Experte fur genetische Algorithmen, fur Programme, die die naturliche Selektion simulierten, um Antworten zu prazisieren. Doch er war eine Nervensage - er summte, schnaufte, er redete mit

Вы читаете Beute (Prey)
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату