sich selbst und furzte mit hemmungsloser Lautstarke. Die Gruppe ertrug ihn nur, weil er so talentiert war.

»Sind dafur wirklich drei Leute notig?«, fragte Ricky, nachdem ich allen die Hand gegeben hatte.

»Ja«, sagte Bobby, »dafur sind drei Leute notig, El Rooto, weil es kompliziert ist.«

»Wieso? Und nenn mich nicht El Rooto.«

»Zu Befehl, Mr. Root.«

»Nun red schon .«

»Also«, sagte Bobby, »nach der Episode heute Morgen hab ich als Erstes die Sensoren uberpruft, und mir scheint, dass sie falsch kalibriert sind. Da aber keiner nach drau?en geht, ist die Frage, ob wir sie falsch ablesen oder ob die Sensoren selbst defekt sind oder ob die Anzeige hier an der Anlage falsch ist. Mae kennt die Sensoren, sie hat sie in China benutzt. Ich nehme gerade eine Code-Uberprufung vor. Und Charley ist hier, weil er nicht gehen und uns in Ruhe lassen will.«

»Mann, ich hab wei? Gott was Besseres zu tun«, sagte Char-ley. »Aber ich hab den Algorithmus geschrieben, der die Sensoren steuert, und wir mussen den Sensorcode optimieren, sobald die beiden fertig sind. Ich warte nur, bis sie aufhoren herumzufummeln. Dann optimiere ich.« Er blickte Bobby scharf an. »Keiner von den beiden hat auch nur einen Schimmer vom Optimieren.«

Mae sagte: »Bobby schon.«

»Klar, wenn man ihm sechs Monate Zeit gibt, vielleicht.«

»Kinder, Kinder«, sagte Ricky. »Wir wollen doch vor unserem Gast keine Szene machen.«

Ich lachelte hoflich. In Wahrheit hatte ich gar nicht darauf geachtet, was sie sagten. Ich beobachtete sie blo?. Das waren drei meiner besten Programmierer - und als sie fur mich arbeiteten, waren sie so selbstbewusst gewesen, dass es schon fast an Arroganz grenzte. Aber jetzt fiel mir auf, wie nervos die Gruppe war. Sie waren alle gereizt, zankisch, schreckhaft. Und im Nachhinein erkannte ich, dass auch Rosie und David nervos gewesen waren.

Charley fing auf seine nervige Art an zu summen.

»Oh, nein«, sagte Bobby Lembeck. »Wurdest du ihm bitte sagen, er soll damit aufhoren?«

Ricky sagte: »Charley, wir haben doch uber deine Summerei gesprochen.«

Charley summte weiter.

»Charley ...«

Charley stie? einen langen, theatralischen Seufzer aus. Er horte auf zu summen.

»Verbindlichsten Dank«, sagte Bobby.

Charley verdrehte die Augen und sah zur Decke.

»Also schon«, sagte Ricky. »Seht zu, dass ihr hier fertig werdet, und dann geht zuruck auf eure Posten.«

»Alles klar.«

»Ich mochte, dass jeder so schnell wie moglich wieder da ist, wo er hingehort.«

»In Ordnung«, sagte Bobby.

»Ich meine es ernst. Auf eure Posten.«

»Herrgott noch mal, Ricky, wir haben verstanden. Haltst du jetzt bitte den Mund und lasst uns wieder arbeiten?«

Wir gingen weiter, und Ricky brachte mich zu einem kleinen Raum am anderen Ende des Korridors. Ich sagte: »Ricky, die drei haben sich aber ganz schon verandert, seit sie fur mich gearbeitet haben.«

»Ich wei?. Bei uns liegen im Augenblick die Nerven blank.«

»Und weshalb?«

»Wegen dem, was hier los ist.«

»Und was ist hier los?«

Er blieb vor einem Buro auf der anderen Seite des Raumes stehen. »Julia konnte es dir nicht sagen, weil es geheim ist.« Er offnete die Tur mit einer Schlusselkarte.

Ich sagte: »Geheim? Medizinische Aufnahmen sind geheim?«

Der Turriegel offnete sich klickend, und wir gingen hinein. Die Tur schloss sich hinter uns. Ich sah einen Tisch, zwei Stuhle, einen Computermonitor und eine Tastatur. Ricky setzte sich und fing augenblicklich an zu tippen.

»Das Projekt mit den medizinischen Aufnahmen war blo? ein nachtraglicher Einfall«, sagte er, »eine kleinere kommerzielle Anwendung der Technologie, an deren Entwicklung wir arbeiten.«

»Aha. Und die ware?«

»Eine militarische.«

»Xymos arbeitet furs Militar?«

»Ja. Vertraglich abgesegnet.« Er hielt inne. »Vor zwei Jahren hat das Verteidigungsministerium durch die Erfahrung in Bosnien den enormen Wert von Roboterfluggeraten erkannt, die uber Schlachtfelder fliegen und Bilder in Echtzeit ubermitteln konnen. Das Pentagon wusste, dass es in zukunftigen Kriegen immer komplexere Einsatzmoglichkeiten fur diese fliegenden Kameras geben wurde. Man konnte mit ihnen die Standorte feindlicher Truppen ausfindig machen, sogar wenn sie im Dschungel oder in Gebauden versteckt waren; man konnte lasergelenkte Raketen damit steuern oder den Standort befreundeter Truppen bestimmen und so weiter. Kommandeure auf dem Boden konnten die Bilder, die sie brauchten, in den gewunschten Spektren aufrufen - normal, infrarot, UV, egal was. Echtzeitaufnahmen werden ein ungemein wirkungsvolles Instrument bei der zukunftigen Kriegsfuhrung werden.«

»Okay ...«

»Aber«, sagte Ricky, »diese Roboterkameras waren offenbar anfallig. Man konnte sie wie Tauben abschie?en. Das Pentagon wollte eine Kamera, die man nicht abschie?en konnte. Sie hatten sich etwas sehr Kleines vorgestellt, vielleicht von der Gro?e einer Libelle - ein Ziel, das zu klein war, um getroffen werden zu konnen. Doch problematisch waren die Energieversorgung, die kleinen Steuerflachen und die Auflosung bei so kleinen Linsen. Sie brauchten gro?ere Linsen.«

Ich nickte. »Und da seid ihr auf einen Schwarm von Nano-komponenten gekommen.«

»Ganz genau.« Ricky deutete auf den Bildschirm, wo ein Schwarm schwarzer Punkte in der Luft kreiste und tanzte, wie Vogel. »Mit einer Komponentenwolke konnte man eine Kamera mit einer beliebig gro?en Linse bauen. Die kann man dann nicht abschie?en, weil eine Kugel einfach durch die Wolke hindurchgeht. Au?erdem konnte man die Wolke zerstreuen, so wie sich ein Vogelschwarm nach einem Schuss zerstreut. Dann ware die Kamera unsichtbar, bis sie sich neu formiert. Die Losung schien einfach ideal. Das Pentagon hat uns die Finanzierung der Entwicklung fur drei Jahre garantiert.«

»Und?«

»Wir haben angefangen, die Kamera zu bauen. Und gleich von Anfang an wurde klar, dass wir Probleme mit der verteilten Intelligenz haben.«

Ich kannte das Problem. Die Nanopartikel in der Wolke mussten mit rudimentarer Intelligenz ausgestattet werden, damit sie interagieren konnten, um einen Schwarm zu bilden, der sich in der Luft bewegte. Derart koordiniertes Handeln mochte ja einigerma?en intelligent scheinen, doch es erfolgte auch dann, wenn die Individuen, aus denen der Schwarm bestand, ziemlich dumm waren. Schlie?lich konnten Vogel und Fische das auch, und die zahlten nicht gerade zu den hellsten Geschopfen auf Erden.

Die meisten Menschen, die einen Vogel- oder einen Fisch-schwarm beobachteten, gingen davon aus, dass es einen Anfuhrer gab, dem die Ubrigen folgten. Der Grund fur die Annahme war der, dass Menschengruppen, wie die meisten sozialen Saugetiere, so strukturiert waren.

Aber Vogel und Fische hatten keine Anfuhrer. Ihre Gruppen waren anders organisiert. Wissenschaftliche Untersuchungen uber Schwarmverhalten - mit einer Bild-fur-Bild-Videoanalyse - erbrachten den Nachweis, dass es keinen Anfuhrer gab. Vogel und Fische reagierten auf einige einfache Stimuli untereinander, und das Ergebnis war koordiniertes Verhalten. Aber niemand steuerte es. Niemand fuhrte es an. Niemand dirigierte es.

Ebenso wenig waren einzelne Vogel fur Schwarmverhalten genetisch programmiert. Das Schwarmbilden war ihnen nicht fest eingeimpft. Es gab nichts im Vogelgehirn, was sagte: »Wenn das und das passiert, bilde einen Schwarm.« Im Gegenteil, das Schwarmbilden ergab sich innerhalb der Gruppe einfach aufgrund viel simplerer, primitiverer Regeln. Regeln wie: »Bleib moglichst nah bei den Vogeln, die dir am nachsten sind, aber sto? nicht mit ihnen zusammen.« Aufgrund solcher Regeln bildete die ganze Gruppe in flie?ender Koordination einen

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