»Auch in diesem Gebilde da. Aber vorher setzen wir sie neu an.«
Ich schuttelte den Kopf. Der Ausdruck sagte mir nichts. »Ihr setzt sie neu an?«
»Das ist eine kleine Verbesserung, die wir hier entwickelt haben. Wir lassen sie patentieren. Also, unser System lief von Anfang an einwandfrei - aber unsere Ertrage waren unglaublich niedrig. Wir haben ein halbes Gramm fertiger Molekule pro Stunde geerntet. Bei dem Tempo hatte es mehrere Tage gedauert, eine einzige Kamera zu bauen. Wir kamen nicht dahinter, wo das Problem lag. Die Schlussmontage in den Armen erfolgt in der Gasphase. Wir fanden heraus, dass die Molekularassembler schwer waren und zu Boden sanken. Die Bakterien lagerten sich auf einer Schicht uber ihnen ab und setzten Komponentenmolekule frei, die noch leichter waren und hoher schwebten. Die Assembler hatten daher sehr wenig Kontakt zu den Molekulen, die sie zusammenbauen sollten. Wir haben es mit einer Technologiemischung versucht, aber das hat nichts gebracht.«
»Was habt ihr also gemacht?«
»Wir haben das Assemblerdesign verandert, um eine lipo-trophe Basis zu erhalten, die an der Oberflache der Bakterien haftet. So kamen die Assembler besser mit den Komponentenmolekulen in Kontakt, und unsere Ertrage schnellten sofort in die Hohe.«
»Und jetzt sitzen eure Assembler auf den Bakterien?«
»Genau. Sie haften an der au?eren Zellmembran.«
An einem Computer in der Nahe druckte Ricky ein paar Tasten und holte das Assemblerdesign auf den Flachbildschirm. Der Assembler sah aus wie eine Art Windradchen fur Kinder, eine Reihe von Spiralarmen ragte in verschiedene Richtungen, und in der Mitte war ein dichter Knoten Atome. »Es ist fraktal, wie ich gesagt habe«, bemerkte er. »Es sieht also ganz ahnlich aus, nur um einiges kleiner.« Er lachte. »Wie die Puppe in der Puppe in der Puppe.« Er tippte wieder. »Jedenfalls, das hier ist die verbundene Konfiguration.«
Der Bildschirm zeigte jetzt den Assembler, der an einem erheblich gro?eren, pillenformigen Objekt klebte, wie ein Windrad an einem Unterseeboot. »Das da ist das Theta-d-Bakterium«, sagte Ricky. »Mit dem Assembler dran.«
Wahrend ich auf den Bildschirm starrte, gesellten sich noch ein paar Windradchen mehr hinzu. »Und diese Assembler bauen die eigentlichen Kameraeinheiten?«
»Richtig.« Er tippte wieder. Ich sah ein neues Bild. »Das ist die Mikromaschine, die wir geplant haben, die endgultige Kamera. Du hast ja die Blutstromversion gesehen. Das da ist die Pentagonversion, um einiges gro?er und als Fluggerat geplant. Was du da siehst, ist im Grunde ein molekularer Hubschrauber.«
»Wo ist der Propeller?«, fragte ich.
»Hat keinen. Die Maschine benutzt diese kleinen, runden vorstehenden Teile, die du da siehst, die in verschiedenen Winkeln abstehen. Das sind die Motoren. Die Maschinen manovrieren dann, indem sie an der Viskositat der Luft hochsteigen.«
»An der
»Viskositat. Der Luft.« Er lachelte. »Wir befinden uns auf der Ebene der Mikromaschinen, vergiss das nicht. Das ist eine ganz neue Welt, Jack.«
So innovativ das Design auch war, Ricky war noch immer an die technischen Vorgaben des Pentagons gebunden, und das Produkt leistete nicht das, was von ihm verlangt wurde. Ja, sie hatten eine Kamera gebaut, die nicht abgeschossen werden konnte, und sie ubertrug Bilder ohne Fehl und Tadel. Ricky erklarte, dass sie bei den Tests in geschlossenen Raumen ausgezeichnet funktionierte. Aber drau?en wurde sie selbst bei einer schwachen Brise weggeweht wie die Staubwolke, die sie nun mal war.
Das Technikteam bei Xymos war dabei, die Einheiten zu verandern, was gro?ere Beweglichkeit mit sich bringen sollte, doch bislang ohne Erfolg. Unterdessen war das Verteidigungsministerium zu dem Schluss gelangt, dass diese Designschwachen nicht zu beheben waren, und hatte von dem ganzen Nanokonzept Abstand genommen; der Vertrag mit Xymos war gekundigt worden; in spatestens sechs Wochen wurde das Pentagon den Geldhahn zudrehen.
Ich sagte: »War Julia deshalb in den letzten Wochen so verzweifelt dahinter her, Investorenkapital aufzutreiben?«
»Genau«, sagte Ricky. »Um ehrlich zu sein, es ist moglich, dass die Firma noch vor Weihnachten den Bach runtergeht.«
»Es sei denn, ihr kriegt die Einheiten so hin, dass sie auch bei Wind funktionieren.«
»Du hast es erfasst.«
Ich sagte: »Ricky, ich bin Programmierer. Ich kann euch nicht bei den Problemen helfen, die ihr mit der Agentenbeweglichkeit habt. Das fallt in den Bereich Molekulardesign. Das ist Technik. Das ist nicht mein Gebiet.«
»Mm, das wei? ich.« Er stockte, runzelte die Stirn. »Aber, ehrlich gesagt, wir glauben, der Programmcode konnte vielleicht die Losung sein.«
»Der Code? Die Losung wofur?«
»Jack, ich muss offen zu dir sein. Wir haben einen Fehler gemacht«, sagte er. »Aber es ist nicht unsere Schuld. Ich schwore. Wir konnen nichts dafur. Es waren die von der Wartungsfirma.« Er ging die Treppe hinunter. »Komm, ich zeig's dir.«
Eilig ging er vor mir her zur anderen Seite der Montagehalle, wo ich eine offene, gelbe Aufzugskabine sah, die an der Wand montiert war. Es war ein kleiner Aufzug, und mir war mulmig zu Mute, weil er offen war, und ich konnte nicht runterschauen. Ricky sagte: »Hohenangst?« »Bin nicht schwindelfrei.«
»Tja, ist aber immer noch besser als zu Fu?.« Er deutete zu einer Seite, wo eine Eisenleiter an der Wand bis zur Decke hochfuhrte. »Wenn der Aufzug streikt, mussen wir die hochklettern.«
Mich schauderte. »Ohne mich.«
Wir fuhren mit dem Aufzug bis ganz nach oben, drei Stockwerke uber dem Boden. Unter der Decke hing ein Gewirr aus Leitungen und Rohren sowie ein Netzwerk aus Gitterrostlaufstegen, damit alles gewartet werden konnte. Ich fand die Roste furchterlich, weil ich durch sie hindurch in die Tiefe schauen konnte. Ich bemuhte mich, nicht nach unten zu sehen. Wegen der tief hangenden Rohre mussten wir immer wieder den Kopf einziehen. Ricky schrie uber den Maschinenlarm hinweg.
»Hier oben ist alles untergebracht!«, brullte er und zeigte in verschiedene Richtungen. »Geblase da druben! Da der Wassertank fur die Brandschutzsprinkleranlage! Stromverteilerkasten da vorn! Hier ist wirklich das eigentliche Herz!« Ricky ging weiter den Steg entlang, blieb schlie?lich neben einem gro?en Entluftungsrohr stehen, das fast einen Meter Durchmesser hatte und in die Au?enwand fuhrte.
»Das ist Entluftung drei«, sagte er, dicht zu meinem Ohr gebeugt. »Insgesamt haben wir vier Hauptentluftungsrohre, die Luft nach drau?en pusten. So. Siehst du die Schlitze da entlang des Rohrs und die quadratischen Kasten in den Schlitzen? Das sind die Filter. Wir haben in mehreren Schichten ubereinander Mikrofilter installiert, die verhindern, dass irgendwelche Schadstoffe nach drau?en entweichen.«
»Ich sehe sie ...«
»Du siehst sie
»Wie lange?«
Ricky biss sich auf die Lippe. »Drei Wochen.«
»Und die Produktion lief auf vollen Touren?«
Er nickte. »Wir schatzen, wir haben rund funfundzwanzig Kilo Schadstoffe rausgepustet.«
»Und was fur Schadstoffe?«
»Ein bisschen von allem. Was genau, wissen wir nicht.«
»Ihr habt also E. coli, Assembler, fertige Molekule, alles nach drau?en geblasen?«
»Genau. Aber wir wissen nicht, in welchem Verhaltnis.«
»Spielt es eine Rolle, in welchem Verhaltnis?«
»Konnte sein. Ja.«
Ricky wurde immer fahriger, wahrend er mir das alles erzahlte, biss sich auf die Lippe, kratzte sich am Kopf, wich meinem Blick aus. Ich verstand das nicht. In den Annalen der industriellen Luftverpestung waren funfzig Pfund Schadstoffe eine Bagatelle. Funfzig Pfund Material wurden bequem in eine Sporttasche passen. Eine derart geringe Menge fiel einfach nicht ins Gewicht, wenn sie nicht hochtoxisch oder radioaktiv war - und das war nicht