der Fall.
Ich sagte: »Ricky, was soll's? Die Partikel hat der Wind inzwischen uber Hunderte Meilen in der Wuste verstreut. Durch das Sonnenlicht und die kosmische Strahlung werden sie zerfallen. Sie losen sich auf, zersetzen sich. Nach ein paar Stunden oder Tagen ist nichts mehr von ihnen ubrig. Richtig?«
Ricky zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt, Jack, genau das ist nicht .«
Und in diesem Augenblick ging der Alarm los.
Es war ein ruhiger Alarm, nur ein leises, hartnackiges Klingeln, aber Ricky schreckte zusammen. Er lief den Steg entlang, seine Fu?e klapperten auf dem Metall, bis zu einem Computerterminal, das an der Wand befestigt war. In der Ecke des Monitors war ein Statusfenster. Es blinkte rot: »PV-90 entry«. Ich sagte: »Was bedeutet das?«
»Etwas hat den Peripheriealarm ausgelost.« Er nahm sein Funkgerat vom Gurtel und sagte: »Vince, alles dicht machen.«
Das Funkgerat knisterte. »Schon geschehen, Ricky.«
»Uberdruck erhohen.«
»Er liegt bei funf Pfund uber normal. Wollen Sie mehr?«
»Nein. So lassen. Haben wir Sicht?«
»Noch nicht.«
»Schei?e.« Ricky steckte das Funkgerat wieder an seinen Gurtel, fing an, schnell zu tippen. Der Computerbildschirm teilte sich in ein halbes Dutzend Bilder von Sicherheitskameras, die uberall drau?en auf dem Gelande verteilt waren. Einige zeigten die Wuste von oben, von den Gebaudedachern. Andere waren Aufnahmen vom Boden aus. Die Kameras schwenkten langsam.
Ich sah nichts. Nur Wustengestrupp und ab und zu ein paar Kakteen.
»Falscher Alarm?«, fragte ich.
Ricky schuttelte den Kopf. »Schon war's.«
Ich sagte: »Ich seh nichts.«
»Es dauert ein Weilchen, bis man es entdeckt.«
»Was entdeckt?«
Er zeigte auf den Monitor und biss sich auf die Lippe.
Ich sah etwas, das aussah wie eine kleine, wirbelnde Wolke aus dunklen Partikeln. Wie ein Sandteufel, diese kleinen Sandhosen, die sich uber den Boden bewegten, aufgewirbelt von Konvektionsstromungen, die aus der hei?en Wuste aufstiegen. Nur dass diese Wolke schwarz war und einigerma?en kontu-riert - es schien, als ware sie in der Mitte eingedruckt, ein wenig so wie eine altmodische Cola-Flasche. Aber sie behielt die Form nicht standig bei. Die Umrisse verwandelten sich standig, gestalteten sich immer wieder neu.
»Ricky«, sagte ich. »Was ist das da?«
»Ich hatte gehofft, das konntest du mir sagen.«
»Es sieht aus wie ein Agentenschwarm. Ist das euer Kamera-schwarm?«
»Nein. Es ist was anderes.«
»Woher wei?t du das?«
»Weil wir die Wolke nicht kontrollieren konnen. Sie reagiert nicht auf unsere Funksignale.«
»Habt ihr's versucht?«
»Ja. Seit fast zwei Wochen versuchen wir, Kontakt zu ihr herzustellen, aber aus irgendeinem Grund konnen wir nicht mit ihr interagieren.«
»Dann habt ihr also einen Schwarm, der sich selbststandig gemacht hat.«
»Ja.«
»Der autonom handelt.«
»Ja.«
»Und das geht so seit .«
»Tagen. Seit etwa zehn Tagen.«
»Zehn Tage?« Ich runzelte die Stirn. »Wie ist das moglich, Ricky? Der Schwarm ist eine Ansammlung von Mikrorobotern. Wieso haben sie sich nicht aufgelost? Oder wieso ist ihnen nicht die Energie ausgegangen? Und warum konnt ihr sie nicht kontrollieren? Wenn sie namlich die Fahigkeit haben, einen Schwarm zu bilden, dann gibt es irgendeine elektrisch vermittelte Interaktion zwischen ihnen. Also musstet ihr doch eigentlich in der Lage sein, den Schwarm zu kontrollieren - oder ihn wenigstens auseinander zu rei?en.«
»Alles richtig«, sagte Ricky. »Aber es klappt nicht. Und wir haben alles Erdenkliche versucht.« Er blickte konzentriert auf den Bildschirm. »Die Wolke ist von uns unabhangig. Basta.«
»Und deshalb habt ihr mich hergeholt .«
»Damit du uns hilfst, das verdammte Ding da wieder einzu-fangen«, sagte Ricky.
Das war, so dachte ich, ein Problem, das sich noch nie ein Mensch hatte traumen lassen. In all den Jahren, in denen ich Agenten programmiert hatte, war es in erster Linie darum gegangen, sie zu einer Interaktion zu bewegen, die nutzliche Ergebnisse hervorbrachte. Wir waren nie auf den Gedanken gekommen, dass es ein ernstes Kontrollproblem geben konnte oder dass die Agenten sich unabhangig machen konnten. Weil das einfach nicht wahrscheinlich war. Einzelne Agenten waren zu klein, um sich selbst mit Energie zu versorgen; sie waren auf irgendeine externe Energiequelle angewiesen, auf beispielsweise ein Elektro- oder Mikrowellenfeld. Man brauchte das Feld nur abzuschalten, und die Agenten starben. Der Schwarm war nicht schwerer zu kontrollieren als ein Kuchengerat, ein Mixer zum Beispiel. Strom abschalten, und aus war er.
Aber jetzt erzahlte Ricky mir, dass diese Wolke seit Tagen autonom existierte. Das war mir einfach unerklarlich. »Woher kriegt sie die Energie?«
Ricky seufzte. »Wir haben die Einheiten mit kleinen Piezo-Scheiben ausgestattet, um Strom aus Photonen zu erzeugen. Nur als Zusatz - ist uns erst nachtraglich eingefallen -, aber das reicht ihnen offenbar aus.«
»Dann laufen die Einheiten mit Solarenergie«, sagte ich.
»Genau.«
»Wessen Idee war das?«
»Das Pentagon wollte es so.«
»Und habt ihr auch Speicherkapazitat eingebaut?«
»Ja. Fur drei Stunden.«
»Okay, schon«, sagte ich. Jetzt kamen wir der Sache ein Stuck naher. »Sie haben also Energie fur drei Stunden. Was passiert abends?«
»Abends geht ihnen nach drei Stunden Dunkelheit vermutlich die Energie aus.«
»Und dann lost sich die Wolke auf?«
»Ja.«
»Und die einzelnen Einheiten fallen zu Boden?«
»Vermutlich, ja.«
»Konnt ihr sie dann nicht kontrollieren?«
»Konnten wir«, sagte Ricky, »wenn wir sie finden wurden. Wir machen uns jeden Abend auf die Suche. Aber wir finden sie einfach nicht.«
»Habt ihr Markierungen eingebaut?«
»Ja, klar. Jede Einheit hat ein fluoreszierendes Modul in der Au?enhaut. Bei UV-Licht leuchtet es blaugrun.«
»Ihr sucht also abends im Dunkeln nach einem Fleckchen Wuste, das blaugrun leuchtet.«
»Genau. Und bisher haben wir es nicht gefunden.«
Das uberraschte mich eigentlich nicht. Falls die Wolke dicht in sich zusammenfiel, wurde sie auf dem Wustenboden ein Haufchen von funfzehn Zentimeter Durchmesser bilden. Und da drau?en war eine gro?e Wuste. Wo etwas so Kleines leicht zu ubersehen war. Kein Wunder, dass sie nicht fundig wurden, Nacht fur Nacht.
Doch als ich weiter uber das Problem nachdachte, fiel mir noch ein Aspekt ein, aus dem ich nicht schlau wurde. Sobald die Wolke zu Boden sank - sobald die einzelnen Einheiten keine Energie hatten -, dann war die Wolke kein organisiertes Ganzes mehr. Sie konnte vom Wind zerstreut werden, wie ganz gewohnliche Staubpartikel, ohne eine Chance, sich wieder neu zu formieren. Aber das passierte offenbar nicht. Die Einheiten