»Das musste klappen«, sagte ich. »Wo bewahrt ihr die Isotope auf?«

Mae lachelte freudlos. »Im Depot«, sagte sie.

»Wo ist das?«

»Drau?en. Neben den geparkten Autos.«

»Okay«, sagte ich. »Dann gehen wir raus und holen sie.«

»Ach, du liebe Gute«, sagte Ricky und warf die Hande hoch.

»Bist du wahnsinnig geworden? Du warst heute Morgen da drau?en fast gestorben, Jack. Das willst du doch wohl nicht noch mal riskieren.«

»Wir haben keine andere Wahl«, sagte ich.

»Doch, naturlich. Wartet, bis es dunkel wird.«

»Nein«, sagte ich. »Weil wir sie dann erst morgen bespruhen konnten. Und wir konnten sie erst morgen Nacht aufspuren und zerstoren. Das hei?t, wir wurden sechsunddrei?ig Stunden verlieren, und das bei einem Organismus, der schnell evolviert. Das Risiko konnen wir nicht eingehen.«

»Das Risiko? Jack, wenn du jetzt da rausgehst, uberlebst du das nicht. Du bist verruckt, allein der Gedanke ist schon purer Wahnsinn.«

Charley Davenport hatte die ganze Zeit auf den Monitor gestarrt. Jetzt drehte er sich zu der Gruppe um. »Nein, Jack ist nicht verruckt.« Er grinste mich an. »Ich gehe mit ihm.« Charley fing an zu summen: »Born to be Wild«.

»Ich auch«, sagte Mae. »Ich wei?, wo die Isotope lagern.«

Ich sagte: »Das ist wirklich nicht notig, Mae, sag mir einfach, wo .«

»Nein. Ich komme mit.«

»Wir mussen irgendwie ein Spruhgerat zusammenbasteln.« David Brooks krempelte sich sorgfaltig die Armel hoch. »Am besten ferngesteuert. Das ist Rosies Spezialitat.«

»Also schon, ich komme auch mit«, sagte Rosie Castro und sah David an.

»Ihr wollt alle da raus?« Ricky blickte kopfschuttelnd von einem zum anderen. »Das ist gefahrlich«, sagte er. »Au?erst gefahrlich.«

Niemand sagte etwas. Wir schauten ihn blo? alle an.

Dann sagte Ricky: »Charley, hor mit dem verdammten Gesumme auf.« Er wandte sich an mich. »Ich glaube nicht, dass ich das erlauben kann, Jack .«

»Ich glaube nicht, dass du eine andere Wahl hast«, entgegnete ich.

»Ich treffe hier die Entscheidungen.«

»Im Moment nicht«, erwiderte ich. Ich war kurz davor, an die Decke zu gehen. Ich hatte ihm am liebsten die Meinung gegeigt, schlie?lich hatte er den Karren in den Dreck gefahren, er hatte zugelassen, dass ein Schwarm in der Umwelt evolvier-te. Aber ich wusste nicht, wie viele kritische Entscheidungen Julia getroffen hatte. Im Grunde war Ricky dem Management gegenuber devot, wollte seinen Vorgesetzten gefallen, wie ein Kind seinen Eltern. Er machte das sehr charmant; so war er im Leben weitergekommen. Aber es war auch seine gro?te Schwache.

Jetzt jedoch schob Ricky starrsinnig das Kinn vor. »Es geht einfach nicht, Jack«, sagte er. »Ihr werdet da drau?en nicht uberleben.«

»Und ob wir das werden, Ricky«, entgegnete Charley Davenport. Er deutete auf den Monitor. »Sieh doch mal.«

Der Monitor zeigte die Wuste drau?en. Die fruhnachmittagliche Sonne schien auf stoppelige Kakteen. Ein verkummerter Wacholderbaum in der Ferne, dunkel im Gegenlicht. Einen Moment lang verstand ich nicht, was Charley meinte. Dann sah ich den Sand uber den Boden wehen. Und ich bemerkte, dass der Wacholderbaum zu einer Seite geneigt war.

»Ganz genau, Leute«, sagte Charley Davenport. »Wir haben eine kraftige Brise da drau?en. Starker Wind, keine Schwarme - wisst ihr noch? Sie mussen sich dicht am Boden halten.« Er ging in Richtung Durchgang, der zur Energiestation fuhrte. »Verlieren wir keine Zeit. Ziehen wir's durch, Leute.«

Alle marschierten hintereinander aus dem Raum. Ich wollte als Letzter gehen. Doch zu meinem Erstaunen zog Ricky mich beiseite, versperrte mir den Ausgang mit seinem Korper. »Tut mir Leid, Jack, ich wollte dich nicht vor den anderen in Verlegenheit bringen. Aber ich kann einfach nicht zulassen, dass du das machst.«

»War's dir lieber, jemand anders macht es?«, fragte ich.

Er blickte finster. »Was meinst du damit?«

»Ich rate dir, den Tatsachen ins Auge zu sehen, Ricky. Die Lage ist schon jetzt katastrophal. Und wenn wir sie nicht umgehend in den Griff kriegen, dann mussen wir Hilfe anfordern.«

»Hilfe? Was soll das hei?en?«

»Ich meine, das Pentagon verstandigen, die Armee. Wir mussen irgendwen verstandigen, um die Schwarme unter Kontrolle zu kriegen.«

»Um Gottes willen, Jack. Das konnen wir nicht machen.«

»Wir haben keine andere Wahl.«

»Aber das wurde die Firma kaputtmachen. Wir wurden nie wieder Gelder kriegen.«

»Dagegen hatte ich nichts«, sagte ich. Ich war wutend wegen dem, was in der Wuste passiert war. Eine Wochen und Monate wahrende Aneinanderreihung von falschen Entscheidungen, Fehlern und Patzern. Anscheinend zahlten bei Xymos nur kurzfristige Losungen, Flickschusterei, schnell und unsauber. Keiner interessierte sich fur die langfristigen Folgen.

»Versteh doch«, sagte ich, »du hast es mit einem au?er Kontrolle geratenen Schwarm zu tun, der offensichtlich todlich ist. Jetzt muss Schluss sein mit der Pfuscherei.«

»Aber Julia .«

»Julia ist nicht hier.«

»Aber sie hat gesagt .«

»Es interessiert mich nicht, was sie gesagt hat, Ricky.«

»Aber die Firma .«

»Schei? auf die Firma, Ricky.« Ich packte ihn bei den Schultern, schuttelte ihn einmal heftig. »Kapierst du denn nicht? Du traust dich nicht nach drau?en. Du hast Angst vor diesem Schwarm, Ricky. Wir mussen ihn toten. Und wenn wir ihn nicht bald toten konnen, mussen wir Hilfe holen.«

»Nein.«

»Doch, Ricky.«

»Das werden wir ja sehen«, knurrte er. Sein Korper spannte sich, seine Augen loderten. Er packte mich am Hemdkragen. Ich stand einfach da und starrte ihn an. Ich ruhrte mich nicht. Ricky funkelte mich einen Augenblick lang an, und dann lockerte er den Griff. Er klopfte mir auf die Schulter und strich meinen Kragen glatt. »Ach, verdammt, Jack«, sagte er, »was mach ich denn hier?« Und er setzte sein selbstironisches Surfer-Grinsen auf. »Tut mir Leid. Der Stress macht mir wohl langsam zu schaffen. Du hast Recht. Du hast absolut Recht. Schei? auf die Firma. Wir mussen es machen. Wir mussen diese Dinger sofort vernichten.«

»Ja«, sagte ich, den Blick noch immer auf ihn gerichtet. »Das mussen wir.«

Er hielt inne. Er nahm seine Hand von meinem Kragen. »Du findest, ich benehme mich seltsam, nicht? Mary findet auch, dass ich seltsam bin. Das hat sie neulich gesagt. Benehme ich mich seltsam?«

»Nun ja ...«

»Du kannst es mir ruhig sagen.«

»Vielleicht gereizt . Schlafst du uberhaupt noch?«

»Nicht viel. Zwei, drei Stunden.«

»Vielleicht solltest du mal eine Schlaftablette nehmen.«

»Hab ich. Hilft auch nicht. Das ist der verdammte Druck. Ich bin seit einer Woche hier. Schlaucht ganz schon.«

»Kann ich mir vorstellen.«

»Na ja, was will man machen.« Er wandte sich ab, als ware er plotzlich verlegen. »Hor zu, ich setz mich ans Funkgerat«, sagte er. »Ich werde die ganze Zeit bei euch sein. Ich bin dir sehr dankbar, Jack. Du hast hier wieder fur Vernunft und Ordnung gesorgt. Sei blo? ... Sei blo? vorsichtig da drau?en, okay?«

»Okay.«

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