mehr Na-noschwarme zu schaffen?«

»Das habe ich nicht gesagt, Charley.« Ihre Stimme war ruhig, fast besanftigend.

»Aber du glaubst es«, fuhr Charley fort. »Du glaubst, die Schwarme verzehren Saugetiergewebe, um sich zu vermehren .«

»Ja. Das glaube ich, Charley.« Mae verstaute ihre Proben sorgfaltig und stand auf. »Aber jetzt haben wir Kulturen genommen. Wir testen sie mit Luria und Agarose, und dann wissen wir's genau.« »Ich wette, wenn wir in einer Stunde wiederkommen, ist von dem wei?en Zeug nichts mehr da, und wir sehen, wie sich auf dem ganzen Korper was Schwarzes bildet. Neue schwarze Nanopartikel. Und irgendwann wird es dann fur einen neuen Schwarm reichen.«

Sie nickte. »Ja. Das denke ich auch.«

»Und deshalb sind hier in der Gegend alle Tiere verschwunden?«, sagte David Brooks.

»Ja.« Sie strich sich eine Haarstrahne zuruck. »Das geht schlie?lich schon eine ganze Weile so.«

Einen Moment lang sagte keiner etwas. Wir standen alle um den Kaninchenkadaver herum, mit dem Rucken zum Wind. Der Kadaver wurde so rasch verzehrt, dass ich es fast sehen konnte, in Echtzeit.

»Kommt, wir machen jetzt den verdammten Schwarmen den Garaus«, sagte Charley.

Wir drehten uns alle um und gingen in Richtung Depot.

Niemand sprach.

Es gab nichts zu sagen.

Plotzlich flogen ein paar kleine Vogel auf, die unter den Feigenkakteen herumgehupft waren, und kreisten zwitschernd vor uns durch die Luft.

Ich sagte zu Mae: »Es gibt keine Saugetiere mehr, aber die Vogel sind noch da?«

»Sieht so aus.«

Die Vogel landeten schlie?lich gut hundert Schritte von uns entfernt.

»Vielleicht sind sie den Schwarmen einfach zu klein«, sagte Mae. »Nicht genug Fleisch an den Knochen.«

»Vielleicht.« Mir kam noch eine andere Antwort in den Sinn. Aber um sicherzugehen, wurde ich den Code uberprufen mussen.

Ich trat von der Sonne in den Schatten des Wellblechunterstandes und ging an den geparkten Autos vorbei auf die Tur des Depots zu. Sie war mit Warnsymbolen ubersat - radioaktive Strahlung, biochemische Gefahren, Mikrowellen, hochexplosive Stoffe, Laserstrahlung. Charley sagte: »Da sieht man, warum wir den ganzen Mist in sicherer Entfernung aufbewahren.«

Plotzlich sagte Vince: »Jack, ein Anruf fur Sie. Ich stell durch.« Mein Handy klingelte. Es war wahrscheinlich Julia. Ich meldete mich. »Hallo?«

»Dad.« Es war Eric. Mit dem emphatischen Tonfall, den er an sich hatte, wenn er aufgeregt war.

Ich seufzte. »Ja, Eric.«

»Wann kommst du nach Hause?«

»Ich wei? es noch nicht.«

»Bist du zum Abendessen da?«

»Ich furchte, nein. Wieso? Ist was nicht in Ordnung?«

»Sie ist so ein Riesenarschloch.«

»Eric, sag mir einfach, was los ist .«

»Tante Ellen halt dauernd zu ihr. Das ist gemein.«

»Ich bin gerade ziemlich beschaftigt, Eric, also sag mir einfach .«

»Wieso? Was machst du denn?«

»Eric, sag mir bitte, was los ist.«

»Schon gut«, sagte er plotzlich schmollend, »wenn du sowieso nicht nach Hause kommst, ist es auch egal. Wo bist du denn eigentlich? Bist du in der Wuste?«

»Ja. Woher wei?t du das?«

»Ich hab mit Mom gesprochen. Wir mussten sie im Krankenhaus besuchen, Tante Ellen wollte, dass wir mitkommen. Das fand ich blod. Ich hatte gar keine Lust. Aber ich musste mit.«

»Verstehe. Wie geht's Mom?«

»Sie kommt aus dem Krankenhaus.«

»Hat sie alle Untersuchungen gemacht?«

»Die Arzte wollten sie dabehalten«, sagte Eric. »Aber sie will raus. Sie hat einen Arm in Gips, mehr nicht. Sie sagt, sonst fehlt ihr nichts. Dad? Wieso muss ich auf Tante Ellen horen? Das ist gemein.«

»Hol Ellen mal ans Telefon.«

»Sie ist nicht da. Sie kauft mit Nicole ein neues Kleid fur das Theaterstuck.«

»Wer ist denn bei dir zu Hause?«

»Maria.«

»Okay«, sagte ich. »Hast du schon deine Hausaufgaben gemacht?«

»Noch nicht.«

»Dann aber avanti. Ich mochte, dass du sie vor dem Abendessen fertig hast.« Es war verbluffend, wie automatisch einem Vater oder einer Mutter solche Satze von der Zunge gingen.

Inzwischen war ich an der Tur zum Depot. Ich blickte auf die vielen Warnzeichen. Einige davon kannte ich nicht, zum Beispiel eine Raute mit vier verschiedenfarbigen Quadraten drin, jedes mit einer Zahl. Mae schloss die Tur auf und ging hinein.

»Dad?« Eric fing an zu weinen. »Wann kommst du denn nach Hause?«

»Ich wei? es noch nicht«, sagte ich. »Ich hoffe, morgen.«

»Okay. Versprochen?«

»Versprochen.«

Ich konnte ihn schniefen horen, und dann kam durchs Telefon ein lang gezogenes Wrraff-Gerausch, als er sich die Nase am Armel abwischte. Ich sagte, er konne mich spater noch einmal anrufen, wenn er wolle. Er klang besser und sagte, okay, und dann verabschiedete er sich.

Ich klappte das Handy zu und betrat das Depot.

Das Innere war in zwei gro?e Lagerraume unterteilt, die beide an allen vier Wanden Regale und in der Mitte frei stehende Regale hatten. Beton wande, Betonboden. Im zweiten Raum gab es noch eine Tur und eine Wellblechrolltur fur LkwLieferungen. Hei?es Sonnenlicht fiel durch Fenster mit Holzrahmen. Die Klimaanlage drohnte zwar laut, aber, wie Mae gesagt hatte, es war trotzdem hei?. Ich schloss die Tur hinter mir und sah mir die Dichtung an. Es war blo? eine normale Gummidichtung. Das Depot war eindeutig nicht luftdicht.

Ich ging an den Regalen entlang, in denen Kisten mit Ersatzteilen fur die Produktionsmaschinen und das Labor gestapelt waren. Der zweite Raum enthielt alltagliche Dinge: Putzmittel, Toilettenpapier, Seifenstucke, Schachteln mit Fruhstucksflok-ken und zwei Kuhlschranke voll mit Lebensmitteln.

Ich sagte zu Mae: »Wo sind die Isotope?«

»Hier druben.« Sie fuhrte mich um ein Regal herum, zu einem Stahldeckel, der in den Betonboden eingelassen war. Der Deckel hatte einen Durchmesser von fast einem Meter. Er sah aus wie eine eingegrabene Mulltonne, wenn die Leuchtdioden und das Tastenfeld in der Mitte nicht gewesen waren. Mae ging auf ein Knie runter und tippte rasch einen Code ein.

Der Deckel hob sich zischend.

Ich sah eine Leiter, die hinunter in eine kreisrunde Stahlkammer fuhrte. Die Isotope waren in unterschiedlich gro?en Metallbehaltern verstaut. Ein Blick genugte Mae anscheinend, um zu sagen, was drin war: »Wir haben Selen-172. Sollen wir das nehmen?«

»Klar.«

Mae kletterte in die Kammer hinein.

»Lass doch den Schei?!« In einer Ecke des Raumes wich David Brooks vor Charley Davenport zuruck. Charley hatte eine gro?e Spruhflasche Haushaltsreiniger in der Hand. Er probierte den Druckausloser aus, und David hatte aus der Flasche was abbekommen. Es sah nicht nach einem Versehen aus. »Gib schon her«, sagte David und riss ihm die Flasche aus der Hand.

»Damit konnte es gehen«, erklarte Charley ungeruhrt. »Aber wir brauchten einen ferngesteuerten

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