Ricky trat beiseite.
Ich ging an ihm vorbei zur Tur hinaus.
In dem Gang, wo die Klimaanlage auf hochster Stufe drohnte, war Mae auf halbem Weg zur Energiestation plotzlich neben mir. Ich sagte zu ihr: »Du musst wirklich nicht mit da raus, Mae. Du kannst mir doch uber Funk sagen, wie ich mit den Isotopen umzugehen habe.«
»Die Isotope machen mir keine Sorgen«, sagte sie mit leiser Stimme, damit sie in dem Drohnen unterging. »Sondern das Kaninchen.«
Ich war nicht sicher, ob ich sie richtig verstanden hatte. »Das was?«
»Das Kaninchen. Ich muss das Kaninchen noch einmal untersuchen.«
»Wieso?«
»Du wei?t doch, dass ich eine Gewebeprobe aus dem Magen entnommen habe, nicht? Tja, die hab ich mir vorhin unter dem Mikroskop angesehen.«
»Und?«
»Ich furchte, wir haben Riesenprobleme, Jack.«
Ich war als Erster zur Tur hinaus, blinzelte in die Wustensonne. Obwohl es fast drei Uhr war, kam mir die Sonne unverandert hell und hei? vor. Ein sengender Wind lie? Hose und Hemd flattern. Ich zog das Mikro meines Headsets naher an die Lippen und sagte: »Bobby, horst du mich?«
»Ich hore dich, Jack.«
»Hast du ein Bild?«
»Ja, Jack.«
Charley Davenport kam heraus und lachte. Er sagte: »Wei?t du, Ricky, du bist wirklich ein damlicher Sack. Wei?t du das?«
Uber mein Headset horte ich Ricky erwidern: »Spar dir das. Du wei?t doch, dass ich keine Komplimente mag. Mach einfach deine Arbeit.«
Mae kam als Nachste durch die Tur. Sie hatte einen Rucksack uber eine Schulter gehangt. »Fur die Isotope.«
»Sind die schwer?«
»Die Behalter.«
Dann kam David Brooks heraus, Rosie dicht hinter ihm. Sie verzog das Gesicht, als sie auf den Sand trat. »Gott, ist das hei?«, sagte sie.
»Ja, das haben die meisten Wusten so an sich«, sagte Char-ley.
»Erzahl keinen Schei?, Charley.«
»Dir wurde ich doch niemals Schei? erzahlen, Rosie.« Er rulpste.
Ich suchte derweil den Horizont ab, konnte aber nichts sehen. Die Autos parkten unter einem Unterstand, etwa funfzig Meter entfernt. Der Unterstand reichte bis zu einem rechteckigen, wei?en Betongebaude mit schmalen Fenstern. Das war das Depot.
Wir gingen darauf zu. Rosie fragte: »Gibt's da drin eine Klimaanlage?«
»Ja«, sagte Mae. »Aber es ist trotzdem hei?. Schlecht isoliert.«
»Ist es luftdicht?«, fragte ich.
»Nicht richtig.«
»Das hei?t, nein«, sagte Davenport lachend. Er sprach in sein Headset. »Bobby, was fur einen Wind haben wir?«
»Siebzehn Knoten«, antwortete Bobby Lembeck. »Schoner, kraftiger Wind.«
»Und wie lange noch, bis der Wind sich legt? Sonnenuntergang?«
»Wahrscheinlich, ja. Noch drei Stunden.«
Ich sagte: »Dann haben wir reichlich Zeit.«
Mir fiel auf, dass David Brooks kein Wort sprach. Er stapfte einfach auf das Gebaude zu. Rosie hielt sich dicht hinter ihm.
»Aber man kann nie wissen«, sagte Davenport. »Kann sein, dass wir alle draufgehen. Jeden Augenblick.« Er lachte wieder, auf seine nervige Art.
Ricky sagte: »Charley, halt doch einfach mal die Klappe.«
»Da musst du schon rauskommen und mir die Klappe zuhalten, du bist echt ein gro?es Kind«, erwiderte Charley. »Was ist los, du machst dir ja vor Angst in die Hose.«
Ich sagte: »Lass gut sein, Charley, konzentrier dich.«
»He, ich konzentrier mich ja. Und wie.«
Der Wind blies Sand vor sich her, sodass dicht uber dem Boden ein braunlicher Streifen schwebte. Mae ging neben mir. Sie blickte uber die Wuste und sagte unvermittelt: »Ich mochte mir das Kaninchen noch mal ansehen. Geht ihr ruhig schon weiter.«
Sie steuerte nach rechts, auf den Kadaver zu. Ich ging mit ihr. Und die anderen schwenkten zusammen um und folgten uns. Offenbar wollten alle beisammenbleiben. Der Wind war noch immer stark.
Charley sagte: »Wieso willst du das Kaninchen sehen, Mae?«
»Ich will was uberprufen.« Sie streifte sich im Gehen Handschuhe uber.
Das Headset knisterte. Ricky sagte: »Wurde mir bitte mal einer verraten, was ihr vorhabt?«
»Wir wollen uns das Kaninchen angucken«, sagte Charley.
»Wozu?«
»Mae will es sich noch mal ansehen.«
»Sie hat es sich doch schon angesehen. Leute, ihr seid da drau?en vollig ungeschutzt. Ich wurde nicht so rumtrodeln.«
»Hier trodelt keiner rum, Ricky.«
Inzwischen konnte ich das Kaninchen in einiger Entfernung sehen, teilweise verdeckt vom verwehten Sand. Gleich darauf standen wir alle um den Tierkorper herum. Der Wind hatte ihn auf die Seite gedreht. Mae ging in die Hocke, legte das Tier auf den Rucken, sodass der offene Kadaver zu sehen war.
»Jesses«, sagte Rosie.
Erschrocken sah ich, dass das Fleisch nicht mehr glatt und rosa war. Stattdessen war es uberall aufgeraut, und an manchen Stellen sah es aus, als ware es abgeschabt worden. Und es war mit einer milchig wei?en Schicht bedeckt.
»Sieht aus, als ware es in Saure getaucht worden«, sagte Charley.
»Ja, stimmt«, sagte Mae. Sie horte sich grimmig an.
Ich sah auf meine Uhr. Das Ganze war innerhalb von zwei Stunden geschehen. »Was ist da passiert?«
Mae hatte ihr Vergro?erungsglas hervorgeholt und beugte sich jetzt uber das Tier. Sie sah sich verschiedene Stellen an, bewegte das Glas rasch. Dann sagte sie: »Es ist zum Teil aufgefressen worden.«
»Aufgefressen? Von wem?«
»Von Bakterien.«
»Moment mal«, sagte Charley Davenport. »Du denkst, das hier hat Theta-d gemacht? Du denkst, die E. coli fressen es auf?«
»Das werden wir fruh genug erfahren«, sagte sie. Sie griff in einen Beutel und holte mehrere Glasrohrchen mit sterilen Abstrichtupfern darin hervor.
»Aber es ist doch erst kurze Zeit tot.«
»Lange genug«, sagte Mae. »Und hohe Temperaturen beschleunigen das Wachstum.« Sie strich nacheinander mit den Tupfern uber das tote Tier und steckte sie wieder in die Glasrohrchen.
»Dann muss Theta-d sich ja wahnsinnig aggressiv vermehren.«
»Wie alle Bakterien bei einer guten Nahrstoffquelle. Sie wechseln in die Log-Phase, wo sie sich alle zwei oder drei Minuten um das Doppelte vermehren. Ich glaube, das ist hier der Fall.«
Ich sagte: »Aber wenn das stimmt, hei?t das, der Schwarm ...«
»Ich wei? nicht, was das hei?t, Jack«, entgegnete sie rasch. Sie sah mich an und schuttelte kaum merklich den Kopf. Die Bedeutung war klar:
Aber die anderen lie?en sich nicht vertrosten. »Mae, Mae, Mae«, sagte Charley Davenport. »Soll das hei?en, die Schwarme haben das Kaninchen getotet, um es zu fressen? Um noch mehr Coli wachsen zu lassen? Und noch