entlang, uberpruften eine Maueroffnung nach der anderen.

Wir alle schauten auf dem Monitor zu. David Brooks war in Schwei? gebadet. Er wischte sich die Stirn mit dem Armel ab. »Wie lange wollen die das denn noch machen?«

»Solange sie Lust haben«, erwiderte Charley.

Mae sagte: »Zumindest, bis der Wind wieder starker wird. Und danach sieht es im Moment nicht aus.«

»Herrgott«, sagte David. »Wie konnt ihr das blo? aushalten.«

Er war bleich; Schwei? war ihm von den Augenbrauen auf die Brillenglaser getropft. Er sah aus, als wurde er jeden Moment umkippen. Ich sagte: »David. Mochtest du dich hinsetzen?«

»Ist vielleicht besser.«

»Okay.«

»Komm, David«, sagte Rosie. Sie fuhrte ihn zum Waschbek-ken und setzte ihn auf den Boden. Er umklammerte seine Knie, stutzte den Kopf darauf. Rosie befeuchtete ein Papiertaschentuch mit kaltem Wasser und legte es ihm in den Nacken. Ihre Gesten waren zartlich.

»Diese Memme«, sagte Charley kopfschuttelnd. »So was hat uns gerade noch gefehlt.«

»Charley«, sagte Mae, »das ist wirklich nicht gerade hilfreich ...«

»Na und? Wir sitzen in diesem verdammten Schuppen in der Falle, luftdicht ist er auch nicht, wir konnen gar nichts machen, konnen nirgendwohin, und der Typ da knallt durch, macht alles noch schlimmer.«

»Ja«, sagte sie leise, »stimmt alles haargenau. Und du machst es auch nicht besser.«

Charley bedachte sie mit einem Blick und fing an, die Titelmelodie von »Twilight Zone« zu summen.

»Charley«, sagte ich. »Guck mal.« Ich beobachtete die Schwarme. Ihr Verhalten hatte sich leicht verandert. Sie blieben nicht mehr dicht am Gebaude. Sie bewegten sich jetzt im Zickzack von der Wand weg in die Wuste und dann wieder zuruck. Alle vier taten das, wie in einem flie?enden Tanz.

Mae sah es auch. »Neues Verhalten ...«

»Ja«, sagte ich. »Ihre Strategie funktioniert nicht, also suchen sie nach einer neuen.«

»Wird ihnen nichts nutzen«, sagte Charley. »Sie konnen so viel Zickzack tanzen, wie sie wollen, das offnet ihnen auch keine Tur.«

Trotzdem war ich fasziniert von diesem emergenten Verhalten. Die Zickzackbewegungen wurden ausladender; die Schwarme bewegten sich jetzt immer weiter von den Gebauden weg. Ihre Strategie veranderte sich zusehends. Sie entwickelte sich vor unseren Augen. »Wirklich erstaunlich«, sagte ich.

»Kleine Mistkerle«, sagte Charley.

Einer der Schwarme war jetzt ziemlich nah an dem Kaninchenkadaver. Er naherte sich ihm bis auf einige Meter und wirbelte wieder weg, zuruck zum Hauptgebaude. Mir kam ein Gedanke. »Wie gut konnen die Schwarme sehen?«

Es klickte im Headset. Es war Ricky. »Die sehen ausgezeichnet«, sagte er. »Waren ja schlie?lich auch dazu gedacht. Hundertfunfzigprozentige Sehstarke. Fantastische Auflosung. Besser als beim Menschen.«

Ich fragte: »Und wie funktioniert bei ihnen die Bildwahrnehmung?« Sie waren ja nur eine Reihe von individuellen Partikeln. Wie bei den Stabchen und Zapfen in der Netzhaut des Auges war die zentrale Verarbeitung auf samtliche Inputs angewiesen, um ein Bild zu gestalten. Wie wurde diese Verarbeitung erreicht?

Ricky hustete. »Ah ... wei? nicht.«

Charley sagte: »Ist in spateren Generationen aufgetaucht.«

»Du meinst, sie haben ihre Sehkraft von allein evolviert?«

»Ja.«

»Und wir wissen nicht, wie sie das machen .«

»Nein. Wir wissen nur, dass sie es machen.«

Wir sahen zu, wie der Schwarm sich von der Wand entfernte, sich wieder dem Kaninchen naherte, dann erneut zur Wand zuruckkehrte. Die anderen Schwarme waren etwas weiter unten am Gebaude und taten das Gleiche. Sie wirbelten hinaus in die Wuste, dann wieder zuruck.

Uber das Headset sagte Ricky: »Wieso fragst du?«

»Darum.«

»Meinst du, sie werden das Kaninchen finden?«

»Ich mache mir keine Sorgen wegen des Kaninchens«, erwiderte ich. »Uberhaupt, es sieht so aus, als hatten sie es bereits verpasst.«

»Was dann?«

»Oh-oh«, sagte Mae.

»Schei?e«, sagte Charley und stie? einen langen Seufzer aus.

Wir blickten auf den Schwarm, der uns am nachsten war, der Schwarm, der ganz knapp an dem Kaninchen vorbeigetanzt war. Doch statt wieder in sein ubliches Muster zu fallen, verharrte er in der Wuste. Er ruhrte sich nicht von der Stelle, aber die silbrige Saule hob und senkte sich.

»Wieso macht er das?«, fragte ich. »Dieses Rauf und Runter?«

»Konnte mit der Bildwahrnehmung zu tun haben . Fokussieren?«

»Nein«, sagte ich. »Ich meine, warum ist er stehen geblieben?«

»Programmhanger?«

Ich schuttelte den Kopf. »Das bezweifle ich.«

»Was dann?«

»Ich glaube, er sieht was.«

»Was denn?«, fragte Charley.

Ich furchtete, die Antwort zu kennen. Der Schwarm stellte eine extrem hochauflosende Kamera dar, kombiniert mit verteilter Intelligenz in einem Netzwerk. Und was verteilte Netzwerke besonders gut konnten, war Muster aufspuren. Deshalb wurden sie auch zur Gesichtererkennung in Sicherheitssystemen benutzt oder um die Scherben archaologischer Funde zusammenzusetzen. Die Netzwerke konnten Muster in Daten besser ausfindig machen als das menschliche Auge.

»Was fur Muster?«, sagte Charley, nachdem ich ihm das erzahlt hatte. »Da drau?en gibt's doch au?er Sand und Kakteenstacheln nichts aufzuspuren.«

Mae sagte: »Und Fu?abdrucke.«

»Was? Du meinst, unsere Fu?abdrucke? Die wir hinterlassen haben, als wir hierher gegangen sind? Komm, Mae, in der letzten Viertelstunde ist der Sand noch verweht worden. Da sind keine Fu?spuren mehr zu sehen.«

Wir beobachteten, wie der Schwarm in der Luft hing, sich hob und senkte, als wurde er atmen. Die Wolke war jetzt fast ganz schwarz geworden, nur hier und da glitzerte Silber auf. Sie befand sich jetzt schon zehn oder funfzehn Sekunden an ein und derselben Stelle, pulsierte auf und ab. Die anderen Schwarme setzten ihren Zickzackkurs fort, aber der hier blieb, wo er war.

Charley biss sich auf die Lippe. »Du glaubst wirklich, er sieht was?«

»Ich wei? nicht«, sagte ich. »Vielleicht.«

Plotzlich stieg der Schwarm auf und bewegte sich wieder. Aber er kam nicht auf uns zu. Stattdessen bewegte er sich auf einer Diagonalen uber den Wustenboden, steuerte auf die Tur des Energiegebaudes zu. Dicht vor der Tur blieb er stehen und wirbelte auf der Stelle.

»Was soll das denn?«, fragte Charley.

Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Mae auch. »Er ist gerade unserer Spur gefolgt«, sagte sie. »Ruckwarts.«

Der Schwarm war dem Weg gefolgt, den wir anfanglich von der Tur zum Kaninchen gegangen waren. Die Frage war, was wurde er als Nachstes tun?

Die nachsten funf Minuten beobachteten wir ihn angespannt. Der Schwarm verfolgte denselben Weg zuruck bis zu dem Kaninchen. Er wirbelte eine Weile um das Kaninchen herum, bewegte sich in langsamen Halbkreisen hin und her. Dann flog er erneut die Route zur Tur der Energie station. Er blieb dort kurz stehen, kehrte dann wieder zum Kaninchen zuruck.

Dieser Ablauf wiederholte sich dreimal. Unterdessen hatten die anderen Schwarme sich weiter im Zickzack am Gebaude entlangbewegt und waren nun au?er Sicht. Der einzelne Schwarm kehrte zu der Tur zuruck, dann erneut zum Kaninchen hin.

»Er steckt in einer Endlosschleife«, sagte Charley. »Er macht einfach immer und immer wieder das

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