Klimaanlage in der Decke drangten sie sich zuhauf.

Es brachte nichts, langer zu warten. Ich stand auf und trat aus meinem Versteck. Ich rief den anderen zu: »Alle herkommen und in zwei Reihen aufstellen!«

Charley nahm die Spruhflasche Haushaltsreiniger, reihte sich ein und brummte: »Glaubst du im Ernst, wir haben eine Chance?«

»Eine bessere kriegen wir nicht«, sagte ich. »Reynolds-Regeln! Formieren und bei mir bleiben! Und los geht's!«

Wenn wir nicht so gro?e Angst gehabt hatten, waren wir uns vielleicht albern vorgekommen, wie wir so dicht zusammengedrangt im Raum hin und her schlurften und versuchten, unsere Bewegungen zu koordinieren - einen Vogel schwarm zu imitieren. Das Herz schlug mir bis zum Halse, und mir drohnten die Ohren. Nur mit gro?ter Muhe konnte ich mich auf unsere Schritte konzentrieren. Ich wusste, dass wir uns ungeschickt anstellten, aber wir wurden rasch besser. Wenn wir zu einer Wand kamen, drehten wir uns auf dem Absatz und gingen wieder zuruck, bewegten uns im Takt. Ich fing an, bei jedem Schritt die Arme zu schwingen und zu klatschen. Die anderen taten es mir nach. Es war gut fur unsere Koordination. Und wir kampften alle gegen unsere Panik an. Mae sagte spater: »Das war Stepp-Aerobic in der Holle.«

Und die ganze Zeit uber sahen wir die schwarzen Nanoparti-kel zischend durch Ritzen in Turen und Fenstern eindringen. Das schien lange Zeit so zu gehen, aber wahrscheinlich dauerte es blo? drei?ig oder vierzig Sekunden. Schon bald erfullte eine Art einheitlicher Nebel den Raum. Ich spurte Nadelstiche am ganzen Korper, und ich war sicher, dass es den anderen auch so erging. David fing wieder an zu stohnen, aber Rosie war dicht neben ihm, sprach ihm Mut zu, beschwor ihn durchzuhalten.

Plotzlich lichtete sich der Nebel mit erschreckender Geschwindigkeit, die Partikel verdichteten sich zu zwei deutlich konturierten Saulen, die nun unmittelbar vor uns standen und sich in dunklen Wellen hoben und senkten.

Aus dieser Nahe betrachtet, verstromten die Schwarme eine unmissverstandliche Bedrohung, fast etwas Bosartiges. Ihr tiefes Trommeln war deutlich zu horen, doch zwischendurch vernahm ich ein wutendes Zischen, wie bei einer Schlange.

Aber sie griffen nicht an. Wie ich gehofft hatte, arbeiteten die Programmdefizite fur uns. Angesichts einer dicht gedrangten, koordinierten Beutegruppe waren die Rauber blockiert. Sie taten gar nichts.

Zumindest vorlaufig.

Zwischen den Klatschgerauschen sagte Charley: »Nicht zu glauben - dieser Blodsinn - funktioniert!«

Ich sagte: »Ja, aber vielleicht - nicht lange.« Ich hatte Sorge, dass David seine Angst nicht mehr unter Kontrolle halten konnte. Und ich hatte Sorge wegen der Schwarme. Ich wusste nicht, wie lange sie einfach dastehen wurden, bevor sie neues Verhalten ausprobierten. Ich sagte: »Ich schlage vor - wir arbeiten uns - zur Hintertur vor - und dann nichts wie raus hier.«

Als wir mit einer Drehung an der Wand kehrtmachten, steuerte ich etwas schrag auf den hinteren Raum zu. Klatschend und im Gleichschritt bewegte sich unsere Gruppe von den Schwarmen weg, die uns mit diesem tiefen, trommelnden Gerausch folgten.

»Und wenn wir drau?en sind, was dann?«, wimmerte David. Er hatte Schwierigkeiten, mit uns Ubrigen synchron zu bleiben. In seiner Panik stolperte er immer wieder. Er schwitzte und blinzelte rasch.

»Wir gehen so weiter - als Schwarm - zuruck zum Labor -und dann rein - schaffst du das?«

»Oh Gott«, stohnte er. »Es ist so weit ... Ich wei? nicht, ob ...« Er stolperte wieder, verlor fast das Gleichgewicht. Und er klatschte auch nicht mehr mit uns zusammen. Ich konnte seine Angst formlich spuren, seinen uberwaltigenden Drang, die Flucht zu ergreifen.

»David, du bleibst bei uns - allein schaffst du das nicht -horst du?«

David stohnte: »Ich wei? nicht . Jack . Ich wei? nicht, ob ich . « Er stolperte erneut, stie? gegen Rosie, die gegen Charley fiel, der sie auffing und wieder hochzog. Doch unser Schwarm war kurz durcheinander geraten, die Koordination dahin.

Sofort wurden die Schwarme tiefschwarz, drehten sich spiralformig eng zusammen, wie zum Sprung bereit. Ich horte Charley flustern: »Ach du Schei?e«, ganz leise, und ja, auch ich dachte einen Augenblick, dass er Recht hatte, jetzt war es aus mit uns.

Doch dann fanden wir unseren Rhythmus wieder, und sofort stiegen die Schwarme auf, normalisierten sich. Das Tiefschwarz verschwand. Sie fielen wieder in ihr gleichma?iges Pulsieren. Sie folgten uns in den nachsten Raum. Aber noch immer griffen sie nicht an. Wir waren nun etwa sechs Meter von der Hintertur entfernt, dieselbe Tur, durch die wir hereingekommen waren. Allmahlich fasste ich Hoffnung. Zum ersten Mal hielt ich es wirklich fur moglich, dass wir es schaffen konnten.

Und dann brach von einer Sekunde zur anderen die Holle los.

David Brooks rannte weg.

Wir waren in der Mitte des Raumes und wollten gerade an den frei stehenden Regalen vorbei, als David lossturmte, zwischen den Schwarmen hindurch und auf die andere Tur zu.

Sofort schnellten sie herum und jagten hinter ihm her.

Rosie schrie ihm zu, er solle zuruckkommen, aber David war auf die Tur konzentriert. Die Schwarme verfolgten ihn erstaunlich schnell. David war fast an der Tur - seine Hand griff nach dem Turknauf-, als einer der Schwarme nach unten glitt und sich vor ihm uber den Boden ausbreitete, ein schwarzes Tuch.

Als David Brooks auf diese schwarze Flache trat, rutschten die Fu?e unter ihm weg, wie auf Eis. Er schrie vor Schmerz auf, als er auf den Beton knallte, und er wollte sich sofort wieder hochrappeln, doch er konnte nicht; er rutschte weg und fiel hin, immer und immer wieder. Seine Brille zerbrach, das Gestell schnitt ihm in die Nase. Seine Lippen waren mit einer wirbelnden, schwarzen Masse bedeckt. Dann bekam er Atembeschwerden.

Rosie schrie noch immer, als der zweite Schwarm uber David herfiel und das Schwarz sich auf seinem Gesicht verteilte, ihm in die Augen, ins Haar drang. Seine Bewegungen wurden verzweifelter, er stohnte erbarmlich wie ein Tier, doch sooft er auch ausglitt und auf Hande und Knie fiel, irgendwie schaffte er es zur Tur. Endlich hechtete er vor, packte den Turknauf und zog sich daran hoch auf die Knie. Mit einer letzten verzweifelten Anstrengung drehte er den Knauf und stie? die Tur im Fallen auf.

Hei?es Sonnenlicht brach in den Raum - und der dritte Schwarm kam von drau?en hereingewirbelt.

Rosie schrie: »Wir mussen was tun!« Ich hielt sie am Arm fest, als sie an mir vorbei zu David rennen wollte. Sie wand sich in meinem Griff. »Wir mussen ihm helfen! Wir mussen ihm helfen!«

»Wir konnen nichts tun.«

»Wir mussen ihm helfen!«

»Rosie. Wir konnen nichts tun.«

David walzte sich jetzt auf dem Boden, schwarz von Kopf bis Fu?. Der dritte Schwarm hatte ihn eingehullt. Es war fast unmoglich, durch die tanzenden Partikel hindurchzuschauen. Davids Mund sah aus wie ein dunkles Loch, seine Augapfel waren vollig schwarz. Ich dachte, er war vielleicht schon blind. Sein Atem war ein einziges Rocheln, durchbrochen von Wurgegerauschen. Der Schwarm stromte in seinen Mund wie ein schwarzer Fluss.

David begann, am ganzen Korper zu zittern. Er griff sich an den Hals. Seine Fu?e trommelten auf den Boden. Ich war sicher, er starb gerade.

»Los, Jack«, sagte Charley. »Nichts wie raus hier.«

»Ihr konnt ihn doch nicht einfach zurucklassen!«, rief Rosie. »Nein, nein!«

David glitt jetzt zur Tur hinaus, ins Sonnenlicht. Seine Bewegungen waren nicht mehr so kraftvoll; sein Mund bewegte sich, aber wir horten nur Keuchen.

Rosie wollte sich losrei?en.

Charley packte sie an der Schulter und sagte: »Mach keinen Schei?, Rosie ...«

»Ihr konnt mich mal!« Mit einem Ruck riss sie sich von ihm los, trat mir fest auf den Fu?, und, daruber so uberrascht, lie? ich sie los, und sie rannte in den nachsten Raum und rief: »David! David!«

Seine Hand, schwarz wie bei einem Bergmann, streckte sich ihr entgegen. Sie packte sein Handgelenk. Und im selben Moment rutschte sie genau wie er auf dem schwarzen Boden aus und fiel hin. Sie sagte immer wieder seinen Namen, bis sie anfing zu husten und an ihren Lippen ein schwarzer Rand erschien.

Charley sagte: »Los, weg hier, verdammt. Ich kann das nicht mit ansehen.«

Ich war au?er Stande, die Fu?e zu bewegen, mich von der Stelle zu ruhren. Ich wandte mich Mae zu.

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