und versuchte, den Rest des Footballspiels zu sehen. Mir fiel auf, dass sie sonst nie am Abend duschte. Julia duschte immer morgens vor der Arbeit. Jetzt wurde mir bewusst, dass sie in letzter Zeit, wenn sie nach Hause kam, haufig gleich unter die Dusche ging, bevor sie die Kinder begru?te.
Mein Korper war noch immer angespannt. Ich schaltete den Fernseher aus. Ich sagte: »Wie war die Prasentation?«
»Die was?«
»Die Prasentation. Ihr wolltet sie doch heute zeigen?«
»Ach so«, sagte sie. »Ja, ja, stimmt. Ist gut gelaufen, als die Leitung dann endlich stand. Die Investoren in Deutschland konnten sich nicht alles ansehen, wegen der Zeitverschiebung, aber - he, willst du es sehen?«
»Was meinst du?«
»Ich hab eine Kopie dabei. Willst du dir das Demoband ansehen?«
Ich war uberrascht. Ich zuckte die Achseln. »Okay, von mir aus.«
»Mich interessiert wirklich, was du davon haltst, Jack.« Ich horte einen gonnerhaften Tonfall heraus. Meine Frau bezog mich in ihre Arbeit ein. Gab mir das Gefuhl, zu ihrem Leben dazuzugehoren. Ich sah zu, wie sie ihre Aktentasche offnete und eine DVD herausnahm. Sie legte sie in den Player ein und setzte sich dann zu mir aufs Bett.
»Was habt ihr denn prasentiert?«, fragte ich.
»Die neue Bildtechnologie fur den medizinischen Bereich«, sagte sie. »Echt toll, wenn ich das so sagen darf.« Sie ruckte nah heran, schmiegte sich eng an meine Schulter. Alles ganz kuschelig, wie in alten Zeiten. Mir war noch immer unbehaglich, aber ich legte einen Arm um sie.
»Ubrigens«, sagte ich, »wieso duschst du neuerdings abends statt morgens?«
»Keine Ahnung«, erwiderte sie. »Tu ich das? Stimmt. Ist irgendwie leichter, Schatz. Morgens ist immer so eine Hektik, und ich krieg dauernd diese Konferenzanrufe aus Europa, die kosten so viel Zeit - okay, los geht's«, sagte sie und deutete auf den Bildschirm. Ich sah schwarzwei?es Schneegestober, und dann erschien das Bild.
Die Aufnahme zeigte Julia in einem gro?en Labor, das wie ein Operationssaal ausgestattet war. Ein Mann lag ausgestreckt auf einer fahrbaren Trage, eine Infusionskanule im Arm, und neben ihm stand ein Anasthesist. Uber dem Operationstisch befand sich eine runde, flache Metallplatte von ungefahr einem Meter achtzig Durchmesser, die sich heben und senken lie?, jetzt aber angehoben war. Drum herum standen uberall Videomonitore. Und im Vordergrund blickte Julia auf einen Monitor, an ihrer Seite ein Videotechniker.
»Das ist ja furchterlich«, sagte sie gerade, auf den Monitor deutend. »Wo kommt denn diese Storung her?«
»Wir glauben von den Luftreinigungsgeraten.«
»Aber das ist inakzeptabel.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
»Was sollen wir machen?«
»Ihr sollt das beheben«, erwiderte Julia.
»Dann mussen wir mehr Saft geben, und ihr musst ...«
»Ist mir egal«, sagte sie. »Ich kann den Investoren doch kein Bild von dieser Qualitat zeigen. Die haben schon vom Mars bessere Bilder gesehen. Beheben Sie das.«
Neben mir auf dem Bett sagte Julia: »Ich wusste gar nicht, dass die das schon alles aufgenommen haben. Das war vor der Prasentation. Du kannst ein Stuck vorspulen.«
Ich druckte die Taste an der Fernbedienung. Das Bild bewegte sich ruckartig. Ich wartete ein paar Sekunden und druckte dann erneut auf Start.
Dieselbe Szene. Julia noch immer im Vordergrund. Carol, ihre Assistentin, flusterte ihr etwas zu.
»Okay, aber was soll ich ihm dann sagen?«
»Sag ihm, es geht noch nicht.«
»Aber er will anfangen.«
»Versteh ich. Aber die Ubertragung ist erst in einer Stunde. Sag ihm, er muss sich noch gedulden.«
Auf dem Bett sagte Julia zu mir: »Mad Dog war unsere Versuchsperson. Er war ganz schon unruhig. Konnte kaum erwar-ten, dass es endlich losging.«
Auf dem Bildschirm senkte die Assistentin die Stimme. »Ich glaube, er ist nervos, Julia. Das ware ich auch, wenn ein paar Millionen von den Dingern in meinem Korper rumkrabbeln wurden .«
»Es sind keine paar Millionen, und sie krabbeln nicht«, sagte Julia. »Uberhaupt, es ist schlie?lich seine Erfindung.«
»Trotzdem.«
»Ist das da druben nicht ein Anasthesist?«
»Nein, blo? ein Kardiologe.«
»Tja, vielleicht kann ihm der Kardiologe was gegen seine Nervositat geben.«
»Ist schon passiert. Eine Spritze.«
Auf dem Bett neben mir sagte Julia: »Spul vor, Jack.« Ich tat es. Das Bild schnellte vorwarts. »Okay, da.«
Ich sah Julia wieder am Monitor stehen, den Techniker neben sich. »So ist es okay«, sagte Julia in der Aufnahme, auf das Bild deutend. »Nicht toll, aber akzeptabel. So, zeigen Sie mir das RTM.«
»Das was?«
»Das RTM. Das Rastertunnelmikroskop. Zeigen Sie mir das Bild davon.«
Der Techniker blickte verwirrt. »Ah ... Keiner hat mir was von einem Elektronenmikroskop gesagt.«
»Herrgott, lesen Sie doch vorher die verdammten Storyboards!«
Der Techniker blinzelte. »Das steht in den Storyboards?«
»Haben Sie sich die Storyboards uberhaupt angesehen?«
»Tut mir Leid, muss ich wohl vergessen haben.«
»Fur Entschuldigungen haben wir jetzt keine Zeit. So machen Sie schon!«
»Sie brauchen nicht zu schreien.«
»Oh doch. Ich muss schreien, weil ich von Idioten umgeben bin!« Sie wedelte mit der Hand in der Luft. »Ich gehe gleich online, und ich rede mit elf Milliarden Dollar Risikokapital in funf Landern und zeige denen submikroskopische Technologie, blo? dass
Auf dem Bett sagte Julia: »Ich bin bei dem Typen ziemlich ausgerastet. Es war zum Verrucktwerden. Der Countdown bis zum Beginn unserer Satellitenzeit lief, und die war fest gebucht. Daran war nichts mehr zu andern. Wir mussten die Zeit einhalten, und der Typ da war eine hohle Nuss. Aber schlie?lich haben wir's hingekriegt. Spul vor.«
Der Bildschirm zeigte eine Tafel mit der Aufschrift:
Prasentation: Moderne Bildtechnologie im Bereich Medizin von Xymos Technologies
Mountain View, CA Weltweit fuhrend in der molekularen Produktion
Dann tauchte Julia auf dem Bildschirm auf, sie stand vor der Trage und den medizinischen Apparaturen. Sie hatte sich die Haare geburstet und die Bluse in den Rock gesteckt.
»Ich wunsche Ihnen allen einen Guten Tag«, sagte sie, in die Kamera lachelnd. »Ich bin Julia Forman von Xymos Technologies, und wir demonstrieren Ihnen jetzt ein von uns entwik-keltes revolutionares Verfahren zur Bilddarstellung fur medizinische Zwecke. Unsere Versuchsperson Peter Morris liegt hinter mir auf dem Tisch. In wenigen Augenblicken werden wir einen Blick in sein Herz und seine Blutgefa?e werfen, und zwar mit einer Leichtigkeit und Prazision, wie sie bis dato undenkbar gewesen sind.«
Sie ging jetzt um den Tisch herum, sprach aber dabei weiter.
»Im Gegensatz zum Herzkatheter ist unser Verfahren hun-dertprozentig sicher. Und anders als beim Herzkatheter konnen wir uns alles im Korper anschauen, jede Art von Gefa?, wie gro? oder klein auch immer. Wir werden in die Aorta dieses Mannes hier blicken, die gro?te Arterie seines Korpers. Aber wir werden auch in seine Lungenblaschen und in die winzigen Kapillargefa?e seiner Fingerspitzen schauen. Das alles wird moglich, weil die Kamera, die wir in seine Gefa?e einfuhren, kleiner ist als ein rotes Blutkorperchen. Sogar erheblich kleiner.
Die Mikrofabrikationstechnologie von Xymos kann diese Miniaturkameras nun herstellen, und das in gro?en