»Ja. Aber ich wei? nicht, wie.«

»Wer wei? das?«

»Nur Ricky.«

Ich schuttelte den Kopf. »Das nutzt uns auch nichts. Meinst du nicht, du kannst das rauskriegen ...«

»Es gibt einen Code«, sagte sie. »Und den kennt nur Ricky.«

»Oh.«

»Uberhaupt, Jack, es ware zu gefahrlich, die Sicherheitssysteme abzuschalten. Die Anlage arbeitet teilweise mit hohen Temperaturen und mit Hochspannung. Und in den Armen werden jede Menge Ketone und Methan produziert. Das Methan wird standig uberwacht und abgezapft, damit es eine bestimmte Konzentration nicht ubersteigt. Aber wenn es nicht abgezapft wird und durch die Hochspannung Funken entstehen .« Sie brach ab, zuckte die Achseln.

»Was hei?t das? Dass sie explodieren konnte?«

»Nein, Jack. Ich will damit sagen, dass sie explodieren wird. Und zwar wenige Minuten, nachdem die Sicherheitssysteme abgeschaltet wurden. Sechs, hochstens acht Minuten danach. Und wenn das passiert, warst du bestimmt nicht gerne dabei. Also kannst du von der Anlage nicht haufenweise Viren produzieren lassen. Sicherheitssysteme an oder aus, es geht einfach nicht.«?

Schweigen.

Ratlosigkeit.

Ich schaute mich im Raum um. Ich erblickte den Stahltank, der sich uber meinem Kopf wolbte, und das Gestell mit Rea-genzrohrchen zu Maes Fu?en. Ich blickte in die Ecke, wo ich einen Mopp, einen Eimer und einen Plastikkanister Wasser sah. Und ich sah Mae an, die noch immer den Tranen nah war, sich aber irgendwie zusammenriss.

Und ich hatte einen Plan.

»Schon. Tu's trotzdem. Gib das Virus in die Anlage.«

»Was soll das bringen?«

»Tu's einfach.«

»Jack«, sagte sie. »Warum machen wir das hier? Ich furchte, sie wissen, dass wir es wissen. Wir konnen sie nicht tauschen. Sie sind zu clever. Wenn wir das machen, ist denen doch sofort klar, dass wir es waren.«

»Ja«, sagte ich. »Sehr wahrscheinlich.«

»Und es funktioniert ohnehin nicht. Die Anlage produziert keine Viren. Also wozu, Jack? Was soll das bringen?«

Mae hatte sich die ganze Zeit hindurch als verlassliche Freundin erwiesen, und jetzt hatte ich einen Plan, und ich wurde ihn ihr nicht verraten. Das gefiel mir zwar nicht, aber ich musste die anderen irgendwie ablenken. Ich musste sie an der Nase herumfuhren. Und Mae sollte mir dabei helfen - was bedeutete, dass sie an einen anderen Plan glauben musste.

Ich sagte: »Mae, wir mussen sie ablenken, sie reinlegen. Ich mochte, dass du das Virus in die Produktionsanlage gibst. Sie sollen sich darauf konzentrieren. Sie sollen sich deswegen Sorgen machen. In der Zwischenzeit gehe ich mit dem Virus in den Wartungsbereich unter dem Dach und kippe es in den Sprinklertank.«

»Und dann lost du die Sprinkleranlage aus?«

»Ja.«

Sie nickte. »Und sie werden mit Viren durchtrankt. Alle in diesen Gebauden. Bis auf die Haut durchtrankt.«

»Genau.«

Sie sagte: »Es konnte vielleicht sogar klappen, Jack.«

»Was Besseres fallt mir nicht ein«, sagte ich. »Also, offne eins von den Ventilen, und dann zapfen wir ein paar Reagenz-rohrchen Viren ab. Und dann fullst du sie in den Plastikkanister da druben.«

Sie zogerte. »Das Ventil ist auf der anderen Seite des Tanks. Die Uberwachungskamera wird uns sehen.«

»Nicht schlimm«, sagte ich. »Lasst sich nun mal nicht andern. Du musst nur ein bisschen Zeit fur mich rausschlagen.« »Und wie soll ich das machen?«

Ich sagte es ihr. Sie verzog das Gesicht. »Du machst Witze! Das machen die nie!« »Naturlich nicht. Ich brauche blo? ein bisschen Zeit.«

Wir gingen um den Tank herum. Sie fullte die Reagenzglaschen. Die Flussigkeit, die herauskam, war eine dicke, braune Bruhe. Sie roch nach Fakalien. Sie sah auch so aus. Mae sagte zu mir: »Ist das wirklich dein Ernst?« »Es muss sein«, sagte ich. »Wir haben keine andere Wahl.« »Du zuerst.«

Ich nahm das Reagenzrohrchen, holte tief Luft und schluckte den ganzen Inhalt. Es war widerlich. Mir hob sich der Magen. Ich dachte, ich musse mich ubergeben, aber es ging dann doch ohne. Ich holte noch einmal Luft, trank etwas Wasser aus dem Kanister und blickte Mae an. »Ekelhaft, was?«, sagte sie. »Ekelhaft.«

Sie nahm ein Rohrchen, hielt sich die Nase zu und trank. Ich wartete, dass ihr Hustenanfall sich wieder legte. Es gelang ihr, sich nicht zu erbrechen. Ich gab ihr den Kanister, sie trank und goss den Rest auf den Boden. Dann fullte sie ihn mit der braunen Bruhe.

Als Letztes drehte sie den Griff eines gro?es Durchflussventils auf. »So«, sagte sie. »Jetzt lauft es in die Anlage.«

»Gut«, sagte ich. Ich nahm zwei Reagenzglaschen und steckte sie mir in die Hemdtasche. Ich nahm den Plastikkanister. Auf dem Etikett stand »Arrowhead Pure Water«. »Bis spater.« Und ich lief los. Als ich den Flur entlangeilte, dachte ich, dass ich eine Chan-ce von eins zu hundert hatte. Vielleicht nur eine von eins zu tausend.

Aber eine Chance hatte ich.

Spater sah ich mir die ganze Szene auf der Uberwachungskamera an, daher wusste ich, was mit Mae passierte. Sie ging in die Kuche, ihr Gestell mit braunen Reagenzrohrchen in der Hand. Die anderen waren alle da und a?en. Julia warf ihr einen frostigen Blick zu. Vince achtete nicht auf sie. Ricky sagte: »Was hast du denn da, Mae?«

»Phagen«, erwiderte sie.

»Wozu?«

Jetzt blickte Julia auf. Mae sagte: »Die hab ich aus dem Fermentationstank.«

»Igitt, deshalb stinkt das so.«

»Jack hat gerade eins ausgetrunken. Ich musste auch eins trinken.«

Ricky schnaubte: »Wozu denn das? Himmel, und du hast nicht gekotzt?«

»Beinahe. Jack will, dass ihr alle auch eins trinkt.«

Bobby lachte. »Ach ja? Warum das?«

»Um sicherzustellen, dass keiner von euch infiziert ist.«

Ricky runzelte die Stirn. »Infiziert? Was meinst du mit infiziert?«

»Jack sagt, dass Charley den Schwarm in seinem Korper hatte, ihr daher moglicherweise auch. Oder der eine oder andere von euch. Wenn ihr das Virus hier trinkt, totet es die Bakterien in euch und damit auch den Schwarm.«

Bobby sagte: »Ist das dein Ernst? Wir sollen die Bruhe da trinken? Nie im Leben, Mae!«

Sie wandte sich an Vince.

»Riecht wie Schei?e«, sagte Vince. »Jemand anders soll anfangen.«

Mae sagte: »Ricky? Willst du anfangen?«

Ricky schuttelte den Kopf. »Ich trink das Zeug nicht. Wieso sollte ich?«

»Na, erstens, damit du beruhigt sein kannst, dass du nicht infiziert bist. Und zweitens, damit wir das auch sein konnen.«

»Willst du damit sagen, das ist ein Test?«

Mae zuckte die Achseln. »Jack sieht das so.«

Julia kniff die Augen zusammen. Sie sagte zu Mae: »Wo ist Jack?«

»Keine Ahnung. Zuletzt hab ich ihn an den Fermentierkesseln gesehen. Ich wei? nicht, wo er jetzt ist.«

»Doch, du wei?t es«, sagte Julia kalt. »Du wei?t genau, wo er ist.«

»Wei? ich nicht. Er hat es mir nicht erzahlt.«

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