»Und ob er es dir erzahlt hat. Er erzahlt dir doch sonst alles«, sagte Julia. »Ihr habt doch dieses kleine Spielchen hier geplant, nicht? Ihr habt doch nicht ernsthaft geglaubt, dass wir das Zeug da trinken. Wo ist Jack, Mae?«

»Ich sag doch, ich wei? es nicht.«

Julia sagte zu Bobby: »Such ihn auf den Monitoren. Finde ihn.« Sie kam um den Tisch herum. »Jetzt hor mal gut zu, Mae.« Ihre Stimme war ruhig, aber durch und durch bedrohlich. »Ich will eine Antwort von dir. Und ich will die Wahrheit horen.«

Mae wich zuruck. Ricky und Vince kamen von den Seiten auf sie zu. Dann stand Mae mit dem Rucken zur Wand.

Julia trat langsam auf sie zu. »Raus mit der Sprache, Mae«, sagte sie. »Es ist sehr viel besser fur dich, wenn du kooperierst.«

Von der anderen Seite des Raumes sagte Bobby: »Ich hab ihn. Er geht durch die Fertigungshalle. Er hat einen Kanister dabei, mit dieser braunen Bruhe drin, wies aussieht.«

»Jetzt red schon, Mae«, sagte Julia und beugte sich dicht zu Mae vor. Sie war ihr so nah, dass ihrer beider Lippen sich fast beruhrten. Mae presste Augen und Mund fest zu. Ihr Korper begann vor Furcht zu zittern. Julia streichelte ihr ubers Haar. »Keine Angst. Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst. Sag mir einfach, was er mit dem Kanister vorhat«, sagte Julia.

Mae schluchzte hysterisch. »Ich hab gewusst, dass es nicht funktioniert. Ich hab ihm gesagt, dass ihr dahinter kommt.«

»Aber ja«, sagte Julia leise. »Naturlich mussten wir dahinter kommen. Und jetzt sag mir, was er vorhat.«

»In dem Kanister ist das Virus«, sagte Mae, »und er will es in den Sprinklertank schutten.«

»Will er das?«, sagte Julia. »Wirklich sehr schlau von ihm. Danke, Kleines.«

Und sie kusste Mae auf den Mund. Mae wand sich, aber sie hatte die Wand im Rucken, und Julia hielt ihr den Kopf fest. Als Julia schlie?lich zurucktrat, sagte sie: »Bleib ganz ruhig. Denk dran, er wird dir nichts tun, wenn du dich nicht gegen ihn wehrst.« Und sie ging aus dem Raum.

7. Tag, 6.12 Uhr

Alles geschah schneller, als ich gedacht hatte. Ich horte sie den Korridor in meine Richtung laufen. Rasch versteckte ich den Kanister, lief dann zuruck, weiter durch die Werkshalle. Plotzlich waren sie da. Ich rannte los. Vince holte mich ein, sprang mich an. Ich schlug hart auf den Boden auf. Ricky warf sich auf mich, mir blieb die Luft weg. Dann trat Vince mir in die Rippen, und zusammen zogen sie mich auf die Beine, vor Julia.

»Hi, Jack«, sagte sie lachelnd. »Wie geht's?«

»Es ging schon mal besser.«

»Wir hatten eine nette Unterhaltung mit Mae«, sagte Julia. »Also reden wir nicht lange um den hei?en Brei.« Sie suchte den Boden in der Nahe ab. »Wo ist der Kanister?«

»Was fur ein Kanister?«

»Jack.« Sie schuttelte traurig den Kopf. »Das bringt doch nichts. Wo ist der Kanister mit den Phagen, die du in die Sprinkleranlage fullen wolltest?«

»Ich hab keinen Kanister.«

Sie trat ganz dicht an mich heran. Ich konnte ihren Atem im Gesicht spuren. »Jack ... ich kenne diesen Ausdruck in deinem Gesicht. Du hast einen Plan, nicht? Jetzt sag mir endlich, wo der Kanister ist.«

»Was fur ein Kanister?«

Ihre Lippen streiften meine. Ich stand einfach da, reglos wie eine Statue. »Jack, Schatz«, flusterte sie, »du wirst doch nicht so dumm sein, mit dem Feuer zu spielen. Ich will den Kanister.«

Ich stand nur da.

»Jack ... nur ein Kuss ...« Sie war nah, verfuhrerisch.

Ricky sagte: »Lass gut sein, Julia. Er hat keine Angst vor dir.

Er hat das Virus getrunken, und er glaubt, er ist dadurch geschutzt.«

»Ist er das denn?«, sagte Julia und trat zuruck.

»Vielleicht«, sagte Ricky, »aber ich wette, er hat Angst zu sterben.«

Und dann packten er und Vince mich und schleppten mich durch die Halle. Sie brachten mich zu dem Raum, in dem der Hochfeldmagnet stand. Ich fing an, mich zu wehren.

»Du hast es erfasst«, sagte Ricky. »Du wei?t, was jetzt kommt, nicht?«

Das war nicht mein Plan gewesen. Damit hatte ich nicht gerechnet; ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wehrte mich mit aller Kraft, trat und wand mich. Aber sie waren beide ungemein stark. Sie schleppten mich einfach weiter. Julia offnete die dicke Stahltur zum Magnetraum. Drinnen sah ich die kreisrunde Trommel des Magneten, fast zwei Meter im Durchmesser.

Sie stie?en mich grob hinein. Ich fiel der Lange nach hin. Mit dem Kopf schlug ich gegen die Stahlummantelung. Ich horte, wie die Tur zufiel und verriegelt wurde.

Ich stand auf.

Ich horte das Drohnen der anspringenden Kuhlpumpen. Die Gegensprechanlage klickte. Rickys Stimme erklang. »Hast du dich schon mal gefragt, warum die Wande aus Stahl sind, Jack? Pulsfeldmagneten sind gefahrlich. Wenn sie standig laufen, explodieren sie. Das Feld, das sie erzeugen, rei?t sie in Stucke. Wir haben eine Minute Ladezeit. Du hast also eine Minute zum Nachdenken.«

Ich war schon einmal in diesem Raum gewesen, als Ricky mir alles gezeigt hatte. Ich erinnerte mich, dass es einen Notknopf in Kniehohe gab. Ich druckte ihn mit dem Knie.

»Funktioniert nicht, Jack«, sagte Ricky lakonisch. »Ich hab die Schaltung umgekehrt. Jetzt wird der Magnet eingeschaltet statt ausgeschaltet. Dachte, es interessiert dich vielleicht.«

Das Drohnen wurde lauter. Der Raum fing leicht an zu vibrieren. Die Luft kuhlte sich rasch ab. Gleich darauf konnte ich meinen Atem sehen.

»Tut mir Leid, wenn du es ungemutlich hast, aber das ist nur vorubergehend«, sagte Ricky. »Sobald die Pulse richtig auf Touren kommen, heizt sich der Raum schnell auf. Ah, Moment. Siebenundvierzig Sekunden.«

Das Gerausch war ein rasches Klonk-Klonk-Klonk, wie ein gedampfter Presslufthammer. Es war laut und wurde lauter. Ich konnte Ricky uber die Sprechanlage kaum noch horen.

»Nun hor mal, Jack«, sagte er. »Du hast eine Familie. Eine Familie, die dich braucht. Also denk grundlich uber deine Moglichkeiten nach.«

Ich sagte: »Lass mich mit Julia sprechen.«

»Nein, Jack. Sie will jetzt nicht mit dir sprechen. Sie ist sehr enttauscht von dir, Jack.«

»Lass mich mit ihr sprechen.«

»Jack, horst du nicht, was ich sage? Sie will nicht. Nicht, solange du ihr nicht sagst, wo das Virus ist.«

Klonk-klonk-klonk. Der Raum wurde warmer. Ich konnte das Gurgeln des Kuhlmittels horen, das durch die Leitungen floss. Ich druckte den Notknopf mit dem Knie.

»Wie oft soll ich es dir noch sagen, Jack. Der Knopf schaltet den Magneten blo? an. Hast du Probleme, mich zu verstehen?«

»Ja«, brullte ich. »Die hab ich.«

»So ein Jammer«, sagte Ricky. »Tut mir Leid, das zu horen.«

Jedenfalls glaubte ich, dass er das sagte. Das Klonk-klonk-klonk schien inzwischen den ganzen Raum zu fullen, brachte selbst die Luft zum Vibrieren. Sie klangen wie ein gewaltiger Kernspintomograf, diese riesigen Pumpen. Der Kopf tat mir weh. Ich betrachtete den Magneten, die dicken Schrauben, die die Platten zusammenhielten. Die Schrauben wurden bald zu Geschossen werden.

»Das hier ist kein Spiel, Jack«, sagte Ricky. »Wir wurden dich nur sehr ungern verlieren. Zwanzig Sekunden.«

Die Ladezeit war die Zeit zum Aufladen der Magnetfeldspeicher, damit Millisekunden-Strompulse abgegeben werden konnten. Ich fragte mich, wie lange es nach dem Laden dauern wurde, bis die Pulse den Magneten in Stucke rissen. Wahrscheinlich hochstens ein paar Sekunden. Mir lief also die Zeit davon. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Alles war furchterlich schief gelaufen. Und das Schlimmste war, dass ich den einzigen Vorteil verspielt hatte, den ich uberhaupt je gehabt hatte, denn jetzt waren sie sich bewusst, wie wichtig das Virus war. Zuvor hatten sie darin keine Gefahr gesehen. Aber jetzt wussten sie Bescheid und verlangten, dass ich das Virus aushandigte. Bald wurden sie auf die Idee kommen, den Fermentationstank zu zerstoren. Sie wurden das Virus

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