sehr grundlich vernichten, da war ich mir sicher.
Und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Jetzt nicht mehr.
Ich fragte mich, wie es Mae ging und ob man ihr was getan hatte. War sie noch am Leben? Ich fuhlte mich distanziert, teilnahmslos. Ich hockte hier in einem ubergro?en Kernspin-tomografen, mehr nicht. Das laute, beangstigende Gerausch, so musste es Amanda ergangen sein, als sie darin lag . Meine Gedanken schweiften ab, gleichgultig.
»Zehn Sekunden«, sagte Ricky. »Mensch, Jack. Spiel nicht den Helden. Das ist nicht dein Stil. Sag uns, wo der Kanister ist. Zehn Sekunden. Funf. Jack, los ...«
Das
»Erster Impuls«, sagte Ricky. »Sei kein Idiot, Jack.«
Wieder ein
Ich hielt es nicht mehr aus. Ich rief: »Okay! Ricky! Ich sag's euch!«
»Nein. Erst abschalten. Und ich sage es nur Julia.«
»Wollt ihr das Virus, oder wollt ihr euch lieber uberraschen lassen?«
Und dann auf einmal Stille. Nur das leise Zischen der Kuhlflussigkeit, die durch die Ummantelung floss. Der Magnet war zu hei?, um ihn anzufassen. Aber wenigstens hatte das Gerausch des Kernspintomografen aufgehort.
Der Kernspintomograf ...
Ich stand im Raum und wartete, dass Julia hereinkam. Und dann uberlegte ich es mir anders und setzte mich hin.
Ich horte, wie die Tur entriegelt wurde. Julia trat ein.
»Jack. Du bist doch nicht verletzt, oder?«
»Nein«, sagte ich. »Blo? mit den Nerven am Ende.«
»Ich versteh nicht, warum du dir das selbst angetan hast«, sagte sie. »Es war vollig unnotig. Aber wei?t du, was? Ich habe eine gute Nachricht. Der Hubschrauber ist gerade gekommen.«
»Ach ja?«
»Ja, er ist heute fruher dran als sonst. Denk doch mal nach, ware es nicht schon, jetzt im Hubschrauber zu sitzen, auf dem Weg nach Hause? Zuruck zu deinen Kindern? Ware das nicht toll?«
Ich sa? da, mit dem Rucken gegen die Wand, und blickte zu ihr hoch. »Soll das hei?en, ich kann gehen?«
»Naturlich, Jack. Warum solltest du langer hier bleiben? Gib mir einfach den Virus-Kanister und ab nach Hause.«
Ich glaubte ihr keine Sekunde. Ich sah die freundliche Julia, die verfuhrerische Julia. Aber ich glaubte ihr nicht. »Wo ist Mae?«
»Sie ruht sich aus.«
»Du hast ihr was angetan.«
»Nein. Nein, nein, nein. Wieso sollte ich?« Sie schuttelte den Kopf. »Du willst es einfach nicht verstehen, was? Ich will dir nichts tun, Jack. Dir nicht, Mae nicht, niemandem. Vor allem dir will ich nichts tun.«
»Erzahl das mal Ricky.«
»Jack. Bitte. Lassen wir die Gefuhle mal einen Moment aus dem Spiel, und seien wir logisch. Du hast dich selbst hier reingeritten. Warum kannst du die neue Situation nicht akzeptieren?« Sie streckte mir die Hand entgegen. Ich ergriff sie, und Julia zog mich hoch. Sie war stark. Starker, als ich sie je erlebt hatte. »Schlie?lich«, sagte sie, »bist du doch ein integraler Bestandteil von all dem hier. Du hast fur uns den wilden Typ vernichtet, Jack.«
»Damit der gutartige Typ bluhen und gedeihen kann .«
»Genau, Jack. Damit der gutartige bluhen und gedeihen kann. Und eine neue Synergie mit den Menschen schaffen kann.«
»Die Synergie, die du jetzt hast, zum Beispiel.«
»Stimmt, Jack.« Sie lachelte. Es war ein schauerliches Lacheln.
»Wie nennt man das zwischen euch? Koexistenz? Koevoluti-on?«
»Symbiose.« Sie lachelte noch immer.
»Julia, das ist ausgemachter Schwachsinn«, sagte ich. »Es ist eine Krankheit.«
»Klar, dass du das sagst. Weil du es nicht besser wei?t, noch nicht. Du hast es nicht erlebt.« Sie trat auf mich zu und umarmte mich. Ich lie? sie gewahren. »Du hast ja keine Ahnung, was dich alles erwartet.«
»Den Zustand kenn ich«, sagte ich.
»Sei doch mal zur Abwechslung nicht so stur. Lass dich einfach treiben. Du siehst mude aus, Jack.«
Ich seufzte. »Ich bin mude«, sagte ich. Und das stimmte. Ich fuhlte mich ausgesprochen schwach in ihren Armen. Ich war sicher, dass sie das spurte.
»Dann entspann dich doch einfach. Umarm mich, Jack.«
»Ich wei? nicht. Vielleicht hast du Recht.«
»Ja, bestimmt.« Sie lachelte wieder, fuhr mir mit der Hand durchs Haar. »Ach, Jack ... ich hab dich wirklich vermisst.«
»Ich dich auch«, sagte ich. »Ich hab dich auch vermisst.« Ich umarmte sie, zog sie naher an mich, hielt sie ganz fest. Unsere Gesichter waren einander nah. Sie sah wunderschon aus, ihre Lippen waren leicht geoffnet, die Augen blickten zu mir hoch, sanft, einladend. Ich spurte, wie sie sich entspannte. Dann sagte ich: »Eins musst du mir verraten, Julia. Das geht mir schon die ganze Zeit durch den Kopf.«
»Gern, Jack.«
»Wieso hast du dich im Krankenhaus geweigert, ein Kernspintomogramm machen zu lassen?«
Sie zog die Stirn kraus, lehnte den Oberkorper zuruck und sah mich an. »Was? Was meinst du?«
»Bist du wie Amanda?«
»Amanda?«
»Unsere kleine Tochter . erinnerst du dich? Die Kernspin-tomografie hat sie geheilt. Von einer Sekunde auf die andere.«
»Wovon redest du?«
»Julia, hat der Schwarm vielleicht Probleme mit Magnetfeldern?«
Ihre Augen wurden gro?. Sie versuchte, sich aus meiner Umarmung zu befreien. »Lass mich los! Ricky! Ricky!«
»Tut mir Leid, Schatz«, sagte ich. Ich rammte mein Knie gegen den Knopf. Und es machte laut
Julia schrie.
Ihr Mund war offen, als sie schrie, ein steter, kontinuierlicher Ton, das Gesicht vor Anspannung ganz starr. Ich hielt sie mit aller Kraft fest. Die Haut ihres Gesichts fing an zu beben, vibrierte rasch. Und dann schienen ihre Gesichtszuge gro?er zu werden, schwollen an, wahrend sie weiter schrie. Ich dachte, dass ihre Augen verangstigt blickten. Das Anschwellen hielt an und zerfiel in Rinnsale und Bache.
Und dann, urplotzlich, loste Julia sich vor meinen Augen formlich auf. Die Haut ihres angeschwollenen Gesichts und Korpers flog in Partikelstromen von ihr ab, wie Sand, der von einer Dune geweht wird. Die Partikel schossen im Bogen des Magnetfeldes zu den Wanden des Raumes hin.
Ich spurte, wie Julias Korper in meinen Armen leichter wurde. Noch immer rauschten die Partikel mit einem zischenden Gerausch in alle Ecken des Raumes. Und als es vorbei war, hielt ich nur noch eine blasse und ausgezehrte Gestalt in den Armen. Julias Augen waren tief in die Hohlen gesunken. Ihre Lippen waren dunn und rissig, ihre Haut fast durchscheinend, ihr Haar farblos, sprode. Das Schlusselbein trat an ihrem knochigen Hals