Teamleiter der Mordkommission hielt Greene sich uber die Falle der anderen Teams auf dem laufenden und wu?te von Homer und Blanche Frost, die im Januar in Coconut Grove ermordet worden waren. Ebenso war er uber den grausigen Fall Hennenfeld vor fast drei Monaten in Fort Lauderdale informiert, der ganz ahnlich gewesen war. Und jetzt hatte er unverkennbar eine dritte Greueltat in dieser Serie vor sich.

Der Sergeant reagierte sofort, griff nach dem Handfunkgerat mit Mobiltelefon an seinem Gurtel und fuhrte mehrere Telefongesprache.

Als erstes forderte er die Spurensicherung an, weil sie in diesem Fall, da der Serienmorder jederzeit erneut zuschlagen konnte, am wichtigsten war. Das Beweismaterial mu?te moglichst schnell gesammelt, untersucht und ausgewertet werden. Aber ein Dispatcher teilte ihm mit, alle Teams seien anderswo im Einsatz, so da? er fruhestens in einer Stunde eines zu ihm schicken konne. Pablo Greene war wutend, weil er wu?te, da? durch diese Verzogerung Spuren verlorengehen konnten. Er wu?te jedoch auch, da? es zwecklos gewesen ware, den Dispatcher zu beschimpfen, deshalb hielt er den Mund.

Seine Geduld war fast erschopft, als er nochmals telefonierte, um einen Gerichtsmediziner anzufordern, der die Leichen untersuchen sollte. Im Augenblick sei keiner verfugbar, lautete die Auskunft, aber einer werde »moglichst bald« zum Tatort entsandt.

»Das genugt nicht«, sagte er und mu?te sich beherrschen, um nicht loszubrullen, obwohl er genau wu?te, da? sich dagegen nichts machen lie?. Der nachste Anruf brachte ein ahnliches Ergebnis: kein Staatsanwalt verfugbar, aber einer, der noch bei Gericht war, wurde in etwa einer Stunde am Tatort sein.

Fur Ermittler hat sich viel geandert, dachte er murrisch. Noch vor nicht allzulanger Zeit hatte der Ruf an einen Tatort hektische Aktivitaten ausgelost, aber das war offenbar nicht mehr der Fall. Vermutlich hing das mit dem zunehmenden Werteverfall innerhalb der Gesellschaft zusammen, wahrend andererseits die Zahl der Morde standig anstieg.

Greene gelang es, Lieutenant Newbold uber Funk zu erreichen. Obwohl er sich vorsichtig ausdrucken mu?te, weil andere zuhorten, konnte er Newbold davon uberzeugen, da? die Ermittlungen am Tatort Pine Terrace schnell aufgenommen werden mu?ten. Der Lieutenant versprach ihm, sofort seinerseits ein paar Telefongesprache zu fuhren.

Au?erdem schlug Greene vor, Sergeant Ainslie und Detective Quinn zu benachrichtigen. Das ubernahm Newbold, der hinzufugte, er werde in ungefahr einer halben Stunde selbst zum Tatort kommen.

Dann konzentrierte Greene sich wieder auf die beiden sadistisch verstummelten Leichen und fuhrte dabei seine Notizen fort, die er sich seit Betreten des Gebaudes gemacht hatte. Wie in den beiden anderen Fallen, von denen er wu?te, sa?en der Mann und die Frau einander gefesselt und geknebelt gegenuber. Beide waren offenbar gezwungen worden, in stummem Entsetzen zuzusehen, wie ihr Ehepartner gefoltert wurde.

Sergeant Greene skizzierte ihre Positionen, ohne etwas zu verandern, bevor die Spurensicherung eintraf. Auf einem Beistelltisch sah er einen Umschlag liegen, auf dem ein an das Ehepaar Urbina gerichteter Brief lag. Um ihn nicht anfassen zu mussen, schob er den Brief vorsichtig mit der Klinge seines Taschenmessers zur Seite; nun konnte er die Vornamen der beiden auf dem Umschlag lesen und notierte sie.

Auf einem Schrankchen in der Nahe der Leichen sah er ein tragbares Radio stehen - offenbar das Gerat, das Xavier ausgeschaltet hatte. Greene bemerkte, da? es auf 105,9 MHz eingestellt war. Diesen Sender kannte er: HOT 105. Ein Sender, der ausschlie?lich harte Rockmusik spielte.

Als nachstes machte er einen langsamen Rundgang durch die ubrigen Raume der Wohnung. In den beiden Schlafzimmern waren alle Schubladen aufgerissen - vermutlich von dem Eindringling - und so zuruckgelassen worden. Der Inhalt einer Damenhandtasche und einer Mannergeldborse lag ausgekippt auf einem Bett. Der Tater schien alles Geld mitgenommen zu haben, hatte aber einige nicht allzu teure Schmuckstucke unberuhrt gelassen.

Zu jedem Schlafzimmer gehorte ein eigenes Bad mit Toilette. Die Spurensicherung wurde beide Raume genau unter die Lupe nehmen, aber Greene sah dort auf den ersten Blick nichts Auffalliges. In einem Bad war der Klodeckel hochgeklappt, und im WC stand Urin. Greene notierte sich diese Einzelheiten, obwohl er wu?te, da? weder Kot noch Urin zur Identifizierung eines Verdachtigen beitragen konnten.

Er ging zuruck ins Wohnzimmer und nahm dort einen anderen Gestank wahr, der sich von dem Leichengeruch abhob. Als er sich den Ermordeten naherte, wurde dieser Gestank durchdringender. Dann sah Greene, woher er kam. Neben einer Hand der toten Frau stand eine Bronzeschale, die offenbar menschliche Exkremente enthielt, die teilweise mit Urin bedeckt zu sein schienen. Dies war einer der Momente, in denen Pablo Greene sich wunschte, er hatte einen anderen Beruf gewahlt.

Wahrend er zuruckwich, erinnerte er sich daran, da? es gelegentlich vorkam, da? ein Krimineller am Tatort seine Notdurft verrichtete - meist bei Villeneinbruchen, vermutlich als Geste der Verachtung gegenuber den abwesenden Besitzern. Aber er konnte sich an keinen Mord erinnern, vor allem an keine so grausame Tat wie die Ermordung dieses alten Ehepaars, in dem das der Fall gewesen war. Greene, ein anstandiger Kerl und guter Familienvater, fuhr den Morder in Gedanken angewidert an: Was fur ein widerliches Stuck Dreck bist du eigentlich?

»Was war das, Pablo?« fragte eine Stimme von der Wohnungstur her. Sie gehorte Lieutenant Newbold, der eben angekommen war, und Greene merkte, da? er laut gesprochen hatte.

In heftiger Erregung, wie er sie selten spurte oder sich anmerken lie?, deutete Greene stumm auf die beiden Toten und zeigte dann auf die Schale, die er gerade entdeckt hatte.

Leo Newbold kam naher und sah sich alles genau an.

Dann sagte er ruhig: »Keine Angst, wir schnappen den Hundesohn. Und wenn's soweit ist, haben wir so gottverdammt gute Beweise, da? er auf den Stuhl kommt.«

Newbold dachte daran, wie Major Yanes ihn erst vor kurzem ermahnt hatte: Sorgen Sie dafur, da? nichts unterbleibt, was hatte getan werden mussen - und achten Sie besonders auf Zusammenhange zwischen einzelnen Fallen.

Die Mordkommission vermutete naturlich einen Zusammenhang zwischen den Fallen Frost in Miami und Hennenfeld in Fort Lauderdale, aber nach diesem dritten Doppelmord, der offensichtlich mit den ersten zusammenhing, wurde unweigerlich gefragt werden: Ware mehr zu erreichen gewesen, wenn die Ermittlungen zusammengelegt, wenn die Taten von Anfang an als Serienmorde behandelt worden waren? Hatte dann vielleicht schon ein Verdachtiger gefa?t werden konnen?

Newbold bezweifelte es. Trotzdem wurden bestimmte Leute -vor allem Journalisten - nachtraglich wieder einmal schlauer sein und so das Police Department und vor allem die Mordkommission unter noch starkeren Druck bringen.

Aber jetzt kam es darauf an, sich auf diesen letzten Fall zu konzentrieren und zugleich die beiden ersten nochmals unter die Lupe zu nehmen. Fur Newbold stand au?er Zweifel, da? die Mordkommission Jagd auf einen Serienmorder machen mu?te.

»Haben Sie Ainslie und Quinn erreicht?« fragte Greene.

Der Lieutenant nickte. »Beide sind hierher unterwegs. Und ich habe Quinn angewiesen, seinen Kontaktmann in Lauderdale zu informieren.«

Wenige Minuten spater traf ein vierkopfiges Team zur Spurensicherung ein, und im nachsten Augenblick tauchte auch Sandra Sanchez, die Gerichtsmedizinerin, auf. Nach Greenes dringendem Anruf vom Tatort aus hatte Newbold offensichtlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diese Leute loszueisen.

In den folgenden funf Stunden ging die Arbeit rasch voran. Danach wurden die sterblichen Uberreste von Lazaro und Luisa Urbina in Leichensacken abtransportiert, damit die Gerichtsmedizinerin abends die Autopsie vornehmen konnte. Greene wurde als Zeuge anwesend sein mussen, was bedeutete, da? der Papierkram auf seinem Schreibtisch einen Tag langer unerledigt liegenbleiben und noch neuer hinzukommen wurde.

Obwohl das von der Spurensicherung gesammelte Beweismaterial erst untersucht und ausgewertet werden mu?te, stand eine enttauschende Tatsache schon fruhzeitig fest.

»Der Tater hat ziemlich sicher Handschuhe getragen«, erklarte Sylvia Waiden, die nach Fingerabdrucken suchte, Sergeant Greene. »Ich habe mehrere verwischte Spuren gefunden, die von Latexhandschuhen stammen durften - wie im Royal Colonial. Und ich glaube, da? er clever genug gewesen ist, zwei Paar Handschuhe zu tragen, weil sich Fingerabdrucke mit der Zeit durchdrucken. Naturlich habe ich auch gute Abdrucke gefunden, die wir uberprufen werden, aber ich glaube nicht, da? sie vom Tater stammen.«

Greene schuttelte den Kopf. »Danke«, murmelte er.

»Tut mir leid, aber ich kann's nicht andern«, sagte Waiden noch, bevor sie weiterarbeitete.

Вы читаете Der Ermittler
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату